«Wir sind nur noch an Wohnungen mit einer Mietdauer von mindestens einem Jahr interessiert»

  07.04.2022 Saanenland

Laut srf.ch/news kommen täglich rund 1000 Flüchtlinge aus der Ukraine in der Schweiz an. Mittlerweile dürften es bereits über 30000 sein, die hierzulande eingetroffen sind. Viele Ferienwohnungsbesitzer, deren Wohnungen auch im Saanenland derzeit frei stehen, wollen helfen und den Flüchtenden Wohnraum zur Verfügung stellen. Doch wo kann man sich melden und wer kommt für allfällige Schäden an der Immobilie auf?

KEREM S. MAURER
Asyl Berner Oberland (ABO) begleitet unter anderem Flüchtende aus der Ukraine in enger Zusammenarbeit mit den Gemeinden des Berner Oberlandes und stellt die Integration, Förderung, Unterbringung und Sozialhilfe der Asylsuchenden in unserer Region sicher. ABO-Geschäftsführer Christian Rohr gibt Auskunft auf die dringendsten Fragen – doch noch ist vieles unklar.

Christian Rohr, es gibt gerade in unserer Region Gstaad-Saanenland viele Ferienwohnungen, die derzeit leer stehen. Zahlreiche Eigentümer:innen überlegen sich daher, ihren Wohnraum Flüchtenden aus der Ukraine zur Verfügung zu stellen. An wen können sie ihre Angebote richten?
Wohnungsangebote nehmen wir gerne unter [email protected] entgegen.

Haben Immobilienbesitzende, die ABO Wohnraum zur Verfügung stellen, Mitspracherecht betreffend Anzahl, Geschlecht, Alter, Kinder oder Haustiere bei der Auswahl der Flüchtenden, die in ihre Wohnungen kommen?
Wenn es um die Anzahl der Menschen geht, die in die Wohnung kommen, um Kinder oder Haustiere – ja, da hat man ein Mitspracherecht. Bei den anderen Punkten eher nein. Wir sind derzeit nicht in der Lage, ein aufwendiges Auswahlverfahren zu machen. Welche Rolle wir von Asyl Berner Oberland in diesem Bereich übernehmen, ist noch nicht definitiv geklärt.

Die meisten der Ferienwohnungsbesitzenden wohnen selber nicht im Saanenland. Wer kümmert sich vor Ort um die Flüchtenden und um die Wohnungen?
Normalerweise erfolgt eine Wohnbegleitung durch ABO oder freiwillige Helferinnen vor Ort. Ich weise an dieser Stelle ausdrücklich darauf hin, dass wir nicht wöchentlich vor Ort sein können.

Wo Menschen hausen, passieren Schäden. Wer kommt für etwaige Schäden an den Immobilien auf, die durch Ukraine-Flüchtende verursacht werden? Gibt es eine spezielle Versicherung dafür?
Wir haben eine entsprechende Miethaftpflichtversicherung. Was andere Schäden anbelangt, haben wir noch keine Regelung. Wir klären dies mit dem Kanton ab. Und auch da muss ich sagen, dass es noch nicht definitiv geklärt ist, welche Rolle wir von Asyl Berner Oberland in diesem Bereich definitiv übernehmen werden.

Vergibt man seine Wohnung für eine fixe Dauer? Zum Beispiel monatsweise, zweimonatlich?
Wir von ABO sind momentan nur noch an Wohnungen interessiert, die für eine Mindestdauer von einem Jahr zur Verfügung gestellt werden.

Erhält man nach Ablauf der vereinbarten Frist seine Wohnung problemlos wieder zurück?
Auch hier muss die Rolle, welche wir von ABO spielen, noch definitiv geklärt werden. Aber es handelt sich dabei um ein normalrechtliches, reguläres Mietverhältnis mit allen Konsequenzen.

Das heisst, die Vergabe einer Ferienwohnung unterliegt dem normalen Mietrecht?
Wir haben dies jetzt nicht speziell abgeklärt, aber es scheint mir klar zu sein, ja.

Wie sieht es mit den Steuern aus? Eigenmiete, Vermögenssteuer?
Normalerweise müssen Mieterträge versteuert werden. Das dürfte auch in diesem Fall so sein.

Wer bezahlt die Abgaben an die Gemeinde, zum Beispiel die Kurtaxe?
Personen mit dem Flüchtlingsstatus S, den Ukraine-Flüchtende ja haben, melden sich ganz normal bei der entsprechenden Gemeinde an und gelten nicht als Touristen – folglich entfällt die Kurtaxe.

Wer bezahlt die regionale Mobilität der Flüchtenden?
Den bezahlen die Flüchtlinge selber über ihren Grundbedarf, oder wir bezahlen dies über die Sozialhilfe. Das ist fallabhängig.

Ukraine-Flüchtende mit S-Status dürfen arbeiten. Bezahlen sie denn auch Miete?
Hier greift die normale sozialhilferechtliche Handhabung mit Einkommensfreibetrag. Die Miete gehört zur Grundleistung der Sozialhilfe. Wenn eine Person über genügend Einkommen verfügt, wird sie von der Sozialhilfe abgelöst und bezahlt alles selber. Also auch die Miete.

Stellt man seine Wohnung kostenlos zur Verfügung oder wird man dafür entschädigt?
Eine Wohnung kann, muss aber nicht kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Sobald ein Mietvertrag besteht, können Mietkosten bis zur Höhe der normalen Mietzinsrichtlinien der Sozialhilfe an die Mieter bezahlt werden.

Macht es im Berggebiet, wo Wohnungen und Arbeitsplätze knapp und das Leben teuer ist, überhaupt Sinn, Flüchtlinge unterzubringen?
Gerade im Saanenland gibt es viel Arbeit und wenig Personal. Zurzeit gelangen für die Personen aus der Ukraine Wohnungen auf den Markt, die es sonst nicht gibt – dies ermöglicht es, Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Wenn allerdings günstige Einkaufsmöglichkeiten fehlen, könnte dies tatsächlich ein Problem darstellen.


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