Der letzte Tee ist serviert

  19.03.2019 Gstaad

Die 36-jährige Gondelbahn brachte am Wochenende die letzten Gäste aufs Eggli, im dazugehörigen Berghaus wurde der letzte Tee serviert. Nun folgt der Neubau. Zeit, um auf den Traditionsbetrieb zurückzublicken.

BLANCA BURRI
«Die 1983 erbaute 4er-Gondelbahn Gstaad–Eggli vom Hersteller Müller sowie das Bergrestaurant Eggli hatte heute den letzten Betriebstag. Wir freuen uns auf die Neubauten», schrieb Matthias In-Albon, Geschäftsführer der Bergbahnen Destination Gstaad AG (BDG), in den sozialen Medien. Das ist eine positive Botschaft, wenn man bedenkt, dass vielen Bahnen das Aus droht. Unweit von Gstaad deponierte die Seilbahngesellschaft Charmey am vergangenen Freitag ihre Bilanz. Die letzte Gondel fuhr am Sonntag ins Skigebiet, neun Mitarbeiter verloren deshalb ihre Stelle.

Trotzdem wehmütig
Obwohl der Neubau die Zukunft des Egglis sichert, sind viele Gäste und Mitarbeiter wehmütig. Einheimische wie Gäste nutzten die beiden letzten sonnigen Tage, um sich von den grauen Gondeln mit den gelb-schwarzen Bänken zu verabschieden. Auch dem gemütlichen Bergrestaurant wollten viele Adieu sagen. Gäste, ehemalige Gastgeber, Mitarbeiter oder deren Kinder sahen sich im Holzchalet ein letztes Mal um. «Wir haben ihnen auf Wunsch auch die erste Etage gezeigt, wo die Wirtewohnung und die Mitarbeiterzimmer untergebracht waren», erzählte Fleur Kessels Oberson, Gastgeberin der BDG.

Gastgeber mit Herz und Blut
Schon die Vorgänger von Christian Oberson und Fleur Kessels Oberson wirteten je 18 Jahre auf dem Eggli und legten ihr ganzes Herzblut in den Betrieb. Zuerst waren das Nelly und Helmuth Breithaupt, danach Annetta und Jürgen Dieckmann. Im Jahr 1999 folgte Christian Oberson. Mit im Team war bereits damals seine heutige Frau Fleur Kessels. «Dass ich je so lange bleiben würde, hätte ich niemals gedacht», lachte der Koch. Zu Beginn führte er den Betrieb mit seiner damaligen Frau Ginette für die Eggli Gondelbahn AG, nach der Fusion stellte die BDG die Gastgeber an. Zwanzig Jahre später sei er schon ein bisschen wehmütig, meinte Oberson. «Wir haben alle ‹letzten Male› bewusst gelebt: Die letzte Fondueparty, die letzte Hochzeit, die letzten Gäste», meinte Fleur Kessels. «Jetzt freuen wir uns auf den Neubau und hoffen, dass wir dem neuen Restaurant auch wieder Charme einhauchen können.»

Gäste und Einheimische
Allen Gastgebern der letzten 60 Jahre war neben der Qualität der Küche und des Services auch der Gästemix sehr wichtig. Einheimische, Touristen und Chaletgäste fühlten sich auf dem Eggli allesamt wohl. Fleur Kessels: «Die Skilehrer besuchten uns nicht nur mit ihren Gästen, sondern auch mit ihren Familienmitgliedern.» Da liege es auf der Hand, dass sie sich umsorgt fühlten. Mit all diesen Gästen habe es schöne und herzberührende Begegnungen gegeben, eine enge Verbindung sei gewachsen. «Wir haben viele Kinder und Jugendliche aufwachsen sehen. Inzwischen kehren sie mit ihren eigenen Kindern zurück.»

Fleur Kessels ist den Stammgästen ihrer Vorgänger dankbar, dass sie dem Eggli immer treu geblieben sind. Nur eine Sache habe zu Diskussionen geführt. «Als wir frisch übernommen haben, haben wir auf der Terrasse keine Tischreservationen mehr angenommen», blickte sie zurück. Die Terrasse blieb für die Laufkundschaft reserviert. «Einige Stammkunden haben uns das übel genommen. Aber nach ein paar Jahren sind sie wiedergekommen und haben unser System akzeptiert.»

