Investieren mit positiver Wirkung

  08.03.2019 Wirtschaft

Der zweite von der Bank Credit Suisse organisierte Anlass dieser Art fand am 26. Februar wiederum im Hotel Alpina statt. Ausgewiesene Spezialisten hielten Vorträge über das Thema Impact Investing. Anschliessend wurde unter Einbezug der geladenen Gäste darüber diskutiert.

ÇETIN KÖKSAL
Der Leiter der CS-Filiale Gstaad, Manuel Blanco (Head Market Area Gstaad International), begrüsste die Gäste und Referenten, übergab die Moderation wie beim ersten Anlass (Immobilien) vor gut zwei Wochen an Steven Althaus (Head of Global Marketing & Brand Communications, CS), der dann zügig den ersten Redner vorstellte. Auf Nachson Mimran, CEO von To.org, folgte Britta Grünig Castelli, Head of Wealth Owner Programs CSP des Center for Sustainable Finance and Private Wealth der Universität Zürich. Als von der Privatwirtschaft unabhängiger Teil der Uni betreibt das Zentrum Forschung, Ausbildung und Öffentlichkeitsarbeit zum Thema nachhaltiges Investieren mit positiven Auswirkungen im – beispielsweise – sozialen Bereich. Urs Baumann, Mitgründer und CEO von PG Impact Investments, stellte die Aktivitäten seiner Vermögensverwaltungsgesellschaft vor. Ein Rosey-Schüler erzählte von seinen Unternehmungen bezüglich Impact Investing und dem Engagement von Mitschülern für die Flüchtlinge auf Lesbos. Prof. David Khalili präsentierte «seine» ca. 35’000 Stücke umfassende Kunstsammlung, die er selbstverständlich auch als Impact Investment versteht. Seine acht verschiedenen Sammlungen werden weltweit in Museen und Sonderausstellungen gezeigt und sind somit der Öffentlichkeit zugänglich. Letzte Rednerin war Marisa Drew, CEO Impact Advisory and Finance, von der CS. Es folgte eine lebendige Podiumsdiskussion, wobei die Gespräche anschliessend in lockerer Form bei Speis und Trank fortgesetzt wurden.

Was ist Impact Investing?
Impact Investing kann man vielleicht am ehesten mit «bewusst Investieren» übersetzen. Britta Grünig Castelli erläuterte, wie man Anfang der 1970er-Jahre zum ersten Mal auf breiter Front das Phänomen von bewusstem Investieren beobachten konnte. Firmen, welche in den Vietnamkrieg involviert waren, wurden von vielen Investoren gezielt gemieden. Waffenproduzenten, die zwar wegen der hohen Nachfrage gute Zahlen schrieben und eine attraktive Rendite ausweisen konnten, wurden von gewissen Investoren für die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit «bestraft». Bewusstes Investieren bewertet und berücksichtigt also nicht nur die monetäre Rendite auf dem investierten Kapital. Sie misst den Auswirkungen der geschäftlichen Tätigkeit eine ebenso grosse Wichtigkeit zu. Marisa Drew bekräftigte aber auch, dass Impact Investing eine konkurrenzfähige Rendite abwerfen muss, denn Impact Investing ist nicht Philanthropie.

Kondome, Bildung, höhere Einkommen
Urs Baumann von PG Impact Investments zeigte anhand eines Beispielprojekts auf, wie eine solche Win-win-Situation erreicht werden kann. Ein von seiner Firma finanziertes Agrarprojekt in Afrika führte dazu, dass die dort ansässigen Bauern ihr Einkommen vervierfachen konnten. Dadurch waren sie in der Lage, ihre Kinder in die Schule zu schicken oder Krankheiten behandeln zu lassen. Die Geldgeber ihrerseits haben mit der Realisierung dieses Projekts einen interessanten Gewinn erzielen können. Nachson Mimran hat sich mit To.org an L. beteiligt. Die Firma L. stellt unter anderem Kondome aus natürlichem Latex und ohne Glycerin her. Das Geschäftsmodell von L. hat die Kalkulation so gestaltet, dass für jedes verkaufte Kondom ein weiteres gratis an eine Frau abgegeben werden kann, die es sich sonst nicht leisten könnte. Gerade in Entwicklungsländern ist ja bekanntlich die Geburtenkontrolle ein nicht unbedeutender Schritt zur Wohlstandsverbesserung. Zweifelsohne gilt dies für die Schulbildung ebenso. Marisa Drew von der CS berichtete in diesem Zusammenhang über ein beeindruckendes Investment, an dem sie mitbeteiligt war. Aufgrund der Überlegung, dass der Grundstein für sozialen Aufstieg Bildung ist, fragten sich die Initianten, was wohl geschehen würde, wenn man den Ärmsten der Armen eine Schulbildung auf höchstem Niveau ermöglichen könnte. Sie investierten also in Kinder, welchen jeder Zugang zu Bildung verwehrt blieb. Heute besuchen 4000 von ihnen Spitzenuniversitäten. Mit allergrösster Wahrscheinlichkeit werden sie dereinst in der Lage sein, ein Leben in Wohlstand zu führen und ihren Ausbildungskredit zurückzuzahlen. Welch ein Return on Investment!

