«Deux im Schnee»: immer mehr Teilnehmer

  25.01.2019 Sport

500 Jugendliche aus den Kantonen Bern, Genf, Basel und Nidwalden vergnügen sich dank «Deux im Schnee» auf den Gstaader Pisten und lernen dabei noch die Sprache. Der Sprachaustausch ist nach den ersten Erfahrungsjahren «erwachsen» geworden.

BLANCA BURRI
Alle Sitzplätze im grossen Essraum der Jugendherberge in Saanen sind besetzt. 120 Jugendliche lauschen den Erklärungen von Jan Brand, Skischulleiter von Gstaad Snowsports. Thomas Raaflaub, Austauschkoordinator für den Kanton Bern, kümmert sich um die Übersetzung auf Französisch. Die Jugendlichen sind im Klassenverbund aus den Kantonen Bern und Genf angereist. Sie sind aufgeregt und freuen sich auf den ersten Schneesporttag, der am nächsten Tag ansteht.

Das Projekt hat sich entwickelt
Das Austauschprogramm zwischen französisch- und deutschsprachigen Jugendlichen ging diesen Winter in die vierte Runde. Das Interesse daran steigt. «Inzwischen bieten wir ‹Deux im Schnee› nicht nur im Januar, sondern auch im März an», informiert Thomas Raaflaub. Das Austauschprogramm fördert nicht nur die Sprachkompetenzen, sondern es soll die auch neue Skigäste bringen. «Die meisten Leute, die heute auf den Pisten unterwegs sind, haben die ersten Erfahrungen in Skilagern gemacht. Daran wollen wir anknüpfen», betont Raaflaub. Die Zahl der Wintersportgäste geht seit Jahren zurück, deshalb sind diese Bestrebungen auch bei Gstaad Saanenland Tourismus (GST) höchst willkommen. Dieser zeichnet unter der Leitung von Andreas Zoppas für die Hauptorganisation verantwortlich.

Professionalisiert
Die Klassen wohnten im ersten Jahr in einem Ferienhaus, wo sie gemeinsam kochten und sich um den Haushalt kümmerten. Inzwischen sind sie in der Jugendherberge in Saanen untergebracht, wo ihnen die alltäglichen Arbeiten abgenommen werden und sie sich ganz auf den Sprachaustausch und den Schneesport konzentrieren können. «Wir haben alles professionalisiert, was möglich war», erklärt Raaflaub. Inzwischen können 13 Anbieter wie Beherberger, Ausrüster und Skischulen von den Schneesportlagern profitieren. Für die Schüler ist aber der Preis gleich geblieben.

Langjährige Zusammenarbeit wichtig
Einige der Lehrer kommen seit vier Jahren ins Saanenland. Sie haben miterlebt, wie sich das Projekt entwickelt hat. «Anfangs gab es ein attraktives Rahmenprogramm. Wir gingen mit den Kindern unter anderem schlitteln und curlen, das war toll!», sagt eine Lehrerin aus Genf. Sie findet es schade, dass inzwischen dieses Abendprogramm nicht mehr besteht. Thomas Raaflaub erklärt, dass viele Kinder nach den langen Tagen auf den Ski ganz einfach zu müde gewesen seien und man deshalb von diesen Aktivitäten abgesehen habe. «Inzwischen haben wir eine Formel gefunden, die für die Mehrheit aller Beteiligten passt», betont er.

Für Thomas Raaflaub ist die langjährige Zusammenarbeit mit Schulen wichtig. Am besten sei es, wenn immer dieselben Schulen teilnähmen. «Lehrer, die schon einmal dabei waren, wissen, wie es läuft. Sie können neue Lehrer einweisen, das unterstützt den Ablauf und vereinfacht vieles.» Natürlich sei es nicht das Ziel, dass dieselbe Klasse zweimal profitiere, vielmehr wechselten die Schüler und die Lehrer blieben dieselben. Wie das obengenannte Beispiel zeigt, gibt es einige Lehrer, die das Angebot «Deux im Schnee» bereits mehrmals nutzten. Noch immer sind sie vom Angebot begeistert. Im Grossen und Ganzen profitierten die Schüler, obwohl eine Woche Sprachaustausch keine Genies aus ihnen mache. «In der neunten Klasse bieten wir einen weiteren Sprachaustausch an. Die Schüler, welche bei ‹Deux im Schnee› waren, gehen diesen jeweils ganz unverkrampft an. Daran merkt man, dass sie von der Skiwoche profitiert haben», sagt die Lehrerin.

Steht und fällt mit den Lehrern
Die letzten Wochen hätten gezeigt, welch tolle Projekte während des Lagers umgesetzt würden. «Eine Klasse hat eine Website aufgebaut und einen Blogg auf Deutsch und Französisch geschrieben», weiss Zoppas. Zusätzlich produzierten die Kinder jeweils ein Video, das beide Sprachen beinhaltet. «Aber eben: Alles steht und fällt mit den Lehrern, das hat die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt.»

