Kirsty Bertarelli: Bescheidener Popstar
12.04.2010 Business, Kultur, Saanenland, GstaadSie war schon lange vor ihrer Heirat Musikerin, der Song «Black Coffee» stammt aus ihrer Feder und wurde ein Nummer-1-Hit. Nun hat sie ihr eigenes Album veröffentlicht. Siehe «Anzeiger von Saanen».
Es ist vor allem ihr herzliches und offenes Lachen, das sofort ansteckt. Von ihr würde man sich sogar überreden lassen, zum Tauchen in ein Becken mit Haien zu steigen – eines ihrer liebsten Hobbys im Übrigen. Kirsty Bertarelli, milliardenschwere Gattin von Ernesto Bertarelli, sitzt in einem Café in der Gstaader Promenade und wirkt überraschend offen und entspannt. Mit 38 Jahren hat sie ihre erste CD veröffentlicht. Und sie wäre nicht Kirsty Bertarelli, wenn es auch dazu nicht eine sympathische Geschichte gäbe: Für die Wohltätigkeitsorganisation «Smiling Children», in deren Vorstand sie auch ist, nahm sie eine Compilation ihrer Songs auf. Universal Music wurde auf die Aufnahmen aufmerksam und nahm die Künstlerin unter Vertrag. Kirsty Bertarelli gehört nicht zu den Frauen, die sich einen reichen Prominenten angeln, nur um ihre eigenen Karriereträume verwirklichen zu können.
Familie vor Karriereplanung
Sie war schon lange vor ihrer Heirat Musikerin, der All-Saints-Song «Black Coffee» stammt aus ihrer Feder und wurde ein Nummer-1-Hit. Um so erstaunlicher, dass es so lange gedauert hat, bis sie ihr eigenes Album veröffentlicht hat. Doch als sie Ernesto Bertarelli, der nach dem Verkauf des Biotechkonzerns Serono zu den reichsten Männern der Schweiz zählt, während einem Besuch bei Freunden auf Sardinien kennen lernte, sich verliebte und mit ihm eine Familie gründete, standen eben andere Sachen im Vordergrund. Die eigene Karriere stellte sie ganz hinten an. Stattdessen unterstützte sie ihren Mann bei seinem Vorhaben, den America’s Cup zu gewinnen. «Ich habe mich auf das Familienleben und meine drei Kinder konzentriert. Aber Singen war trotzdem immer ein Teil von mir», sagt sie. Schon im Haus ihrer Eltern im englischen Staffordshire wurde viel gesungen. Heute geht es ähnlich musikalisch im Hause Bertarelli zu. «Als mein Album erschien, war das für mich wie ein Hauptgewinn», sagt sie. Als Kind habe sie immer daran gedacht, wie es wohl wäre, den Regenbogen zu berühren. Und genau so habe sie sich das vorgestellt. «Wundervoll und doch schwer begreiflich.» Das hat sie auch zum Thema in einem ihrer Songs gemacht. In «Elusive» singt sie darüber, dass jeder seine Träume verfolgen und an sie glauben soll. «Alles ist möglich. Beispielsweise auch, dass man erst mit 38 Popmusikerin wird», sagt sie lachend und gibt gleich zu, in der Zwischenzeit bereits ihr 39. Lebensjahr erreicht zu haben.
