Das Transportwesen hat Tradition im Saanenland

  16.11.2018 Saanen

Den Auftakt zu den diesjährigen Saaner Abesitza bot Referent Heinz Addor mit der Geschichte des Transportwesens im Saanenland. Der Anlass zog zahlreiche Besucher in den Saal des Hotels Landhaus.

JENNY STERCHI
Die Präsentation von Traditionen sind mit den Saaner Abesitza auch zur Tradition geworden. Und so ziehen die von der Kulturkommission, vom Dorfvorstand Saanen und der Musikschule Saanenland-Obersimmental organisierten Abende im November jedes Jahr ein grosses Publikum an. Auch am vergangenen Mittwochabend mit dem unterhaltsamen Vortrag von Heinz Addor über die verschiedenen Transportunternehmen, die in der Vergangenheit im Saanenland ansässig waren und es zum Teil bis heute sind.

Heinz Addor, Geschäftsinhaber der Firma Addor AG Tiefbau und Transporte, selber Transportunternehmer, hatte bei seiner Recherche im Vorfeld mit den verschiedenen Transportunternehmern oder deren Nachkommen Kontakt aufgenommen. Und so konnte er viele Informationen bieten. Er illustrierte seine Aufzeichnungen mit Fotos, die er für das Publikum gut sichtbar auf die Leinwand projizierte.

Die «Horefluejutzer» umrahmten den Vortrag mit Jodelgesang, den Addor zu Beginn seines Referats aufgriff: «Was für den Musikliebhaber ein Jodellied ist, ist für mich der Klang eines Lastwagens, der von seiner Tour zurückkommt.»

«Transpörteler» mit Leib und Seele
Als er die Flotten mit ihren Fahrzeugtypen der verschiedenen Transportunternehmen genau bezeichnete, spürte man seine Leidenschaft für Lastwagen und Materialtransporte deutlich. «Der Lastwagen ist häufig der Prügelknabe der Nation», so seine Wahrnehmung, die ihm vielfach im Alltag begegnet. «Niemand möchte ihn auf der Strasse haben, aber alle brauchen ihn.» Und wie nötig Transportunternehmen waren und bis heute sind, zeigte er anhand vielfältiger Dienstleistungen. Im Vordergrund stand sicherlich der Transport von Baumaterialien wie Schotter, Holz und Sand. Um Aushub abzutransportieren, bedurfte es schon in früheren Zeiten grosser Transportkapazitäten. In den 1930er-Jahren wurden Ross und Wagen zunehmend durch motorisierte Transportmittel ersetzt. Und dabei erschlossen sich weitere Nutzungsmöglichkeiten, denn allein mit dem Transport von Baumaterialien war noch nicht viel Geld zu verdienen. Dank Erfinderreichtum und handwerklichem Geschick konnten einige Transportunternehmer ihre Fahrzeuge für den Personentransport umfunktionieren. «Si hei e gschlossnige Ufbou u Bänkli drymontiert u so isches uf ds Schulreisli gange», erläuterte Addor. Auch die Schneeräumung wurde zur Kernkompetenz einiger hiesiger Transportunternehmen. Die einen spezialisierten sich auf den Transport von Heizöl, andere verdienen bis heute ihr Geld mit der Müllabfuhr.

Bereits zu Beginn wies Addor darauf hin, dass er gern noch mehr Fotos von früher gezeigt hätte, aber schlichtweg keine grössere Auswahl zur Verfügung hatte. Und so hatte er auch nicht den Aufwand gescheut und sich in den letzten Tagen selber auf den Weg gemacht, um hier und da noch ein Foto von gegenwärtig genutzten Fahrzeugen, die nicht nur im Saanenland unterwegs sind, zu machen.

Improvisation und die weite Welt
Anhand der Fotos zeigte er auf, wie eingeschränkt die Transportmöglichkeiten Mitte des letzten Jahrhunderts noch waren. Holzstämme wurden mittels Seilwinde und selbstgebauter Rampe aufgeladen. Langholz wurde auf zwei Unimogs geladen und transportiert, wobei eines der Fahrzeuge zog und das andere schob. Diese abenteuerlichen Transportvarianten sorgten für beste Unterhaltung am Abesitz, auch wenn sie ungeheures Gefahrenpotenzial boten, wie Heinz Addor jeweils anfügte. Und so gab es auch Unfälle, die der Referent nicht ausliess.

Einer der Transporteure im Saanenland war Reinhold von Grünigen. Kaum war der Name genannt, wussten wohl alle im voll besetzten Saal, um wen es sich handelte. Er gehörte offensichtlich zu den Tüftlern und Mutigen unter den «Transpörtelern» im Saanenland. Mit Eigenbauten optimierte besagter Reinhold von Grünigen die Transportkapazität verschiedener Fahrzeuge.

Und auch das Teleskop-Förderband für Betonlieferungen, das heute vielfach genutzt wird, hat laut Addor seinen Ursprung im Saanenland. Transportunternehmer Kari Rieben lieferte die Idee für eine solche Anlage und setzte sie mit Hilfe eines Maschinenbauunternehmens um. Es ist auch der Verdienst eben dieses Kari Rieben, dass die Transportunternehmen im Saanenland mit ihren Lastwagen und Anhängern für die alljährliche Prüfung nicht mehr nach Thun fahren müssen. Er setzte nämlich das Projekt eines Prüfstandes in der Region um.

Mit Transporten jenseits der Schweizer Grenzen schafften sich einige der Transportunternehmer ein weiteres Standbein: einige nach Spanien, um Orangensaftkonzentrat zu transportiere, andere führten ihre Aufträge nach Grossbritannien oder Skandinavien.

Dankbar für ergänzende Wortmeldungen aus dem Publikum, die den einen oder anderen Namen der auf den Fotos abgebildeten Menschen lieferten, schloss Heinz Addor sein Referat mit dem Ausblick auf Herausforderungen wie zum Beispiel Lastwagen- und Schwerverkehrsabgabe sowie andere Abgaben an den Bund, mit denen Transportunternehmer heute konfrontiert werden.


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