Etwas neues Lernen
Am Anreisetag waren die Schüler gegenüber «Deux im Schnee» recht skeptisch. Als diese Zeitung eine Gruppe Jugendlicher aus Riggisberg befragte, meinten sie: «Nächstes Jahr verlassen uns einige Schüler, weil sie ins Gymnasium gehen. Deshalb wäre uns ein Klassenlager statt eines Austauschlagers viel lieber gewesen.» Nach einer angeregten Diskussion meinten sie schliesslich: «Eigentlich ist es toll, dass wir für so wenig Geld in einem so berühmten Skigebiet Ski laufen können.» Diesen Jugendlichen ist der Schneesport noch sehr nah. Sie alle fahren mit ihren Familien regelmässig in den Winterferien. Einige nutzen die Möglichkeit, in Gstaad ein neues Schneesportgerät unter fachkundiger Leitung zu erlernen. «Ich freue mich darauf, endlich Snowboard zu fahren», sagte eine Skifahrerin.

Kritisch gegenüber Lehrmitteln
Die Jugendlichen aus Riggisberg zeigten sich gegenüber den Französisch-Lehrmitteln «Mille feuilles» und «Clin d’œil» kritisch. «Jetzt haben wir seit sechs Jahren Französisch und haben keinen Grundwortschatz», beschweren sie sich. Sie hätten keine Chance, ein einfaches Gespräch zu führen, weil das im Lehrmittel nicht vorkomme. Dafür hätten sie Vokabeln verinnerlicht, die man im alltäglichen Sprachgebrauch nie und nimmer anwenden könne. «Das ist schon frustrierend», sagten einige von ihnen.

Hemmschwellen abbauen
Diese Unsicherheiten und Hemmschwellen abzubauen, ist genau das Ziel von «Deux im Schnee». «Die Jugendlichen werden ganz viele positive Erlebnisse mit nach Hause nehmen, die sie mit Gstaad aber eben auch mit der Sprache Französisch verbinden», ist Thomas Raaflaub überzeugt. Während fünf Tagen seien sie im Austausch mit den anderssprachigen Kindern: im Zimmer, auf der Piste, beim Abendprogramm. Schon am Montag, als die einen sich im Dorf Saanen mit Skimaterial eindeckten, erkundeten die anderen in gemischten Gruppen Saanen. Eine App leitete sie durch die Ortschaft.

Zum ersten Mal auf den Ski
«Ich finde es unverantwortlich. Was machen wir, wenn eine Lawine uns verschüttet?», fragte ein Junge aus Genf. Er war noch nie auf einer Piste und hat noch grossen Respekt davor. Es beruhigte ihn ein wenig, als die Reporterin ihm erklärte, dass ein Spezialteam die Pisten sichert. «Ja, von den Lawinensprengungen habe ich schon einmal etwas im Fernsehen gesehen», meinte er mit leuchtenden Augen. Mit seinen Kollegen unterhielt er sich darüber und plötzlich wurde klar, dass auch seine drei Tischnachbarn noch nie auf Brettern gestanden sind. Sie gaben sich einen Faustcheck und begrüssten sich im Club. Noch sei alles etwas schwierig meinten sie, doch «Deux im Schnee» sei eine grosse Chance. Nicht nur wegen dem Skifahren, sondern auch, um Hemmschwellen gegenüber Anderssprachigen abzubauen.

Ein Must
Aus Sicht von Andreas Zoppas ist «Deux im Schnee» ein Must. «Das sind unsere zukünftigen Gäste.» Auch wenn Thomas Raaflaub bald pensioniert wird und Zoppas den GST verlässt, soll das Projekt fortgesetzt werden. «Wir gleisen momentan die Nachfolge auf», hält Andreas Zoppas fest.


«DEUX IM SCHNEE»

«Deux im Schnee» ist ein Angebot der Erziehungsdirektionen der Kantone Bern und Genf in Zusammenarbeit mit Gstaad Saanenland Tourismus. Die Kantone Genf und Bern führen gemeinsam zweisprachige Schneesportlager mit professionellen Skilehrern durch. Neben dem Spracherwerb können die Jugendlichen auch interkulturelle, soziale und Selbst-Kompetenzen verbessern. Im Januar 2016 startete die Pilotphase mit Schülerinnen und Schülern des 8. Schuljahrs. Im Jahr 2017 kamen 380 Schülerinnen und Schüler nach Gstaad. Die Schülerinnen und Schüler werden von ihren Lehrpersonen betreut und nehmen an einem vorher festgelegten sprachlichen, sportlichen, touristischen und spielerischen Programm teil.
Von Montag bis Freitag sind verschiedene sportliche und sprachliche Aktivitäten in gemischten Tandems geplant. Der Beitrag an die Unterkunft, Reise, Verflegung, den Skiunterricht, das Skiabo und an alle anderen Aktivitäten beträgt maximal Fr. 300.–. Die weiteren Auslagen werden durch Kantonsbeiträge, Stiftungen und Sponsoren gedeckt. Die Vorbereitungsphase (Briefwechsel, telefonischer Kontakt, etc.) wird in der Klasse organisiert. Nach dem Lager sind die Beteiligen dazu eingeladen, eine nachhaltige Partnerschaft zwischen den Klassen zu schaffen und den Austausch mit anderen Mitteln weiterzuführen. www.erz.be.ch


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