Miss UK nach schwerer Krankheit
Schon ziemlich früh hat sie die Erfahrung gemacht, dass das Leben oft überraschende Wendungen nimmt. Mit 17 Jahren erkrankte sie an einer Hirnhautentzündung; die Ärzte gaben ihr nur noch wenige Stunden zu leben. Einige Wochen später wurde sie zur Miss UK gewählt und Dritte bei den Miss-World- Wahlen. Sie merkte allerdings schnell, dass es nicht ihren Vorstellungen vom Leben entsprach, eine Beauty-Queen zu sein. Sie wollte singen. Sie bekam tatsächlich einen Vertrag bei Warner Music und sammelte gerade Lieder für ihr Debütalbum, als sie Ernesto Bertarelli kennen lernte. Sie war verliebt und schrieb das Lied «Black Coffee»: «I wouldn’t wanna be anywhere else but here ...» Nachdem sie den Song auf ein Demotape aufgenommen hatte, hörte ihn die Gruppe «All Saints» und war begeistert. «Ich konnte nicht nein sagen», sagt Kirsty Bertarelli. Für ihre eigene CD hat sie «Black Coffee» nun noch einmal selbst aufgenommen. «Das Interessante an meiner CD ist, dass ich viele Lieder davon als 20-Jährige geschrieben habe und ein anderer Teil ist von heute.» So haben beispielsweise ihre Kinder sie erst vor knapp einem Jahr zu dem Song «Green» inspiriert, der von unserer Umwelt handelt. Wenn sie komponiert, kommen ihr Text und Melodie oft gleichzeitig in den Sinn. Und weil sie kein Instrument spielen kann, singt sie ihre Texte auf ein Aufnahmegerät. «Einerseits wünschte ich mir, ich könnte ein Instrument spielen, andererseits denke ich, es ist ein Geschenk, dass ich einfach mit meiner Stimme komponieren kann», sagt sie. Zum Glück seien ihre Kinder noch in einem Alter, in dem sie es «cool» fänden, dass die Mutter Popmusikerin sei. «Ich warte schon auf den Tag, an dem meine älteste Tochter nach Hause kommt und mir sagt, dass es peinlich ist», sagt die dreifache Mutter.
«Gstaad ist schwer zu toppen»
Seit über drei Jahren ist Gstaad die Wahlheimat der Bertarellis. «Ich liebe diesen Ort und fühle mich, obwohl wir viel unterwegs sind, immer sofort zu Hause, wenn wir zurück nach Gstaad kommen», sagt Kirsty Bertarelli. Gstaad, sagt sie, sei einfach nicht zu toppen. Genau wie ihr Mann ist sie ein Naturfreak. Sie liebt die Berge, wandert und klettert im Sommer und geht nicht nur mit den Kindern an Eggli, Horneggli oder Rellerli Ski fahren, sondern geniesst es auch, mit ihrem Mann auf Skitouren zu gehen oder Heliskiing zu machen. «Wir machen viel Outdoorcamping», sagt sie, «vor allem die Kinder lieben es.» Die Familie möchte möglichst normal wirken, nimmt am öffentlichen Leben im Saanenland teil und engagiert sich. Zum Beispiel in der AG für den Bau und Betrieb des geplanten neuen Reitzentrums, ebenfalls spendete sie Geld für den neuen Fussballplatz des FC Sarina. Wenn Familie Bertarelli essen geht, trifft man sie im Sonnenhof in Saanen oder dem Cerf in Rougemont. Und besonders häufig ist die Familie mit Freunden in Château-d’Oex beim Bowlen. «Es gibt eine richtige Bowling-Challenge unter uns allen zu Hause», sagt Kirsty Bertarelli augenzwinkernd.
Nicht die reichste, sondern die «glücklichste» Britin
«Ich möchte einfach in der Nähe meiner Familie sein. Bisher lassen sich das Familienleben und die Musik wunderbar miteinander ergänzen», erklärt sie, warum sich ihre Musikkarriere bisher auf die Schweiz konzentriert. Ob sie ihre CD nicht auch in Europa oder vor allem in ihrem Heimatland Grossbritannien lancieren möchte? Da lacht sie wieder und winkt ab. «Ich möchte einen Schritt nach dem anderen machen. Es macht mir fast ein bisschen Angst daran zu denken, wie es wäre, im internationalen Musikgeschäft tätig zu sein.» Kirsty Bertarelli weiss, wie viel Glück sie im Leben hatte. Nachdem die «Sunday Times» einmal schrieb, sie sei Gross- britanniens reichste Frau, sagte sie: «Ich bin vielleicht die Frau in Grossbritannien, die am meisten Glück hatte, aber sicher nicht die reichste Britin.» Das Geld gehöre schliesslich ihrem Mann. Kirsty Bertarelli, Ehefrau des Mannes, der auf Platz 3 der vermögendsten Schweizer rangiert, bemüht sich, trotz Showbiz-Karriere mit beiden Füssen auf dem Boden zu bleiben.
von Christine Eisenbeis