100 Jahre Volkswirtschaft Berner Oberland

  30.04.2019 Wirtschaft

Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft: Aus diesen drei Blickwinkeln beleuchtete die Volkswirtschaft Berner Oberland am Festakt anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Organisation ihr Tun. Im Mittelpunkt standen dabei Unternehmer und Ehrenpräsident Peter Rychiger, der die Vergangenheit aufrollte, und die junge Projektleiterin Jolanda Küng, die einen Blick in die Zukunft wagte.

«Selbsthilfe ist die feste Grundlage für das Wohlergehen des Einzelnen und der Allgemeinheit.» Dieser Satz steht in der Jubiläumsschrift zum 25-jährigen Bestehen der Volkswirtschaft Berner Oberland und er hat noch heute seine Gültigkeit. Die Selbsthilfe war ausschlaggebend bei der Gründung der Organisation vor 100 Jahren – am 15. November 1919 im Hotel Kreuz in Interlaken – und die Selbsthilfe widerspiegelt sich auch heute in allen Projekten, die die Volkswirtschaft Berner Oberland anstösst und umsetzt. Der Steffisburger Künstler Gerhard Tschan führte humorvoll und musikalisch durch den Festakt, der von den Themen Vergangenheit und Zukunft geprägt wurde. Seine Einwürfe bildeten das Fundament des Berner Oberlands ab, sie beschäftigten sich mit den Säulen, auf denen die Region steht: Die Landwirtschaft, der Tourismus, die Wasserkraft und nicht zuletzt die knorrige und dennoch liebenswerte Persönlichkeit der Berner Oberländer – keine Schublade blieb unberührt und dennoch wurde kein Klischee wahrhaftig bestätigt.

Reise durch die Vergangenheit
Mit ernsthafteren Gedanken beschäftigte sich Peter Rychiger. Dem Unternehmer und Ehrenpräsidenten der Volkswirtschaft Berner Oberland kam die Aufgabe zu, die vergangenen 100 Jahre noch einmal Revue passieren zu lassen. «Beschäftigung mit der Vergangenheit ist gerechtfertigt, wenn sie uns für die Zukunft vorwärtsbringt», eröffnete er seine Festrede. Mit markanten und pointierten Aussagen führte er die rund 250 anwesenden Mitglieder und Gäste durch 100 Jahre Welt-, Schweizer- und Berner-Oberländer-Geschichte. Rychiger zeigte auf, dass der Wille zur Selbsthilfe im Berner Oberland die Volkswirtschaftskammer, wie die Organisation sich früher nannte, schon immer geprägt hat. Die Veränderungen, die das Berner Oberland in den vergangenen 100 Jahren durchlebt hat, zeigen sich auch in der Volkswirtschaft Berner Oberland: «Das V für Volk ist kleiner geworden, das W für Wirtschaft gewachsen», so Rychiger. Der Verein sei aber in der Gegenwart, auf den Wegen in die Zukunft. Um das 200-jährige Jubiläum feiern zu können, brauche es aber noch mehr Mitglieder, mehr Anlässe und mehr Vernetzung. Und folgende drei Sätze müssten dabei aus dem Denken gestrichen werden: «Das hei mer no nie soo gmacht! Das heimer geng so gmacht! Da chönnt ja jede cho!»

Blick in die schnell nahende Zukunft
Dass es diese drei Sätze zu vergessen gilt, wenn sie auch nicht explizit erwähnt wurden, ging auch aus der Rede von Jolanda Küng hervor. Die junge Projektleiterin der Volkswirtschaft Berner Oberland wagte den Blick in die Zukunft und ging dabei auf die drei aktuellen Megatrends Konnektivität, Globalisierung und Digitalisierung ein. Mit anschaulichen Beispielen zeigte Küng, dass sich auch das Berner Oberland – so beschaulich unsere Region manchmal scheinen mag – weitgreifenden Entwicklungen nicht entziehen kann. «Meine Eltern betreiben im Simmental einen Hofladen. An ihrem Kühlschrank an der Hauptverkehrsachse kann man seit kurzem mit Twint bezahlen», erzählte sie. «Zugegeben, ich war skeptisch. Ist das Berner Oberland bereit für bargeldloses Bezahlen, in einem Hofladen beim Bauern nebenan?» Sie wurde eines Besseren belehrt. Dennoch ist Küng nicht der Meinung, dass die Region kopflos auf jeden Trend aufspringen muss: «Es sind nicht die Megatrends, die das Berner Oberland prägen werden, es sind die Brückenbauer.» Brückenbauer könne jeder sein, dazu brauche es weder eine akademische Ausbildung noch Wohlstand, einzig Sozialkompetenz.

