Restriktive Umsetzung des Zweitwohnungsgesetzes

  05.03.2019 Saanenland

Ein Bundesgerichtsentscheid gegen den Ausbau eines Stalls in Arosa hat indirekt auch auf das Saanenland Einfluss.

BLANCA BURRI
Kürzlich hat ein Bundesgerichtsentscheid für Stirnrunzeln gesorgt. In Arosa darf ein kleiner Holzschopf, der auf 1900 m ü. M. liegt, nicht in eine Ferienwohnung umgebaut werden, weil das Bundesamt für Raumplanung Einsprache erhob und vor Bundesgericht recht erhielt. Es begründete das Urteil mit der Lage des Objekts, das sich in einer sogenannten Erhaltungszone befindet. Diese Erhaltungszonen gibt es in der ganzen Schweiz, nur heissen sie nicht überall gleich, wie Michi Gehret vom Verein Schür.li erklärt. Im Mittelland werden sie «Weilerzonen» und im Wallis «Meiensässzonen» genannt. Diese Zonen umfassen abgelegene, historisch gewachsene Kleinstsiedlungen. In solchen Zonen bewilligten die Behörden jahrelang Umbauprojekte. Der Bundesgerichtsentscheid ändert dies schlagartig. Nun dürfen nur noch Gebäude umgenutzt werden, in denen schon bisher gewohnt wurde.

Zwei Begründungsansätze
Das Urteil begründet das Bundesgericht mit der klaren Trennung von Bauund Nicht-Baugebiet in der Raumplanung. Ebenso spielt das Zweitwohnungsgesetz in die Rechtsprechung. Arosa hat einen Zweitwohnungsanteil von mehr als den erlaubten 20 Prozent. Es könne nicht sein, dass neue Zweitwohnungen in den Bauzonen verboten, jedoch in anderen Zonen, beispielsweise bei Umbauten von Ställen, erlaubt würden, heisst es im Urteil. Das sieht die Gemeinde Saanen anders. «Das Zweitwohnungsgesetz gilt rückwirkend ab 2013, alle bestehenden Wohnungen vor diesem Datum, die mit keiner Einschränkung belegt sind, können frei genutzt werden», betont Emanuel Raaflaub, Gemeinderat von Saanen.

Landschaftsbild wird verändert
Auch für den Feutersoeyer Michi Gehret sind die Argumente des Bundesgerichtes schwer nachvollziehbar. Die Weiler im Unterland, aber auch die Meiensässe im Wallis oder eben die kleinen Ställe im Berner Oberland seien historisch gewachsen und trügen zum attraktiven Landschaftsbild bei. Die Gesetzte aber würden immer strenger und somit sei der Erhalt dieser Siedlungen immer schwieriger. «Sobald ein Objekt in der Landwirtschaftszone steht, ist es nicht mehr möglich, dies umzunutzen», hält er enttäuscht fest. Somit verfallen viele kleine Ställe, die heutzutage nicht mehr genutzt werden, was kläglich aussieht. Auch für Emanuel Raaflaub ist der Erhalt der Scheunen wichtig: «Im Saanenland gibt es rund 1000 solcher Objekte. Wenn sie ihre Seele verlieren, weil sie zerfallen und verschwinden, ändert unser Landschaftsbild stark.»

Zweitwohnungsgesetz wird restriktive umgesetzt
Gehret ereifert sich darüber, dass das Zweitwohnungsgesetz so streng ausgelegt wird. Er verstehe die grosse Angst, dass zuviel des knappen landwirtschaftlich genutzten Landes in der Schweiz verbaut wird. Aber das geschehe hauptsächlich durch ordentliche Einzonungen für das sich ausbreitende Gewerbe in Stadtnähe. Emanuel Raaflaub unterstreicht, dass es in Landregionen immer schwieriger werde, sich weiterzuentwickeln. «Am liebsten würden die Behörden die Bergregion in ein Museum verwandeln und die Entwicklung alleine den Städten und Agglomerationen zugestehen.» Michi Gehret erklärt, dass rund 70 Prozent der Fläche, die jährlich von der landwirtschaftlichen Nutzung wegfallen, durch Bauprojekte in Anspruch genommen werden. «Weitere 30 Prozent werden durch den Wald zurückerobert und zwar, weil die Landwirte zu wenig Zeit haben, sich um das Land zu kümmern», so Gehret. Dass in der Landwirtschaftszone Bauwucher entstehen könnte, kann sich der Architekt nicht vorstellen. «Die Gesetze sind heutzutage so streng, dass kein Missbrauch stattfinden kann!» Somit sei es nicht möglich, einzelne Häuser von Privaten in der Landwirtschaftszone zu erstellen. Einzig von Landwirten genutzte Häuser würden nach geltenden Vorschriften bewilligt.

Indirekter Einfluss auf das Saanenland
Zurück zum Bundesgerichtsurteil: In Gsteig und Lauenen gibt es keine Erhaltungszonen wie im Bündnerland, wie Volker Wennig vom Amt für Gemeinden und Raumordnung sagt. In Saanen jedoch kennt man Erhaltungszonen, aber nicht im gleichen Sinn wie im Bündnerland. Emanuel Raaflaub: «Die Erhaltungszonen liegen im Saanenland angrenzend an die regulären Bauzonen. Diese Erhaltungszonen sind als Bauzonen anzusehen.» Als Beispiel nennt er das Gebiet Chalet Oberland in der Nähe vom Eggli in Gstaad oder weite Flächen von Saanenmöser und Schönried. Trotzdem macht das Urteil auch den Saanern Bauchweh. «Es ist ein wegweisendes Urteil», betont er. Weil die Erhaltungszonen in Saanen keine Inselzonen und anders umschrieben sind als in Arosa, geht die Gemeinde aber davon aus, dass die neu definierten Einschränkungen nicht gelten. Sollte es zu einem Rechtstreit kommen, müsste die Lage vom Gericht wohl neu beurteilt werden.

Strich durch die Rechnung
Dem Verein Schür.li macht der Entscheid einen zusätzlichen Strich durch die Rechnung. «Wir hofften, explizite Weilerzonen zu schaffen, damit wir die Schürli durch Umnutzungen erhalten können.» Dieser Plan sei mit dem Entscheid auf oberster Stelle nun zunichte. Entmutigen lässt sich Gehret trotzdem nicht, auch wenn das Zweitwohnungsgesetz aus seiner Sicht zu streng ausgelegt wird. Dass kein neues Land für Zweitwohnungen verbaut werden soll, steht für ihn ausser Frage. Er kann aber nicht verstehen, weshalb bestehende Objekte in speziellen Zonen nicht in Zweitwohnungen umgewandelt und dadurch genutzt werden können. Deshalb sucht er nun das Gespräch mit den Initianten der Zweitwohnungsinitiative. Er hofft durch eine gemeinsame Marschrichtung mehr Gewicht für sein Anliegen, die Schürlis zu erhalten, erwirken zu können.

Die Gegner schlafen aber nicht. Die Stiftung Landschaftsschutz, welche sich aus der Sicht von Gehret zu stark als Natur- statt als Landschaftsschützerin betätigt, ist in der Vorbereitung einer Volksinitiative, welche die Umwandlung von Ställen in Wohnungen unterbinden soll.


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