Menuhin Festival mit neuem Besucherrekord

  04.09.2018 Kultur

Mit dem grossartigen Kinder- und Familienkonzert sowie einem brillanten Sinfoniekonzert ging am Samstag die 62. Ausgabe des Gstaad Menuhin Festivals zu Ende. Die Organisatoren ziehen eine durchwegs positive Bilanz.

JENNY STERCHI

Der diesjährige Festivaltitel «Les Alpes» sorgte bei vielen Besuchern für ein überaus hohes Mass an Identifikation und überzeugte mit viel Authentizität. In den 65 verschiedenen Konzerten der vergangenen sieben Wochen ging es inhaltlich sowohl um Musik, die zum einen in den Alpen entstand und zum anderen von ihnen handelt. Das schaffte eine greifbare Nähe zwischen Konzertbesucher, Festivalort und gespielter Musik. Für den Zuhörer wurden die Erfahrungen, die die Komponisten in und mit den Bergen gemacht haben, spür- und hörbar.

«Ich komme ins Paradies»
Nicht selten lockt das Saanenland mit seiner lieblichen Landschaft Besucher an. Auch unter den Musikern auf der ganzen Welt gilt dieser Ort als etwas Besonderes. Und so hören die Veranstalter mitunter von Musikern Kommentare wie: «Ich komme ins Paradies, wenn ich am Gstaad Menuhin Festival spiele.» In diesem Jahr half genau diese Wahrnehmung, dass zahlreiche Besucher zum ersten Mal an das Festival kamen. Das Sommerwetter habe sicher die Ausflugsabsichten einiger Besucher aus dem Unterland ins Saanenland gerichtet, vermutet Franziska von Arb, COO des Gstaad Menuhin Festivals. «Der drückenden Hitze zu entfliehen und bei der Gelegenheit noch ein tolles Konzert zu erleben, waren vermutlich zwei gute Argumente für unsere Besucher.»

Neuer Besucherrekord
Mit 26500 Besucherinnen und Besuchern kamen so viele Menschen wie nie zuvor an das Festival. Das Festivalzelt, in dem knapp 2000 Zuhörer Platz finden, war sowohl am Wagnerabend mit Headliner Jonas Kaufmann als auch beim Konzert von Jungstar Daniel Lozakovich, der den verletzten Stargeiger David Garrett würdig ersetzte, ausverkauft. Das Publikum kommt laut Franziska von Arb von überall auf der Welt, um die Festivalkonzerte ihrer persönlichen Lieblingsmusiker oder auch grosser Stars zu hören. Und so füllten sich neben Festivalzelt und Alphütten auch sämtliche Kirchen, in denen Konzerte stattfanden.

Der Shuttle-Service, den die Veranstalter von Bern und Lausanne seit einiger Zeit anbieten, etabliert sich.

Musik kennt keine Grenzen
Die Konzerte in den Kirchen ausserhalb des Saanenlandes erfreuten sich in diesem Sommer wachsender Beliebtheit. Mit den sehr gut besetzten Anlässen in den Kirchen von Rougemont und Château-d’Oex konnten sich beide Orte im Festivalprogramm etablieren und die Sprachgrenze ohne Frage überwinden. Und das die Musik des Gstaad Menuhin Festivals nicht nur im Saanenland gefragt ist, bewiesen die Konzerte in der Kirche in Zweisimmen, die bei den Musikern mit ihrer besonderen Akustik überzeugte, und neu auch in Boltigen, die sehr gut besucht waren. «Für uns ist das ein Zeichen für den fortwährenden Gedanken Menuhins, dass Musik über jegliche Grenzen hinweg verbindet», fasst Franziska von Arb die Entwicklung des Festivals zusammen.

Klassik für die und von der Jugend
Wie bereits vor zwei Jahren waren die Protagonisten des Kinder- und Familienkonzertes am Samstagnachmittag Kinder und Jugendliche aus den Kantonen Bern und Waadt. Erneut studierten Alex Wäber und sein Team gemeinsam mit Schulklassen aus Schönried, Thun und Le Sépey einen Konzertnachmittag mit Tanz, Perkussion und Klavierspiel ein. In mehr als 60 Minuten bewiesen die Kinder und Jugendlichen verschiedenen Alters, dass man mit Musik und Tanz eine Geschichte erzählen kann und sogar Geräusche von sich öffnenden Regenschirmen als Ton wahrgenommen werden können. Egal ob auf die Trommel, auf Glocken oder an den eigenen Körper «geschlagen» wurde – die Kinder bewiesen erstaunliches Rhythmusgefühl und unglaubliches Erinnerungsvermögen.

Potenzial ausbaufähig
Die Besucherzahlen stimmen die Veranstalter sehr zufrieden, senden sie doch auch Sponsoren, Gönnern und Mäzenen positive Signale. «Dennoch haben wir noch Wachstumspotenzial im Hinblick auf das Gstaad Digital Festival und das Discovery-Projekt», sagt von Arb. Diesen Bereichen müsse man Zeit geben, sich zu etablieren.

