Architekten aus Delémont bauen Schule in Gstaad
09.04.2019 GstaadAus 47 eingereichten Projekten für die Neugestaltung der Schulanlage Rütti in Gstaad ging das Architekturbüro Comamala Ismail, Architéctes SARL aus Delémont, als Sieger hervor. Das Wettbewerbsprojekt wurde vom Preisgericht einstimmig ausgewählt und gilt als jenes mit dem grössten Entwicklungspotenzial.
KEREM S. MAURER
Nachdem an einer ausserordentlichen Gemeindeversammlung von Saanen ein Planungskredit über 1,7 Millionen Franken – ohne Gegenstimme aber mit einigen Enthaltungen – für die Erneuerung der Schulanlage Rütti genehmigt worden war, wurde dafür der «Projektwettbewerb Schulanlage Rütti Gstaad» öffentlich ausgeschrieben. Ein Projekt dieser Grössenordnung unterliege dem öffentlichen Beschaffungswesen, erklärte Beat Strasser, dipl. Architekt FH SIA und Wettbewerbsbegleiter. Er unterstrich die Vorteile eines Projektwettbewerbs, weil darin nach Lösungen gesucht und weniger auf die Kosten geschaut würde. Dieser Wettbewerb, so Strasser weiter, sei anonym durchgeführt worden. Man habe in der Jury, in der drei Personen aus der Gemeinde Saanen (Thomas Kernen-Lanz, Liegenschaftskommission; Emanuel Raaflaub, Präsident Bauund Planungskommission; Corinne Reuteler, Bildungskommission) und vier externe Fachleute (Kurt Aellen, arch. dipl. EPFEL/SIA, Bern, Jurypräsident; Pius Flury, dipl. Architekt ETH SIA, Solothurn; Pablo Horváth, Architekt SIA SWB, Chur; Rita Wagner, dipl. Architektin ETH BSA SIA, Visp) vertreten waren, jedes Projekt sehr genau angeschaut und intensiv diskutiert. Letztendlich habe man sich einstimmig für dasjenige Projekt entschieden, welches das grösste Entwicklungspotenzial habe, erläuterte Strasser. So wurde am letzten Freitag im Sun&Soul Hotel Solsana in Saanen im Rahmen einer Vernissage mit anschliessender Eröffnung der Ausstellung mit allen eingereichten Projekten das Siegerprojekt der beiden Architekten Diego Comamala und Toufiq Ismail präsentiert. Sämtliche 47 eingereichten Wettbewerbsarbeiten sind dort noch bis am 16. April zu sehen.
Zwei neue Baukörper
«Es ist für uns eine riesengrosse Ehre und eine grosse Freude, heute als Sieger hier zu stehen!», freute sich Toufiq Ismail, der in Wimmis aufgewachsen ist, als er sein Projekt vorstellte. Dieses will die heutige Schulanlage durch zwei neue Baukörper erweitern, deren Volumetrie sich an den bestehenden Bauten vor Ort orientiert. Durch die Situierung der neuen Gebäuden entstehen unterschiedliche Aussenräume mit klar definierten Nutzungen und Bedeutungen. Durch die neue Anordnung der Parkplätze und Velounterstände an den Rändern des Perimeters soll innerhalb der Schulanlage eine verkehrsfreie Zone entstehen. Die bestehenden Luftschutzräume sollen bleiben und das alte Schulhaus, in dem künftig die Heilpädagogischen Schule untergebracht wird, mit jenem neuen Gebäude verbinden, in dessen Erdgeschoss die Turnhalle und darüber die Basisstufe beherbergt wird. Die Turnhalle werde hälftig ins Terrain eingelassen, damit der Bau nicht zu mächtig werde und dass man von der Basisstufe rückwärtig ebenerdigen Zugang zu den Gartenanlagen habe. Die Architekten orientierten sich dabei an dem traditionellen Baustil mit geneigten Dächern, Holzstrukturen und Steinsockeln. Im Bericht des Preisgerichts steht dazu: «Das Projekt überzeugt durch seine Massstäblichkeit, seiner ortsbaulichen Auseinandersetzung mit dem Kontext, den neuen qualitätsreichen Aussenräumen und deren zeitgenössische Interpretation eines Schulgebäudes in den bestehenden Ort.» Emanuel Raaflaub sagte: «Ein Schulhaus darf ein Zeitzeuge sein, muss sich aber mit der Umgebung vertragen.» Ebenso wies er darauf hin, dass ein Projekt nie genauso realisiert werde, wie es nach dem Wettbewerb daher komme. Und Preisgerichtspräsident Kurt Aellen erklärte, dass jetzt erst der Dialog zwischen Architekten und Bauherren beginne. Die Gemeinde und die Architekten müssten sich arrangieren und die Bauten, deren Innenleben sowie die Traditionen in Saanen auf gelungene Weise zusammenführen. Raaflaub beeilte sich hinzuzufügen, dass letztendlich die Stimmbürger der Gemeinde Saanen die Bauherren seien, welche an den kommenden Versammlungen das Bauprojekt sowie den entsprechenden Baukredit zur Genehmigen vorgelegt bekämen. Die Gesamtkosten für den Neubau bezifferte Beat Strasser auf 25 Millionen Franken.