Alle sind Brückenbauer
Als eine solche Brückenbauerin sieht Küng die Volkswirtschaft Berner Oberland. Denn die Herausforderungen des Wandels könne eine Region nur mit Vernetzung und Vermittlung packen. Dabei sprach sie ein Problem an, mit dem Organisationen im Bereich der Standortförderung oft konfrontiert werden: «Das Abbauen von Vorbehalten, das Vernetzen, das Schaffen vom gemeinsamen Verständnis, Aufklärungsarbeit, Wissenstransfer in die Regionen – das ist nicht sichtbar, wird nie sichtbar.»

Die Arbeit der Volkswirtschaft Berner Oberland und das Berner Oberland ganz generell in Zukunft noch sichtbarer zu machen, das ist auch ein Anliegen des Präsidenten, Jürg Grossen: «Überall gibt es Exportschlager aus dem Oberland – für die ganze Schweiz, oft auch fürs Ausland», sagte der Nationalrat aus Frutigen. «Wir brauchen noch mehr Selbstvertrauen, um unsere Qualitäten gegen aussen zu zeigen.» Ob es sich nun um innovative Firmen oder zukunftsweisende Projekte in Tourismus, Kultur und Landwirtschaft handle, allgemein müssten diese Errungenschaften mehr kommuniziert und stärker betont werden. «Das sehe ich als Aufgabe der Volkswirtschaft Berner Oberland.» Zudem gelte es, die Zusammenarbeit für konkrete politische Einflussnahme in oberlandspezifischen Angelegenheiten über die Parteigrenzen hinaus weiterzuführen und zu intensivieren. « Wir bleiben voll motiviert und mit ebenso viel Herzblut und Engagement für unser Oberland dran!»

PD


LEHMANN UND MICHEL NEU IN DEN VORSTAND GEWÄHLT

Die 99. Generalversammlung der Volkswirtschaft Berner Oberland bildete den Auftakt zur Feier des 100-Jahr-Jubiläums der Organisation. Effizient führte Präsident und Nationalrat Jürg Grossen im Deltapark in Gwatt durch die Versammlung. Mit Marianna Lehmann, Gemeindepräsidentin Wilderswil, und Andreas Michel, Grossrat und Gemeindepräsident Schattenhalb, wurden zwei neue Mitglieder in den Vorstand gewählt.

Jahresbericht und Jahresrechnung – die Rechnung wies einen knappen Ertragsüberschuss von 432 Franken aus – wurden von den über 250 anwesenden Mitgliedern einstimmig genehmigt. Der Wermutstropfen im Geschäftsjahr 2018 ist zugleich für die Region positiv: Aufgrund sinkender Arbeitslosenzahlen kam es zu einer Reduktion der Arbeitsplätze im Bereich Arbeitsintegration. Zudem musste dieser Bereich, der neben der Standortförderung einen grossen Teil der Aktivitäten der Volkswirtschaft Berner Oberland prägt, einen Verlust ausweisen.
Jürg Grossen informierte die Mitglieder, dass Ernst Hodel, Gemeindepräsident Zweisimmen, seine Tätigkeit als neues Vorstandsmitglied bereits aufgenommen hat. Er tritt an die Stelle des im Herbst verstorbenen ehemaligen Lenker Grossrats und Gemeindepräsidenten Christian von Känel. Mit Sandra Weber, Gemeindepräsidentin Hasliberg, und Urs Graf, Grossrat und Gemeindepräsident Interlaken, treten zwei bisherige Vorstandsmitglieder zurück. Jürg Grossen verdankte ihre Arbeit, Sandra Weber war während drei, Urs Graf während neun Jahren im Vorstand tätig. Als Nachfolger präsentierte die Volkswirtschaft Berner Oberland die Wilderswiler Gemeindepräsidentin Marianna Lehmann und den Grossrat und Gemeindepräsidenten Andreas Michel aus Schattenhalb. Die beiden wurden von den anwesenden Mitgliedern einstimmig und mit Applaus in ihr neues Amt gewählt.

In den Regionen unterwegs
Zum Abschluss der 99. Generalversammlung präsentierte die Geschäftsführerin Susanne Huber das neue Leitbild und die überarbeitete Strategie der Volkswirtschaft Berner Oberland. Standortförderung, mit Fokus auf die Wirtschaftsstrategie sowie Politik und Lobbying, und die Arbeitsintegration bilden dabei die wichtigsten Säulen. Im Jubiläumsjahr 2019 will die Volkswirtschaft noch enger mit Gewerbe, Industrie und den weiteren KMU im Berner Oberland zusammenrücken. In der zweiten Jahreshälfte 2019 und auch im darauffolgenden Jahr sind Anlässe in Zusammenarbeit mit regionalen Wirtschafts- und Gewerbeverbänden anlässlich der verschiedenen Gewerbeausstellungen geplant.

PD


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