Der Bike Park Gstaad ist nun mal Vergangenheit

  30.11.2018 Leserbriefe

Die Bike-Downhillstrecke Rellerli war 2014 ein Guerilla-Trailbau. Auch wenn mit dem kommenden Rückbau der Rellerlibahn die Downhillstrecke dicht macht, waren es spannende Jahre. Sechs grosse Events fanden statt, dank guter Zusammenarbeit mit Landeigentümern, Bewirtschaftern, Anwohnern und Sponsoren. Das Rellerli hat besten Anschauungsunterricht für Bike-Marketing und den neuen Gast geboten. Vor zehn Jahren prophezeiten die Gstaader Tourismusmacher goldene Zeiten. Mit dem Modell Konzentration sollten die Bergbahnen ab 2019 zur nationalen, ja internationalen Spitze gehören. Und im Segment Biketourismus wollte man ein grosses Stück abschneiden. Papier ist geduldig, wie schmerzlich und teuer erfahren werden musste.

Im Herbst 2013 liess sich das offizielle Gstaad für ein Bike-Downhillrennen für Herbst 2014 in den internationalen Nachwuchsrennen iXS-Rookies-Cup-Kalender eintragen, um diesen Eintrag im Januar 2014 zurückzuziehen, weil noch keine Stecke für das Rennen da war. «Das darf nicht wahr sein», befand der streitbare Schönrieder Ernst Frautschi, der von Bike null Ahnung hatte. So trommelte er im Frühjahr 2014 spontan Macher zusammen, um unisono kämpferisch das Ziel festzulegen: «Wir führen ein Rennen am Rellerli durch». In den folgenden Monaten war etwas vom Schönsten zu erleben, wie Privatinitiative und Ehrenamtlichkeit Berge versetzen können. Ernst Frautschi liess klugerweise junge einheimische Bikeexperten an der Front wirken. Claude Frautschi war als OK-Präsident mit seiner sachbezogenen Art und seinem vermittelnden Realitätssinn ein Glücksfall und Romeo Cairoli war voll motiviert, den Trail zu bauen. Frauenpower war im Bike Park Gstaad mit Flo Hübner mehr als Gold wert und dank Chrigel Müllener genossen die Biker bis zum Hot-Seat jeden erdenklichen Komfort. Der Gemeinderat Saanen entschied, eine provisorische Streckenbewilligung nur für das Rennen zu erteilen.

Die Zusammenarbeit mit den meisten Landeigentümern und Bewirtschaftern am Rellerli entwickelte sich sofort vertrauensvoll gut. Die Rellerli-Landbesitzer leben den noblen Vorsatz «für eine Tourismusernte muss zuerst gesät werden» und verzichteten auf finanzielle Ansprüche. Eindrücklich die Begehungen mit Noldi Ziörjen, der zeigte, wie viel weiter oben am Rellerli heute Buchen wachsen als zu seiner Kindheit. Johann und Matthias Reichenbachs Hinweise zu alten Zügelwegen haben die Strecke viel attraktiver werden lassen. Bei Ueli von Grünigen überzeugt die Art, wie er nachhaltige Berglandwirtschaft lebt und Verständnis für das Ganze hat, wie sein Sieg am Züchterwettbewerb der Amtsviehschau gezeigt hat. Edi Rubin und Christian Walker sperrten für die Downhillstrecke täglich den Zaun ab.

Eindrücklich waren im Frühsommer 2014 das ehrenamtliche Schaufeln, Pickeln, Rechen und Sägen. Bis zu 25 Enthusiasten waren für «ihre Strecke» jeweils im Einsatz. Diese Dynamik hat viele angesteckt: Madeleine Makris, welche die Rennstrecke 2015 durch ihren Garten über die Makris-Kante bauen liess oder Anna Hall, welche die Streckenbauer motivierte und herzlich strahlte, als sie mit dem Quad über die Strecke geführt worden war. Als Gemeinderat war 2015 Heinz Brand die wichtigste Stütze, damit die Strecke die kantonale Bewilligung erhielt und 2016 eingeweiht werden konnte. Mit grossem diplomatischem Geschick lenkte er die Verhandlungen mit den Naturschutzämtern.

Es waren die Wirren um die Rellerlibahn, die das OK bewogen haben, für den Sport und das Bike-Angebot den Namen Downhillstrecke Rellerli in Bike Park Gstaad zu ändern. Von 2014 bis 2018 konnten sechs internationale Rennen durchgeführt werden und der Bike Park Gstaad hat Tausende Fahrten generiert. Erfolgreich waren die Rennen dank dem Verständnis und der Unterstützung vieler. Helferinnen und Helfer, die Jahr für Jahr für sichere Wettkämpfe sorgten, das super Team der Rellerlibahn und die Patrouilleure, die Gebrüder Hauswirth mit den Parkmöglichkeiten, Dominic Reichenbach mit dem Bikecamp um die Schreinerei und Zimmerei Matthias Reichenbach, das Mähen der Matten, das Hotel Ermitage, welches die Rennkommissäre WM-würdig verwöhnte und der Gastro-Zauber von FrischTisch und dem Berghaus Rellerli und viele mehr. Die vielen Sponsoren – herzlichen Dank – haben in ein spannendes Projekt investiert.

Konnten nun für die Destination Gstaad Lehren gezogen werden? Biker, unter denen Downhiller nur ein ganz kleines Segment sind, verkörpern den «neuen Gast». Dieser ist nicht mehr standorttreu und ist süchtig nach dem besten Angebot. Die Konkurrenz im Alpenbogen hat über das zu Selbstüberschätzung neigende Gstaad-Bike-Gehabe gelächelt und gespöttelt. Es ist bezeichnend, dass dank Privatinitiative die grössten Impulse ins Bikeangebot kommen, wie es das Snow Bike Festival Gstaad vom südafrikanischen Weingut Meerendal und der Bergkönig von Alex Beeler sind. Der Bike Park Gstaad am Rellerli ist vorderhand Vergangenheit, der Einsatz von 2014 bis 2018 hat sich gelohnt. Der Destination Gstaad ist es zu gönnen, wenn gute Lehren gezogen werden und das Bike-Potenzial und das Feeling für den neuen Gast wachgeküsst werden.

MATTHIAS KURT, ZWEISIMMEN


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