Hemingway berichtet aus den Schweizer Bergen

  16.02.2018 Gesellschaft, Gstaad, Schweiz

Unter der Rubrik «Lebensaufgabe» ist der nachfolgende Bericht in der «Weltwoche» erschienen.

In Gstaad wurde Hemingway zum Ski-Fan. Dies ist in einem Brief vom 12. Dezember 1923 zu entnehmen, den der damals noch kaum bekannte 24-jährige amerikanische Reporter seinem ehemaligen Hauptmann James Gamble schrieb: «Jedenfalls gingen wir nach Paris und im Winter dann runter in die Schweiz, wo ich das Skifahren entdeckte. Ich beabsichtige, daraus eine Lebensaufgabe zu machen.»

«Kleines, steiles Land»
Schon früher beschäftigte sich Hemingway mit der Schweizer Bergwelt. Als 19-Jähriger beschrieb er seine Eindrücke im Zeitungsartikel «Hotels in der Schweiz» wie folgt: «Die Schweiz ist ein kleines, steiles Land – viel mehr auf und ab als seitwärts – und sie ist ganz mit grossen, braunen Hotels besetzt, die in einer Art Kuckucksuhr-Architektur gehalten sind. An jeder Stelle des Landes, wo es weit genug seitwärts geht, ist ein Hotel hingepflanzt, und alle Hotels sehen aus, als wären sie vom selben Mann mit derselben Laubsäge gemacht.»

«Das verfluchte Wetter»
Dass sich der Schweizer Winter auch damals nicht immer von seiner besten Seite zeigte, steht in einem in Gstaad verfassten Brief Hemingways an seinen Lektor Maxwell Perkins vom 15. Januar 1928: «Seit dem 15. Dezember gab es hier drei Skitage – der Winter völlig offen. Auf die einzelnen beiden guten Schneefälle folgte Regen, was eine brüchige Eiskruste hinterliess: die gefährlichsten und fiesesten Skiverhältnisse überhaupt. Archie MacLeish (Politiker und Dichterfreund Hemingways; d. Red.) und ich fuhren von der Spitze der Saanersloch-Fluh runter – normalerweise eine wunderbar lange Abfahrt – ich stürzte zehn Mal auf die schlimmste nur vorstellbare Weise. Nur schon beim Geradeausfahren brach die Eisschicht ein, die Skispitze geriet darunter und liess einen stürzen. Ich hatte eine Skibrille auf, um meine Augen zu schützen, schlug aber einmal so hart auf, und mein Kopf grub sich so tief hinein, dass beide Brillengläser zu Bruch gingen. Ich habe ein empfindliches Knie und mag es nicht, voll darauf zu fallen, ich versuche, das zu vermeiden – aber die brüchige Eiskruste hoffte regelrecht auf meine 208 Pfund. Ich weiss nicht, weshalb ich das schreibe – vielleicht, weil es nichts zu schreiben gibt, ausser über das verfluchte Wetter.»

BENJAMIN BÖGLI/«DIE WELTWOCHE»/


Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote