Der Wolf – ein Thema, das Emotionen schürt

  12.04.2019 Saanenland

Kann der Mensch nicht mit dem Wolf in Einklang leben? Warum bekämpft die Vereinigung zum Schutz von Wild- und Nutztieren vor Grossraubtieren im Kanton Bern den Wolf so stark? An der 1. Hauptversammlung vom Montag, 8. April erklärte Präsident Thomas Knutti die Gründe. Gastredner Nationalrat Franz Ruppen gab die Sichtweise aus dem Wallis an die 177 Mitglieder in Thun weiter.

«Wo liegt eigentlich das Problem mit dem Wolf? Ein Tier, das doch zur Schweiz gehört, oder nicht?» Grossrat Thomas Knutti, Präsident der Vereinigung zum Schutz von Wild- und Nutztieren vor Grossraubtieren im Kanton Bern, dazu: «Genau so sehen es viele Städter und es wäre schön, wenn es so wäre. Die Realität für den ländlichen Raum ist extrem negativ. Wölfe reissen Schafe und der Anblick würde jeden zum Schaudern bringen. Es sind Bilder, die keiner wirklich sehen will.» «Ab Mitte Sommer 2018 hat es bedauerlicherweise im Schangnau, auf der Sousalp im Lauterbrunnnental und im Gebiet Fermel im Obersimmental sehr viele Risse an Nutztieren gegeben. Aber auch von anderen, uns bekannten Alpen wurden wir über Risse von Wolf und Luchs in Kenntnis gesetzt», so Knutti in seinem Jahresrückblick. «Leider bekamen die geschädigten Nutztierhalter meistens keine oder nur wenig Unterstützung von den Wildhütern. Das muss deutlich verbessert werden. Unsere Vorstandsmitglieder haben sehr gute Arbeit geleistet und die geschädigten Älpler, welche sich bei uns gemeldet haben, so gut wie möglich unterstützt und betreut.» Der Vorstand hat lange über die sogenannte Koexistenz des Wolfes beraten: «Wir sind der Meinung, dass sobald der Wolf als Täter auftritt, er selbst auch zum Abschuss frei gegeben wird», erklärte der Präsident.

Es muss noch einiges besser werden
Der Verein wurde vor einem Jahr gegründet und hatte am Montag seine erste Hauptversammlung in Thun. Die 177 Stimmberechtigten waren sich einig: Der Wolf sollte am besten ganz weg aus der Schweiz. «Das wird nicht möglich sein. Wir werden allerdings den Wolf bekämpfen, wo er Schaden anrichtet. Wir erleben es schon heute, dass sich Älpler nicht mehr getrauen, auf die Alp zu gehen. Es kann doch nicht sein, dass unsere Nutztiere dem Wolf zum Opfer fallen. Ebenfalls wird längerfristig der Tourismus geschwächt, wenn unsere Alpen nicht mehr gepflegt und bewirtschaftet werden», erklärte Knutti in seiner Rede. Man schiebe die Verantwortung für das Abschiessen immer auf den Bund. «Wir möchten hier Einfluss nehmen und Wölfe ohne langes Lamentieren abschiessen dürfen, wo nachweislich Schaden angerichtet wird», so Knutti. Dafür wurde von den Stimmberechtigten einstimmig eine Resolution zur Behandlung an den Regierungsrat überwiesen.

Ramona Graber und Bruno Kunz haben den Vorstand verlassen. Einstimmig gewählt wurde Silvia Jäger aus Ittigen. «Die Jahresrechnung weist einen Überschuss von 7853.10 Franken aus», so Kassier Jakob Rösti.

Das Wallis hat dieselben Probleme
Der Walliser Nationalrat Franz Ruppen thematisierte die Problematik aus Sicht der Walliser: «Der Verein Lebensraum Wallis ohne Grossraubtiere setzt sich ein für einen Wohn- und Lebensraum ohne Grossraubtiere Wolf, Bär und Luchs. Unsere Vorfahren haben den Wolf ausgerottet und wussten schon warum. Frankreich und Deutschland haben massiv Probleme mit den Raubtieren. Dass der Wolf die Scheu vor Menschen verliert, wenn er in bewohnte Gebiete eindringt, liest man immer wieder», so Ruppen.

Die Volksinitiative «Wallis ohne Grossraubtiere» führte zu einem Sturmlauf der Walliser Justizkommission. «Diese würde am liebsten die Initiative für ungültig erklären lassen. Das wurde beim Walliser Kantonsparlament beantragt.» Grund dafür sei, dass die Initiative nicht mit Bundesrecht vereinbar sei. Vorbild für die Initiative sei Uri gewesen. «Die Urner nahmen die Verfassungsinitiative des Bauernverbandes ‹Zur Regulierung von Grossraubtieren› mit einem Ja-Stimmen-Anteil von 70,22 Prozent an.» Das Problem, das man nicht nur im Wallis habe, ist, dass der Wolf sich in Jagdbanngebiete zurückzieht. «Das muss geändert werden, sonst haben wir ein Problem mit Touristen, Wanderern, Skifahrern, Spaziergängern und Landwirten. Es muss doch möglich sein, alles zu unternehmen, um dem Wolf mit allen Möglichkeiten Einhalt zu gebieten», so Ruppen.

MICHAEL SCHINNERLING


DIE GROSSRAUBTIER-RESOLUTION IM WORTLAUT

Gestützt auf Artikel 12 Absatz 2 des Bundesgesetzes über die Jagd und den Schutz wild lebender Säugetiere und Vögel sowie der Jagdverordnung Artikel 9 ist der Kanton Bern zuständig für die Abschussbewilligung von M76 im Schangnau. Art. 12 Abs. 2: Die Kantone können jederzeit Massnahmen gegen einzelne geschützte oder jagdbare Tiere, die erheblichen Schaden anrichten, anordnen oder erlauben. Mit der Durchführung dieser Massnahmen dürfen sie nur Jagdberechtigte und Aufsichtsorgane beauftragen. Jagdverordnung Artikel 9, Massnahmen gegen einzelne Wölfe: Der Kanton kann eine Abschussbewilligung für einzelne Wölfe erteilen, die erheblichen Schaden an Nutztieren anrichten.

Wir erwarten, dass der Regierungsrat die genannten Gesetzesartikel anwendet und M76 aus dem Gebiet Schangnau zum Abschuss freigibt, bevor die Bestossung der Alpen beginnt. Für unsere Vereinigung ist klar, dass bei einem Übergriff auf einen Menschen das Jagdinspektorat vom Kanton Bern die volle Verantwortung übernehmen muss. Unsere Vereinigung wird den Mitgliedern und den Medien kommunizieren, dass sich die Ämter lieber hinter den Schutz der Grossraubtiere stellen und die Bevölkerung mit ihren Sorgen und Ängsten im Stich lassen. Ebenfalls erwarten wir vom Regierungsrat, dass der in der Junisession 2018 überwiesene Vorstoss vom Grossen Rat des Kanton Bern «Regulierung des Luchsbestandes», welcher mit 84 Ja-Stimmen gegen 49 Nein-Stimmen angenommen wurde, endlich umgesetzt wird.» Die Luchsbestände im Kanton Bern haben sich immer noch nicht entschärft. Die Schätzung von 3,13 Luchse pro 100 Quadratkilometer wird deutlich überschritten und muss auf das Luchskonzept des BAFU «1,5 Luchse pro 100 Quadratkilometer» angepasst werden! Wir ersuchen den Regierungsrat höflichst, unsere Anliegen umzusetzen und zu handeln und sich nicht hinter dem Bundesamt für Umwelt zu verstecken. Die Bewirtschaftung der Alpen steht vor grossen Herausforderungen. Es kann ja wohl nicht im Sinne der Berner Regierung sein, dass in absehbarer Zeit grasige Alpweiden den Grossraubtieren überlassen werden. Wir appellieren, den Kanton Bern als Ganzes zu betrachten und die jahrelangen gepflegten Strukturen vom Alpenraum nicht weiter zu gefährden.

Im Berner Oberland leben rund 25 Prozent der gesamten Bevölkerung vom Kanton Bern. Gerne würden wir auch in Erfahrung bringen, welche Absichten die Regierung mit den ländlichen Regionen in Zukunft beabsichtigt, wenn die Regionen mit der zunehmenden Grossraubtierproblematik konfrontiert werden?

PD


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