Wird im Saanenland bald Schnee übersömmert?

  19.03.2019 Wintersport

Mit Snowfarming zu einer längeren Wintersportsaison und schneesicheren Events. Könnte auch das Saanenland von der neuen Technologie profitieren? Die Bergbahnen argumentieren dagegen.

SARA TRAILOVIC

Der Schnee fehlt! Alarmstufe Rot beim Hahnenkammrennen von 2007, wo 50 Lastwagen und vier Helikopter notfallmässig Schnee auf die Abfahrtsstrecke transportieren mussten. – vergebens. Das Rennen wurde schlussendlich abgesagt, der Ressourcenverschleiss und finanzielle Aufwand waren enorm.

Um solchen Szenarien entgegenzuwirken, setzt Kitzbühel heutzutage auf Snowfarming (siehe Infokasten). Auch in Davos wird seit 2008 Schnee übersömmert und im Herbst für die Präparierung einer Langlaufloipe verwendet.

Erfolgreicher Testbetrieb in Adelboden
Adelboden leistete Pionierarbeit und überwinterte unter der Leitung von Reto Däpp 24’000 Kubikmeter Frühlingsschnee. Ende April 2018 wurde das Depot in Adelboden mit wasserableitendem Vlies überspannt. So konnte im folgenden Oktober eine 500 Meter lange und 80 Zentimeter starke Piste auf der Tschentenalp präpariert werden. «Der regionale Nachwuchs profitierte von einem frühen Trainingsbeginn, die touristische Aufmerksamkeit ist jedoch ein positiver Nebeneffekt», teilt Jürg Hänggi, Medienverantwortlicher des Trainingszentrums Adelboden dem «Anzeiger von Saanen» mit.

Hänggi betont insbesondere, dass der Snowfarming-Versuch wissenschaftlich begleitet werde und sie im Unterschied zu anderen Projekten ausschliesslich Naturschnee verwendeten. «Der Kanton gewährt uns eine fünfjährige Testphase, in der das «Übersömmern» auf dessen Umweltverträglichkeit sowie ökonomischen Nutzen getestet wird.» Dabei schätze Adelboden die Zusammenarbeit mit der EPFL, dem Institut für Schnee- und Lawinenforschung und anderen Umweltspezialisten. Ausserdem lege man viel Wert auf Nachhaltigkeit, das Abdeckmaterial werde beispielsweise wiederverwendet.

Aufwand und Ertrag passen nicht
Der Geschäftsführer der BDG steht dem Snowfarming trotz positiven eigenen Erfahrungen auf 2800 m ü.M. und dem Beispiel aus dem Nachbarstal kritisch gegenüber. Die Finanzierung des Projekts auf der Tschentenalp sei nur durch die unzähligen Stunden Freiwilligenarbeit möglich und die Qualität des ohnehin suboptimalen Frühlingsschnees nehme durch die Übersömmerung weiter ab.

Matthias In-Albon sieht im Snowfarming oftmals einen «Marketing-Gag». «Aufgrund der Grösse des Skigebiets und der vorhandenen Beschneiungsanlage ist die Methode für uns kein Thema. Der Aufwand hinsichtlich Zusammenstossen im Frühling, Isolieren durch den Sommer und Verstossen im Spätherbst ist riesig. Von Nachhaltigkeit kann dabei nicht gesprochen werden, auch hinsichtlich der Energiebilanz.»

Die BDG sehe momentan keine sinnvolle und rentable Möglichkeit, Schnee im grossen Stil zu übersommern. «Unser effizientes Beschneiungssystem hat sich diesen Winter bewährt. Ab November lassen die Temperaturen jeweils den Betrieb der Schneekanonen zu, sodass wir alles für den Weihnachtsbetrieb vorbereiten können. Ohne die grossen Investitionen in den letzten zwei Jahren hätten wir in der Weihnachtssaison kein zusammenhängendes Skigebiet im Sektor Ost und West eröffnen können.

Alle Schneeerzeuger zusammen produzieren zwei bis drei Kubikmeter Kunstschnee pro Sekunde. «Möchte man die selbe Menge an Schnee mittels Snowfarming bereitstellen, bräuchte es entlang der Pisten alle 50 bis 100 Meter ein Depot von 10 Kubikmetern, also Hunderte solcher Haufen».

Auf die Anmerkung, dass durch Snowfarming schon im Oktober Pisten angelegt werden könnten, antwortete In-Albon: «Die meisten Gäste haben keine Lust, zwischen grünen Hängen Ski zu fahren. Die Destination Gstaad möchte eine authentische und natürliche Region bleiben. In diesem Sinne würden die künstlichen Schneedepots das Landschaftsbild während der Sommerzeit massiv stören.

Potenzial ist vorhanden
Für alternative Wintersportangebote wie Langlauf, Schlittelwege oder Snowparks könnte Snowfarming bei Schneemangel Abhilfe schaffen. Beispielsweise wurde 2017 die Langlaufloipe zwischen Schönried und Saanenmöser erst am 17. Januar eröffnet, da nur die Skipisten künstlich beschneit werden können. Dabei hat Langlauf in den letzten Jahren an Beliebtheit gewonnen. Um Snowfarming-Projekte im Saanenland erfolgreich durchzuführen, müssen aber zuerst die politischen Rahmenbedingungen gegeben sein.

Snowfarming stellt sich als kontroverses Thema heraus. Was in der Theorie sinnvoll klingen mag, muss sich in der Anwendung noch bewähren. Bis auf Weiteres bleibt das Saanenland bei altbewährten Methoden, aber je nach dem, wie sich das Klima und die Bedürfnisse im Wintersport weiterentwickeln, könnte Snowfarming auch hier einmal von allgemeinem Interesse sein.


WAS IST SNOWFARMING?

Angesichts des klimabedingten Schneemangels setzen immer mehr Wintersportorte auf Snowfarming. Bei dieser Methode wird Ende Winter der Restschnee zu grossen Haufen zusammengetragen und mit einer Schicht aus Sägemehl, Hackspänen oder Vlies abgedeckt, wodurch im Verlauf des Sommers nur circa 20 Prozent des Depots schmelzen. Der konservierte Schnee dient zu Beginn der folgenden Saison als Grundlage für Langlaufloipen, Skipisten und Sprungschanzen. Dadurch wird nicht nur ein pünktlicher Start in die Wintersaison ermöglicht, sondern auch Schneesicherheit für terminierte Veranstaltungen wie Skirennen. Problematisch hingegen sind vor allem die hohen Kosten und das Finden eines geeigneten Lagerungsplatzes.

Studie von 2015
Das schweizerische Institut für Schnee und Lawinenforschung hat 2015 98 Skigebiete des Alpenraums zum Thema Snowfarming befragt. Dabei kam heraus, dass der Begriff 90 Prozent der Teilnehmenden bekannt war. 44 Wintersportorte wendeten Snowfarming bereits an, 30 Prozent davon stuften die Methode als unrentabel ein. Das grösste Schneedepot hatte damals ein Volumen von 500’000 Kubikmetern, das kleinste eines von 400. 65 Prozent der Nichtnutzer ziehen einen Einstieg ins Snowfarming in Betracht.

«Aus unserer Sicht hat sich seit der Umfrage nicht viel geändert», meint Hansueli Rhyner, der für die Studie verantwortlich ist. «Generell gesehen ist die Tendenz aber klar steigend. Das Killerkriterium ist meistens der geeignete Lagerstandort.»

Weitere Infos und die vollständige Studie unter www.slf.ch


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