Ein weiterer «Hasenstall»?
Nicht alle Anwesenden konnten sich mit dem ausgewählten Siegerprojekt anfreunden. Einer meinte, man solle doch das Baureglement, auf das man hierzulande dermassen stolz sei, am besten gleich abschaffen. Denn dieses Projekt sei ein weiterer «Hasenstall», den man in Zweisimmen wohl als «Prachtbau» bezeichnen würde, der jedoch überhaupt nicht nach Gstaad passe. Sein Votum schien alte Wunden aufgerissen zu haben, wonach man scheinbar in jüngster Vergangenheit mit ähnlich gelagerten Projektwettbewerben in Saanen nicht nur gute Erfahrungen gemacht hat. In Saanen dürfte man gespannt darauf warten, auf welchen Konsens sich Architekten und Gemeinde einigen und in welcher Form letztendlich die neue Schulanlage im Rütti ihre Schulkinder und Lehrpersonen empfängt.
AUSZUG ANFORDERUNGEN/UMSCHREIBUNG DER AUFGABE
Neben den heutigen Räumen für Basisstufen, Regelklassen, verschiedenen Spezialräumen und Tagesschule muss die Gemeinde aufgrund neuer Lernziele und Unterrichtsformen neuen Schulraum für eine zusätzliche Basisstufe bereitstellen. Die Turnhalle aus den 1970er- Jahren muss ersetzt werden. Eine Machbarkeitsstudie besagt, dass die geforderten Flächen auf dem zur Verfügung stehenden Areal realisiert werden können. Folgende Punkte wurden entschieden:
– Der Altbau aus den 1920er-Jahren (westlicher Teil Gsteigstrasse 11) ist in seiner Grundsubstanz gut erhalten und durch seine Präsenz identitätsstiftend. Er soll erhalten und allenfalls umgebaut werden.
– Der Anbau aus den 1970er-Jahren (östlicher Teil Gsteigstrasse 11) kann durch einen Neubau ersetzt werden.
– Die Turnhalle (Gsteigstrasse 11a) sowie die Verbindungsbauten (Gsteigstrasse 11b) können durch einen Neubau ersetzt werden.
– Im Gebäude Gsteigstrasse 15 befindet sich die Heilpädagogische Schule (HPS). Diese wurde kürzlich erweitert und ist nicht Bestandteil des Sanierungs- und Erweiterungskonzeptes. Sie ist lediglich im Rahmen der Aussenplanung in das Ensemble zu integrieren.
«Behörden und Bevölkerung der Gemeinde Saanen setzen höchste Ansprüche an das äussere Erscheinungsbild der Bauten und Anlagen, die sich in das traditionelle Orts- und Landschaftsbild einzufügen haben. Diesem Aspekt ist deshalb bereits im Rahmen des Wettbewerbprojektes grösste Aufmerksamkeit beizumessen. Architektonisch/bautechnische Innovationen im traditionell geprägten Gewand werden begrüsst. Der Gestaltung des Aussenraumes als Erholungs-, Erlebnisund Erfahrungsraum ist grosse Aufmerksamkeit zu schenken.»
Der Typologie der ortsüblichen Bauweise ist insbesondere in Fragen der Proportion, Materialisierung (Holz), Dachform (Satteldach bevorzugt, Flachdach nicht erwünscht) und Dachneigung sowie weiterer Fassadengliederungs- und -gestaltungsdetails soweit möglich und sinnvoll zu folgen. Die Anlage ist hindernisfrei zu gestalten.