Mitarbeiter gelten als grösstes Kapital
Auch die Mitarbeitenden hielten den Vollblutgastronomen über die Jahre die Treue. «Wir beschäftigten rund 30 Mitarbeiter. Pro Saison mussten wir immer nur etwa fünf Mitarbeiter neu einstellen», verriet der Koch. «Meistens haben wir die bestehenden Mitarbeiter gefragt, ob sie einen Kollegen kennen, der gerne eine Wintersaison auf dem Berg verbringt», so die Gastgeberin. Das habe oft geklappt. Dadurch sei auch die Qualität der neuen Mitarbeiter stets auf hohem Niveau geblieben. «Die Mitarbeiter möchten mit Fachpersonen zusammenarbeiten, deshalb empfahlen sie uns nur gute Leute», fügte sie an. Aber ehrlicherweise werde die Suche nach guten Köchen immer schwieriger. «Der Fachkräftemangel ist enorm», monierte Christian Oberson.

Eine sehr gute Zusammenarbeit habe sich auch mit einem Hotel in Griechenland ergeben. Nach Sommersaisonschluss packten Köche und Serviceangestellte ihre Wintersachen ein und reisten nach Gstaad. Bereits ab Anfang April beginnen sie wiederum in Griechenland und können so das ganze Jahr über arbeiten.

Auch nächsten Winter da
Die Gondelbahn wird nächsten Winter fertiggestellt. Das Restaurant jedoch erst in zwei Jahren. Deshalb wird jetzt geräumt, entsorgt und verkauft. Einige Materialien werden eingelagert oder revidiert, damit sie später wieder verwendet werden können. Für die grossen Arbeiten werden nun die Zufahrtstrassen geräumt, temporäre Wendeund Lagerplätze erstellt und Baumaschinen auf den Berg geführt.

Auch im nächsten Winter wird es auf dem Eggli ein einfaches Speise- und Getränkeangebot geben. Wie das Provisorium aussehen wird, ist aber noch offen. «Das planen wir während der Sommersaison», sagte Fleur Kessels, welche für alle Gastronomiebetriebe der BDG zuständig ist. Christian Oberson war während den letzten Sommersaisons für den Bautrupp verantwortlich, der die weiteren Bergrestaurants der BDG renoviert hat. «Diese Arbeit macht mir grosse Freude.» Dadurch bekomme er auch ein bisschen Abstand zum Alltag in der Küche, sodass er im Winter jeweils wieder grosse Lust aufs Kochen habe. «Ich lebe schon ein bisschen fürs Eggli, sonst hätte ich das nicht so lange gemacht», meinte er und schaut auf viele verrückte Events zurück, die auf 1557 m ü. M. stattgefunden haben: ganz normale Sonnentage mit bis zu 1000 Gästen pro Tag, Polterabende im Zelt auf der Eggliterrasse, Hochzeiten von Einheimischen und Gästen, Fonduepartys und die Mitarbeiterverpflegung vom Gastro- und Bahnbereich. Immer nach dem Motto: «Schifahre, Snöbe u Schlittle isch zwar in, siech e Pouse gönne, liegt aber sicher o drin. Im Berghus Eggli sid iehr richtig, d Gaschtfründschaft isch nus wichtig. Raclette, Fondue oder Röschti, Chrigels Chuchi isch die gröschti.»


O-Ton

Jürg Bühler
«Das Eggli war das beste Bergrestaurant, das ich kenne. Man hat nie mehr als acht Minuten gewartet, bis das Essen auf dem Tisch stand.»

Beat Welten
«Auf dem Eggli gibt es einen Neubau, deshalb kommt es sicher gut. Ich verstehe die Leute, die viele Jahre auf dem Eggli gearbeitet haben und nun traurig sind.»

Gisela Wagenführer
«Ich musste bereits vom Rellerli Abschied nehmen, nun auch noch vom Eggli. Das stimmt mich schon traurig.»


NEUBAU EGGLI

Die Gondelbahn und das Berghaus Eggli waren am vergangenen Wochenende zum letzten Mal in Betrieb. Der Ersatzbau des Restaurants wird zwei Jahre dauern. Der Bauplan für die Gondelbahn sieht Folgendes vor:
– Ab Ende März: Das Seil wird demontiert, die Strecke, die Talstation und die Bergstation werden zurückgebaut.
– Ab Juni: Montage der Stützen
– August: Anbringen vom Seilzug und Seilspleiss
– November: Probebetrieb und Abnahme durch das Bundesamt für Verkehr
– Dezember: Inbetriebnahme


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