Sehr erfreulich sei es, dass der Kreis der Festivalfreunde stetig wachse und so als solider Hintergrund einen wichtigen Teil zum Erfolg des Festivals beitrage. Das Gstaad Festival Orchestra, das seit acht Jahren besteht, hat sich in dieser vergleichsweise kurzen Zeit in die musikalische Weltklasse vorgearbeitet und darf als Botschafter des Festivals auch ausserhalb der Festivalwochen überall auf der Welt verstanden werden.

Grossartiger Festivalschluss
Die Klänge des finalen Konzertabends am Samstag mit der Filarmonica della Scala Milano und den beiden Solistinnen Vilde Frang und Sol Gabetta begeisterten neben den Kennern im Publikum auch Zuhörer, die zum ersten Mal ein klassisches Konzert besuchten.

Das Orchesterspiel war wie aus einem Guss und liess die Vermutung zu, dass die einzelnen Musiker unsichtbar miteinander verbunden seien. Die Lücke, die sich mit der kurzfristigen Absage des Dirigenten Christoph Eschenbach auftat, wurde mit Andrey Boreyko gefüllt. Und er überzeugte auf ganzer Linie, zwar ohne Stab, dafür mit viel Gestik und spürbarer Nähe zu den Musikern.

Die Cellistin Sol Gabetta, eine immer wiederkehrende, feste Grösse im Festivalprogramm, trug die Musik so bewegt und virtuos vor, wie man es von ihr gewöhnt ist. Vilde Frang, die zweite Solistin, wirkte optisch fast zerbrechlich, als sie sich – bewegt vom Einsatz des Orchesters – den Musikern zuwandte. Umso überraschender ertönten dann ihre resolut gespielten Soli, während denen sich beide Musikerinnen via intensivem Blickkontakt verständigten.

Dem Ohr boten sich wahrlich «Famose Kompositionen» – so der Titel des Sinfoniekonzertes. Und wieder zeigte sich die Qualität der Musiker, mit der das Gstaad Menuhin Festival seinen Status sowohl unter den Künstlern der ganzen Welt wie auch beim internationalen Publikum erhält und ausbauen kann.


Isabelle, Schülerin Le Sépey
«Es hat mir super viel Spass gemacht. Es waren nicht immer alle gleich motiviert. Umso schöner war das Endprodukt. Alex und seine Crew haben es geschafft, dass wir uns mit der Musik tatsächlich beschäftigt haben.»»


Lea, Schülerin in Thun
«Mich im Tanz auszudrücken, hat mich anfangs Überwindung gekostet. Ich glaube, da ging es fast allen gleich. Was daraus am Schluss geworden ist, fand ich dann doch ziemlich cool.»


Aldo Kropf, Verwaltungsratspräsident des Gstaad Menuhin Festivals
«Ich fand es erstaunlich, wie viel Rhythmusgefühl zum Teil in den Kindern steckt.Sie haben eine grossartiges Programm geboten.


Elisabeth und Chläusel aus Zweisimmen, Besucher am Sinfoniekonzert
«Es war unser erstes klassisches Konzert, dass wir je besucht haben.» Chläusel: «Ich fand das Orchester beeindruckend. Und der Kontakt zwischen den Solistinnen war auch bemerkenswert.» Elisabeth: «Ich war zu Beginn fast ein wenig überfordert. Aber nach einer gewissen Eingewöhnung fand ich den Abend wirklich super.»


Marianne, Musikerin und Besucherin im Festivalzelt
«Wenn ich dieses aussergewöhnliche Konzert mit einem Wort beschreiben müsste, käme mir als erstes ‹emotional› in den Sinn. Hier wurde heute Abend ganz Grosses geboten.»


Esther, Platzanweiserin im Festivalzelt
«Ich wohne in Belp und das ist mein zweites Festival als Platzanweiserin. Ich werde auch nächstes Jahr gern wieder den Weg auf mich nehmen, denn es sind fantastische Erfahrungen, die ich bereits sammeln durfte. Und als ich hörte, dass Andrey Boreyko als Ersatzdirigent kommt, war ich begeistert. Ich habe ihn bereits in Bern erlebt und finde ihn hinreissend.»


Fiona und Leander mit Vater Tobias aus Allschwil, Besucher am Sinfoniekonzert
«Fiona hat zum zehnten Geburtstag einen Ausflug nach Gstaad bekommen. Da haben wir die Gelegenheit genutzt und das Abschlusskonzert besucht. Für mich war es etwas Besonderes, denn ich habe beide Stücke schon selber gespielt.» Fiona: «Ich fand es ganz, ganz toll.» Leander: «Es war ganz schön lang, aber trotzdem schön.»


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