Güllen am Samstag ist nur mit Schleppschlauch erlaubt

  29.08.2017 Landwirtschaft

Gülle austragen am Samstag und der Einsatz von Laubbläsern am Sonntag sorgen für Diskussionen in der Bevölkerung. Grundsätzlich gilt die kantonale Rechtssprechung, für das Güllleaustragen am Samstag hat die Gemeinde Saanen hingegen einen verbindlichen Passus im Ortspolizeireglement. Ansonsten appellieren die Behörden an den gesunden Menschenverstand.

ANITA MOSER
Wo es Kühe hat, fällt auch Gülle an und die muss zweifellos ausgetragen werden. Und dass Landwirte moderne technische und effiziente Hilfsmittel – wie beispielsweise den Laubbläser – einsetzen, ist verständlich. Gülle austragen am Samstag ist zwar kein Politikum, aber für viele, die das Wochenende auf dem Balkon oder im Garten geniessen wollen, doch ein Ärgernis – das man aber offenbar hinnimmt, wenn auch manchmal zähneknirschend. Genauso verhält es sich mit dem Einsatz von Laubbläsern an Sonntagen. Es gilt hier aber explizit festzuhalten, dass sehr viele Landwirte aus Prinzip am Samstag weder «bschütten» noch am Sonntag mit dem Laubbläser im Siedlungsgebiet heuen oder emden. Denn auch sie ärgern sich zuweilen über Berufskollegen, die am Samstag güllen oder am Sonntag mit dem Laubbläser «wallmen».

Vom Wetter her sei es aber manchmal schwierig, betont Christoph Bach, Präsident der Landwirtschaftlichen Vereinigung Saanenland, auf Anfrage. «Denn nach dem Güllen sollte es unbedingt regnen.» Aber am Sonntag «laubbläsern», wenn das Wetter vorher und nachher gut sei, finde auch er unnötig, so Bach.

Am Samstag nur mit Schleppschlauch
Doch wie sieht es aus mit den gesetzlichen Bestimmungen? Was darf man wann und wann nicht? In der Gemeinde Rougemont beispielsweise ist Gülle auszuführen von Freitag 12 Uhr bis Montagmorgen um 7 Uhr verboten. Von den drei Gemeinden Saanen, Lauenen und Gsteig kennt aber nur Saanen eine kommunale Rechtslage, was das «Bschütten» betrifft. «Beim Hofdüngeraustrag sind die örtlichen Gegebenheiten (Siedlungsgebiet) und der Zeitpunkt zu berücksichtigen», heisst es im Ortspolizeireglement der Gemeinde Saanen unter Art. 39. Aber: «An Samstagen und am Tag vor Feiertagen darf Gülle ausschliesslich mit Schleppschlauch ausgebracht werden.» Bis dato habe man noch keine Busse wegen einem Verstoss gegen diese Bestimmung ausgestellt, sagt Thomas Bollmann, Fachleiter Polizei, auf Anfrage: «Bisher ist noch nie eine Meldung eingegangen, dass sich ein Landwirt nicht daran gehalten hätte, ergo haben wir noch nie gebüsst.» Und der Gemeinde Saanen würden die personellen Ressourcen fehlen, um von sich aus gezielte Kontrollen durchzuführen. «Wir haben es bisher auch nicht als gesellschaftlichen Schwerpunkt wahrgenommen», so Bollmann.

Was ist laut?
Keine explizite Bestimmung gibt es zum Einsatz von Laubbläsern. Diese kommen in der Regel anstelle vom Handrechen an schwer zugänglichen Hängen oder an Rändern zum Einsatz. «Zum Thema Lärm allgemein gibt es viele unbestimmte Rechtsbegriffe, die interpretationsanfällig sind», so Bollmann. Das kommunale Ortspolizeireglement kennt zwar unter Art. 39 eine spezifische Vorschrift betreffend «Lärm in der Land- und Forstwirtschaft». In Absatz 1 heisst es etwa: «Maschinen und Geräte für die Land- und Forstwirtschaft sind so zu unterhalten und zu bedienen, dass Lärm, Geruch, Rauch und andere Emissionen möglichst vermieden werden (…)» Für Lärmemissionen, verursacht von der Landwirtschaft, gibt es aber keine spezifischen Vorschriften betreffend Sonn- und Feiertagen oder Betriebszeiten. «Auch die kommunale Rechtsgrundlage ist sehr vage und überlässt den Kontrollorganen einen grossen Ermessensspielraum», sagt Thomas Bollmann. «Wir bewegen uns beim Thema Lärm immer in einem von subjektiven Empfindungen geprägten Thema», betont der ausgebildete Jurist. «Denn: Was ist laut? Was stört erheblich und was bloss geringfügig? Welche Tätigkeit ist zwingend notwendig und was könnte auch an einem anderen Tag erledigt werden?»

Gemeinde setzt auf Dialog
«Wir setzen auf Dialog und gesunden Menschenverstand», betont Thomas Frei, Gemeinderat von Saanen und Präsident der Sicherheitskommission, im Gespräch mit dem «Anzeiger von Saanen». Die Sicherheitskommission habe sich an ihrer Sitzung vom 19. Juli 2017 ausführlich mit dem Thema auseinandergesetzt. Der Lärm der Laubbläser könne das Ruhebedürfnis der Bevölkerung in der Tat beeinträchtigen. Die Politik sehe derzeit aber keine Notwendigkeit, die geltenden Rechtsgrundlagen zu verschärfen. Grundsätzlich baue man auf die Stärken der Kleinräumlichkeit. «Das heisst, miteinander reden», erklärt Thomas Frei. «Wir sind sehr liberal, wir wollen nicht noch mehr Gesetze und Reglemente, sondern setzen auf eine auf den gesunden Menschenverstand aufbauende Politik.»

«Flächendeckende Kontrollen wären auch bei verschärften Rechtsgrundlagen schlicht nicht möglich», betont Bollmann. Zudem sei die Thematik der Laubbläser eine saisonal begrenzte, welche auch nicht jeden Sonntag auftauche. «Zielführender als eine Änderung der Rechtsgrundlage ist, die Politik, den Ordnungsdienst sowie private Sicherheitsdienste für die Thematik zu sensibilisieren, um Bauern, die sonntags unnötigerweise mit Laubbläsern arbeiten, anzusprechen und auf die Thematik hinzuweisen», sind sich die beiden einig.

Hoher Ermessungsspielraum
Im Bereich öffentliche Sicherheit sei man stark dem sozialen und technischen Wandel ausgesetzt, erklärt Bollmann und nennt neben den Laubbläsern als weiteres Beispiel die Drohnen. «Wenn wir das Ortspolizeireglement revidieren und neue Bestimmungen aufnehmen, wollen wir diese auch umund durchsetzen können.» Denn der Bürger müsse sich darauf verlassen können, dass das Gesetz durchgesetzt werde. «Die Generalklauseln geben der Verwaltung hingegen einen hohen Ermessensspielraum, aber auch eine grosse Verantwortung. Und man kann den verschiedenen technologischen und sozialen Entwicklungen Rechnung tragen, ohne das Reglement zu ändern. Je präziser dieses ist, desto kleiner ist die Anzahl Fälle, für die es anwendbar ist.» Auch darum habe man sich gegen eine Verschärfung der Rechtssprechung entschieden. «Mit Gesprächen und Diskussionen kann man vieles untereinander regeln.» Wenn dies nicht möglich sei oder nichts nütze, werde die Behörde selbstverständlich einschreiten.

Wenn immer möglich Rücksicht nehmen
Die Landwirtschaftliche Vereinigung Saanenland gibt zu dieser Thematik keine expliziten Empfehlungen ab, sie verfügt auch nicht über entsprechende Reglemente. Bisher sei ihm aber auch keine Kritik zu Ohren gekommen, sagt Präsident Christoph Bach. Er fordert aber seine Berufskolleginnen und -kollegen ebenfalls auf, Rücksicht zu nehmen und wenn immer möglich aufs «Bschütten» am Samstag zu verzichten und ebenso auf den Einsatz von Laubbläsern am Sonntag – zumindest im Siedlungsgebiet.


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