111 Jahre Eisfeld Gstaad

  14.06.2019 Gstaad

«Man kann die Eröffnung der Eisbahn als Null der touristischen Entwicklung betrachten», las Gottfried von Siebenthal aus seinem Artikel zum 100-Jahr-Jubiläum vor, der 2008 im «Anzeiger von Saanen» erschienen war. Nach dem offiziellen Teil der Generalversammlung der Eisbahn AG Gstaad gewährte er den Aktionären Einblick in 111 Jahre Eisbahngeschichte.

Anfänge einer goldenen Ära
1908 kurvten Einheimische und Gäste zum ersten Mal über das 3500 Quadratmeter grosse Natureisfeld im Zentrum von Gstaad. Vier Jahre nach der Eröffnung der elektrischen MOB-Eisenbahn – ein Novum im Alpenraum – kam immer mehr Leben in das bescheidene Bauerndorf. Nachdem die Familie Reichenbach das Areal gekauft hatte, wurde das Terrain wortwörtlich für eine neue Ära geebnet. Gleichzeitig bildete sich der erste Verwaltungsrat unter der Leitung von Grossrat Fritz Reichenbach. Dabei teilten sich 40 ortsansässige Aktionäre 120 Aktien im Wert von je 500 Franken. In den folgenden Jahren wurde die Fläche der Eisbahn schrittweise vergrösserte, bis sie 1913 ganze 11’000 Quadratmeter mass und so den allmorgendlichen Konzerten der Kurorchester Platz bot.

Sparsame Zeiten
Nachdem Ende der 20er-Jahre die Tribüne für fast 30’000 Franken erbaut worden war, musste das Eisbahnteam erste Sparmassnahmen treffen: Das Orchester musste einem Plattenspieler weichen. Zwei Verwaltungsräte reisten nach Interlaken, um mit ein paar wenigen Platten zurückzukehren, die danach in Dauerschleife liefen – «ganz zur Freude der Nachbarn», fügte Gottfried von Siebenthal an.

Die Wirtschaftskrise und der Zweite Weltkrieg machten auch der Gstaader Wirtschaft und dem Tourismus zu schaffen – Löhne und Eisfeld wurden kleiner und die Tribüne als Militärunterkunft vermietet. Als ein Hockeypuck die Schaufenster des alten Ludihuus zertrümmerte, war dies ein harter Schlag für die Finanzen der Eisbahn AG. Um das Überleben der Eisbahn zu sichern, musste diese einen Kredit von 2000 Franken aufnehmen.

Sportliche Nutzung
Der Curlingsport hielt 1912 Einzug in Gstaad und genoss nicht nur wegen den aus Schottland importierten Curlingsteinen grosse Beliebtheit. Im Winter 1911 erweckten die Westschweizer Hockeylegende Ernest Jacquet, Lehrer am Le Rosey, und Institutsbesitzer Henri Carnal den Hockeyclub Le Rosey zum Leben. Jacquet brachte die Mannschaft auch bald zu Spitzenresultaten, explizit zu acht nationalen Meistertiteln. Auch Prinz Rainer von Monaco spielte in seiner Jugend begeistert mit und kehrte später mit seiner Frau Grace Kelly in die Destination seiner Schulzeit zurück. Doch auch Einheimische wurden mit der Mannschaft zu Topspielern ausgebildet. So schaffte es zum Beispiel der Stürmer Walter von Siebenthal in die Nationalmannschaft.

Mit dem Rücktritt von Ernest Jacquet ging die glorreiche Zeit des Hockeyclubs Le Rosey dem Ende entgegen. Ein paar Gstaader entschlossen sich daraufhin, einen eigenen Club aufzubauen und gründeten 1934 den H.C. Gstaad. Das Team konnte dank neuer Beleuchtung bald auch am Abend trainieren und zeigte sich äusserst ehrgeizig. Wenn das Eis im Dorf noch nicht gefroren war, wanderte die Mannschaft mitsamt eisernen Toren und Schneehexen an den Lauenensee, um dort schon früher in die Trainingssaison zu starten. 1950 bestritt der H.C. Gstaad bereits fünfzig Matches und zwei Trainings pro Woche. Höhepunkt bildete der dritte Rang in der Nationalliga B 1952. Danach geriet das Team gegenüber der Schweizer Konkurrenz in den Rückstand, unter anderem aufgrund der fehlenden Kunsteisbahn. Mit deren Bau 1997 wurde der Club neu gegründet und benannt. Heute verfügt der HC Gstaad-Saanenland über eine klubeigene Eishockeyschule, die der aktuelle Präsident Ruedi Kunz aufgebaut hat.

Kunsteisbahn dank Parkhaus
Die Eisbahnmatte sorgte über die Jahre hinweg immer wieder für Spekulationsprojekte. An der Generalversammlung im Jahre 1953 wurde bis um drei Uhr morgens über den Bau einer Kunsteishalle diskutiert. Das Vorhaben wurde aber, genau wie der erste Antrag für ein Parkhaus 1954, wieder verworfen. Am Ende des Jahrhunderts verlangten die steigenden Besucherzahlen des Tennisturniers nach einem Ausbau der Infrastruktur. Gleichzeitig stand die autofreie Promenade in der Planung, ein Parkhaus schien plötzlich unabdingbar. So kam es, dass das Eisbahnareal innerhalb von fünf Monaten mit der Einstellhalle Unter-Gstaad unterlegt wurde, dessen Dachplatte Grundlage der langersehnten Kunsteisbahn bildete.

Vielfältige Nutzung
Die Eisbahn AG hat ihr Land immer wieder für öffentliche Nutzung freigegeben. Ein Jahr nach der Eröffnung der Eisbahn wurde auf dem Areal der erste Kinderspielplatz von Gstaad errichtet. Es folgte das Tearoom Steffen – das spätere Charly’s. 1929 liess der damalige Hoteldirektor des Gstaad Palace, Willy Michel, drei Tennisplätze auf der Eisbahnmatte bauen. Damit brachte er die Tennisturniere von den hoteleigenen Anlagen näher zu den Leuten. In den Sechziger- und Siebzigerjahren fand jeden Sommer die Gstaaderchilbi und die 1.-August-Feier auf dem Areal statt.

Quelle: Von Siebenthal, Gottfried: «100 Jahre Eisbahn Gstaad», Anzeiger von Saanen (2008), Nr. 01, S. 1 bis 4


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