Viral auf Philippinisch
10.10.2025 SerieJONATHAN SCHOPFER
Die Gstaaderin Sina Gascon begeistert auf Facebook über 600’000 Followerinnen und Follower mit Videos in der Sprache ihres Mannes Benson. Aber damit nicht genug: Die beiden besitzen unter anderem ein Tattoostudio in der Stadt Bern.
...JONATHAN SCHOPFER
Die Gstaaderin Sina Gascon begeistert auf Facebook über 600’000 Followerinnen und Follower mit Videos in der Sprache ihres Mannes Benson. Aber damit nicht genug: Die beiden besitzen unter anderem ein Tattoostudio in der Stadt Bern.
«Hello sa mga kabisaya!», ruft Sina Gascon in die Kamera – was eine philippinische Begrüssung ist und auf Deutsch bedeutet: «Hallo, liebe Freunde!» Mit strahlendem Gesicht und lebhaften Gesten präsentiert sie die Promenade in Gstaad. Ihr Ehemann Benson Gascon filmt sie dabei mit dem Handy; ein kurzer Blick, ein Nicken, fertig ist das Kurzvideo für die sozialen Medien.
Dass Sina Gascon erkältet ist – am Vortag hatte sie dementsprechend online noch einen Ingwertee mit Zitrone gepostet – merkt man ihr vor der Kamera nicht an: Während der Aufnahmen ist die Einheimische ganz in ihrem Element.
640’000 Follower auf Facebook
«Mein erstes erfolgreiches Video war beim ‹Chälbli›-Brunnen. Die Philippiner:innen wunderten sich, dass man einfach so aus einem Brunnen trinken kann»,
sagt sie.
Auch über andere Besonderheiten der Schweiz staunen ihre mehrheitlich philippinischen Follower: Etwa darüber, dass Kühe Glocken tragen oder über die Gondelbahnen in den Bergen.
Sie habe wegen ihres Ehemanns Benson, der auf den Philippinen aufgewachsen ist, begonnen, die Sprache zu lernen. Aus Spass habe sie dann auch Videos von ihren Lernfortschritten ins Internet gestellt. Ihr Pseudonym in den sozialen Medien: thegasconprincess.
«Plötzlich hatten die Clips sehr viele Aufrufe und Kommentare. Ich zeige oft kleine Kulturdifferenzen und den Alltag in der Schweiz», erzählt sie. Auf den Philippinen werde sie mittlerweile auch erkannt: «You are the vlogger?» – das freue sie, sagt Gascon.
Geld verdiene sie mit den Videos aber kaum, denn dafür müsste sie mit philippinischen Firmen kooperieren. «Wir bekommen zwar Anfragen, aber da wir unseren Hauptwohnsitz in der Schweiz haben und hier arbeiten, ist das organisatorisch eher schwierig», erklärt sie.
Im vergangenen Jahr verzeichnete sie rund 21 Millionen Aufrufe auf Facebook, das Erfolgsrezept kenne sie selbst nicht genau: «Ich habe den Algorithmus nicht durchschaut.»
Verliebt in den Philippinen
Ihren Mann habe sie in den Philippinen bei einem Voluntärjahr kennengelernt. «Ich half bei lokalen Projekten der christlichen Organisation ‹Operation Mobilisation› mit.» Die Organisation betreibt dort Schulprojekte und helfe Strassenkindern.
«Wir durften aus Sicherheitsgründen nie allein unterwegs sein, so kam es, dass mich Benson meistens begleitete», schmunzelt sie und blickt dabei zu ihm hinüber. «So haben wir uns kennengelernt.»
Endliche Tattoos von der Unendlichkeit
Aber was macht nun das verliebte Pärchen? Sina Gascon ist ein Familienmensch und wollte nicht zu weit weg von der Familie in Gstaad. Da Benson schon in den Philippinen tätowierte, war der nächste Schritt ein eigenes Tattoostudio in der Schweiz.
«Wir waren eines der ersten Studios in der Stadt Bern, das sich auf Fine-Line-Tattoos spezialisiert hat», sagt Sina Gascon. Diese filigranen Motive bestehen aus feinen Linien – beliebt sind vor allem kleine, dezente Sujets. Ein Klassiker sei das Unendlichkeits-Zeichen-Tattoo, also eine liegende Acht. Aber so zeitlos sind diese Motive auch nicht, denn: «Heute machen wir sehr oft Tattoo-Entfernungen. Ich habe dafür eine Zertifizierung.»
Weitere Projekte: Kunst im Saanenland?
Dass das Ehepaar viel Unternehmergeist besitzt, zeigt sich auch ausserhalb der Schweiz: Auf den Philippinen betreiben sie ein kleines Ferienresort mit zehn Bungalows. Das alles erzählt Sina Gascon fröhlich und mit einer Unbefangenheit.