Kunstsammlung und Jugend
Seit 50 Jahren sammelt Prof. David Khalili Kunst. 35’000 Objekte sind bisher zusammengekommen. Was hat dies nun mit «bewusstem Investieren» zu tun? Prof. Khalili gab die Antwort darauf gleich zu Beginn seines Vortrags. Seiner Ansicht nach verdient es nur derjenige als Sammler bezeichnet zu werden, welcher Kunst zum Erhalt für nachfolgende Generationen sammelt. Zudem müssten bedeutende Werke immer der Öffentlichkeit zugänglich sein. Wer sich den Van Gogh nur zum eigenen Vergnügen aufhänge, sei ein egoistischer Narr, der die kunsthistorische Bedeutung des Werks ignoriere. Nun, David Khalilis Passion liegt darin, so viel wie möglich zu erhalten oder zusammenzuführen, was zusammengehört. Launig erzählte er die langjährigen Irrungen und Wirrungen, die er durchleben musste, um schlussendlich drei mannshohe japanische Vasen der Meiji-Zeit (1868–1912) wiedervereinen zu können. Professor Khalili beendete sein Referat mit folgendem Sprichwort: «Verirrst du dich im Gedränge, dann nimm dein Kind auf die Schultern, und es wird dir den Weg weisen.» Es lohnt sich also, den jungen Menschen zuzuhören und sich für ihre Sicht auf die Welt zu interessieren. Ein energievoller, junger Le-Rosey-Schüler stellte einerseits seine Aktivität im Bereich Impact Investing vor, andererseits erzählte er von den bleibenden Erfahrungen, die er mit seinen Mitschülern auf der Insel Lesbos gemacht hatte. Sie halfen bei der Be- und Entladung von Lastwagen mit Hilfsgütern für Flüchtlinge, und da es auch auf dieser griechischen Insel kühl im Winter wird, organisierten sie eine Sammelaktion. Als Ergebnis dessen konnten sie einen Schiffscontainer mit gebrauchten warmen Kleidern, Decken, Schuhen und anderen nützlichen Utensilien nach Lesbos schicken.