Und obwohl sie an diesem Tag hustet und gesundheitlich angeschlagen ist, sprudeln bereits neue Ideen aus ihr heraus: «Ein Kunststudio im Saanenland wäre toll, da Benson sich jetzt vor allem auf Malerei und Skulpturen konzentriert – ein Tattoostudio würde hier wahrscheinlich nicht so gut laufen.»
«Im Saanenland fühlen wir uns sehr sicher»
Das Saanenland war und ist geprägt von Zu- und Wegzügen. Auch viele Leserinnen und Leser des «AvS» leben heute ausserhalb der Region. Eine von ihnen ist Sina Gascon, geborene Reinhard. Sie wuchs in Gstaad auf und lebt heute in der Stadt Bern. Wir wollten von ihr wissen, wieso sie in den sozialen Medien so gut ankommt.
JONATHAN SCHOPFER
Wie haben Sie Ihre Kindheit im Saanenland erlebt?
Ich bin in Gstaad aufgewachsen, an der Riedstrasse. Meine stärksten Erinnerungen sind sehr einfach: Mit meinen Geschwistern waren wir ständig draussen, im Wald, auf der Strasse mit den Nachbarskindern – bis spät am Abend, bis meine Mutter uns heimgerufen hat.
Was waren die nächsten Schritte auf Ihrem Weg?
Nach dem Oberstufenzentrum Ebnit habe ich eine Lehre im Tourismusbüro gemacht, danach die Berufsmaturität. Später war ich auf den Philippinen als Volontärin, wo ich meinen Mann kennengelernt habe. Zusammen führen wir heute ein Tattoostudio in Bern.
Könnten Sie sich vorstellen, zusammen im Saanenland zu leben?
Ja, ich würde sofort wieder hierherziehen! Vielleicht einmal halb hier, halb auf den Philippinen. Wir lassen uns offen, wohin uns Gott führt. Im Saanenland fühlen wir uns sehr sicher. Hier wäre es schön, eine Familie grosszuziehen. (Benson Gascon nickt)
Haben Sie den Winter gern?
Ja, ich vermisse die Berge und meine Familie. Wir haben uns extra den Magic Pass geholt, damit wir öfters in die Höhe können.
Sie posten auch erfolgreich auf den sozialen Medien. Wieso sind Sie aber gerade bei den Philippiner:innen so erfolgreich?
Ich denke, dass es für sie ungewöhnlich ist, dass eine Schweizerin ihre Sprache lernt und spricht. In den Kommentaren bekomme ich dafür oft Komplimente – sie freuen sich darüber. Und dann sind es sicher auch noch die Kulturdifferenzen, welche die Leute interessieren.
Was sind Ihre Ziele mit den Videos?
Ich möchte mit den Videos die verschiedenen Kulturen näher zusammenbringen. Was für uns selbstverständlich ist, ist in anderen Ländern kaum denkbar. Und natürlich weiterhin Freude am Kreativen haben.
Gibt es für Sie auch negative Aspekte der sozialen Medien?
Ja, sicher. Ich habe gemerkt, dass ich oft alles perfekt machen möchte. Dabei braucht es das gar nicht – die Leute mögen das Authentische viel mehr als Hochglanz.
Und es ist schon auch Druck da – der Stress, immer wieder neuen Content zu machen. Manchmal habe ich so etwas wie ein kreatives Burn-out und weiss gar nicht mehr, was ich noch filmen oder posten soll.
Für viele Influencerinnen und Influencer ist es zudem sehr schwierig, wenn der Algorithmus plötzlich geändert wird. Davon hängt ja oft das Einkommen ab. Bei mir ist das zum Glück weniger entscheidend, aber ich sehe, wie belastend das für andere sein kann.
Welche Ziele haben Sie für die nächsten Jahre?
Vielleicht wieder näher bei der Familie leben. Wir können uns gut vorstellen, einmal in Château-d’Oex oder in Gsteig zu wohnen – wer weiss.
Zur Person
Sina Gascon, 1992 geborene Reinhard, wuchs in Gstaad auf und besuchte dort die Rüttischule sowie das Oberstufenzentrum Ebnit. Anschliessend absolvierte sie im Tourismusbüro Gstaad eine kaufmännische Lehre und erlangte danach die Berufsmaturität.
An der Fachhochschule schloss sie mit einem Bachelor in Betriebsökonomie mit Vertiefung in Führungspsychologie ab. Heute lebt sie mit ihrem Ehemann Benson Gascon in Bern, wo die beiden ein Fine-Line-Tattoostudio führen. JSC
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