Traummaschine und Finanzierungsprobleme
Allen, die den Veranstaltungsraum im Hotel Alpina betraten, fiel sofort ein grosser Bildschirm und, daneben am Boden sitzend, eine Person mit markanter 3D-Maske auf. Was es damit auf sich hatte, erklärte Dr. Jamil El-Imad, Chief Scientist bei NeuroPro AG, während der Podiumsdiskussion. Verschiedene Untersuchungen hätten aufgezeigt, dass ein wesentliches Problem der heutigen Zeit Konzentrationsmangel sei. Ständig buhlen alle möglichen Medien um unsere Aufmerksamkeit, was dazu führt, dass wir immer wieder in unseren konzentrierten Tätigkeiten unterbrochen und somit gestört werden. Da das menschliche Gehirn aber nicht gleichzeitig mehrere konzentrierte Aktivitäten bewältigen könne, führe das uns aufgezwungene Verhalten immer häufiger zu ernsthaften Stresserkrankungen, so Dr. El-Imad. Um unsere Konzentrationsfähigkeit zu stärken, damit wir der Versuchung widerstehen können, alle zehn Minuten das Neueste auf dem Handy zu prüfen, entwickelte er die Traummaschine. Diese funktioniert, etwas vereinfacht ausgedrückt, folgendermassen: Man stülpt sich besagte 3D-Maske mit integrierten Gehirnsensoren über und landet auf einer traumhaften Paradiesinsel. Bei voller Konzentration kann man im feinen Sand sitzend das Rauschen der Wellen hören und die üppige Vegetation bewundern. Ist man gar in der Lage, diese hohe Konzentration länger zu halten und in die sogenannte Flow-Phase zu gelangen, versetzt das Programm einen in einen Schwebezustand. Nun betrachtet man die Insel abgehoben und schwerelos. Sobald man gedanklich abschweift, die Konzentration also abnimmt, breitet sich Nebel aus und die Inselwelt verliert sich darin. Erst bei erneut höherer Konzentration lichtet sich wiederum der Nebel. An der Podiumsdiskussion fragte Dr. El-Imad Marisa Drew von der CS, wie viel der zu investierenden Gelder denn in Seed Money, also die Finanzierung von frisch gegründeten Start-up-Firmen, fliesse. Denn selbst eine ausgewiesene Persönlichkeit wie Dr. Jamil El-Imad, der bestens vernetzt ist und seit Jahren eng mit führenden Universitäten zusammenarbeitet, scheint bei Finanzierungsanfragen bei den Banken immer wieder an dieselben Hürden zu stossen. Er bekomme dann als Antwort etwa sinngemäss zu hören, dass sein Projekt zwar sehr interessant und vielversprechend sei, die Bank aber leider erst investieren könne, wenn die Firma sich ein paar Jahre am Markt bewährt habe. Drew bestätigte das Problem und erklärte, dass sie selbst jeden Tag Finanzierungsanfragen von Start-ups erhalte, die sie ablehnen müsse, nicht etwa, weil sie nicht Erfolg versprechend wären, nein, die Projekte entsprächen schlicht und einfach nicht den regulatorischen Anforderungen der Banken. Nur schweren Herzens erteile sie diese Absagen, aber ihr Handlungsspielraum sei da leider sehr begrenzt.

Gemeindepräsident Toni von Grünigen erwähnte in seiner Ansprache, dass Impact Investing seit Jahren schon quasi vor der Haustüre praktiziert werde. Jeder Bauer, der Sorge zu seinem Land trage und seinen Nachfolgern einen gesunden Hof übergeben könne, habe bewusst investiert. Nachson Mimran erwähnte die grossen sozialen Unterschiede als eine der aktuellen Herausforderungen der Menschheit. Selbstverständlich meinte er – völlig zu Recht – vor allem die Unterschiede zwischen den Industrienationen und den sogenannten Entwicklungsländern. Vergessen wir aber trotzdem nicht, dass auch vor der Haustüre im Saanenland enorme soziale Unterschiede bestehen. Mimran vertrat zudem die Meinung, dass es vor allem an den Leadern dieser Welt sei, sich für Impact Investing einzusetzen. Der «Normalsterbliche» verbringt ja die meiste Zeit damit, seinen Alltag möglichst gut bewältigen zu können. Nun, die Geschichte hat untrüglich bewiesen, dass gerade bahnbrechende Entwicklungen durchaus von Aussenseitern, Abweichlern und Menschen ohne Musterlebenslauf hervorgebracht wurden. Leader/in ist man ja nicht durch Geburt, man wird es erst, nachdem man sich durch ausserordentliche Leistungen bewiesen hat. Man stelle sich also die Möglichkeiten von freigesetzter Energie vor, wenn «Normalsterbliche» nur schon ein kleines bisschen mehr in der Lage wären, gerade auch finanzielle Risiken einzugehen. Womöglich hat die alleinerziehende Mutter, der gekündigte 55-jährige Bankmanager oder die wilde, unangepasst rebellierende Studienabbrecherin eine zündende Idee, welche die Welt zu einem besseren und gerechteren Ort machen könnte. Wäre es deshalb nicht wünschenswert, wenn die immer reicher werdenden Superreichen dieser Welt einen Teil ihrer Mittel vermehrt auch dafür einsetzen würden? Und warum nicht damit vor der Haustüre anfangen?

Wie man sieht, besteht noch genügend Gesprächsstoff für viele weitere Veranstaltungen in diesem Rahmen. Gespannt darf man die Entwicklung von Manuel Blancos Vision von Gstaad als internationalem Begegnungs- und Austauschort weiterverfolgen.


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