Bischof Felix Gmür: «Manchmal kommen Veränderungen schnell»

  14.06.2019 Gstaad

Am Pfingstmontagmorgen hielt Bischof Felix Gmür in der bis zum letzten Platz besetzten katholischen Kirche in Gstaad eine feierliche Firmungsmesse. Der Bischof stellte sich anschliessend für ein Interview zur Verfügung.

MARTIN GURTNER-DUPERREX
Während einer feierlichen Messe erteilte Felix Gmür, Bischof von Basel, 16 Jugendlichen das Sakrament der Firmung durch Handauflegung und Gebet. «Genauso wie es der Apostel Paulus in Ephesus tat», erläuterte der hohe Würdenträger der zahlreich erschienenen Festgemeinde. «Der Heilige Geist gebe euch Energie, Kraft, Durchhaltevermögen, Hoffnung – ein Leben, in dem ihr nie alleine seid», sagte er. «Das Zentrum der Firmung – ja unseres Glaubens – ist, dass niemand allein ist» war die Hauptaussage von Gmürs Predigt. «Du wirst nie alleine sein, der Heilige Geist ist bei dir», sagte er mit Nachdruck. Mit einfachen und zu Herzen gehenden Worten erinnerte er daran, wie Jesus, bevor er in den Himmel fuhr, seinen Jüngern sagte, dass er bald nicht mehr unter ihnen weilen, ihnen aber einen Beistand, den Heiligen Geist, senden werde. «Dieser unterstützt uns, damit wir einander lieben und das Richtige tun.» Dann merke man, dass man nicht alleine sei, weil uns jemand gern habe und uns helfe. Denn: «Liebet einander, wie ich euch geliebt habe» sei das wichtigste unter den zehn Geboten. Aber man könne sich auch direkt an Gott wenden, wenn man Hilfe brauche, denn er höre einen zu, so der Bischof.

Nach der von Chorgesang umrahmten Messe, die Bischof Felix Gmür und Pfarrer Alexander Pasalidi gemeinsam zelebrierten, wurden die festlich gekleideten, frisch gefirmten jungen Leute und ihre Familien entlassen, um diesen wichtigen Anlass gebührend zu feiern.

Bischof Felix Gmür äussert sich im Gespräch mit dem «Anzeiger von Saanen» über Geschichtliches, Papst Franziskus, den Missbrauchsskandal, die Rolle der Frau, das Zölibat und die Mitgliederzahl in der Kirche. Er verrät uns auch, warum der Glaube für ihn persönlich so wichtig ist.

Herr Bischof, wie oft kommen Sie in Ihrer Funktion ins Saanenland?
Ab und zu, nicht so häufig.

Gefällt es Ihnen hier?
Es ist sehr schön. Ich verstehe die Leute, die hier Ferien machen.

Was halten Sie von Papst Franziskus?
Er gibt neuen Schwung in die Kirche und weist immer wieder auf einfache, aber grundlegende Dinge hin: Wieso bin ich Christ? Wieso glaube ich und was bedeutet das für mich? Das hat Auswirkungen – da kann man einen armen Menschen nicht einfach sitzen lassen.

Wie wird man Bischof von Basel?
Im Bistum Basel wird man Bischof, indem man von den Domherren gewählt wird. Der Kandidat ist ein Priester aus dem Bistum. Der Papst bestätigt nachher den ausgewählten Kandidaten und ernennt ihn in sein Amt. Das gibt es nur bei uns und etwas Ähnliches in St. Gallen, sonst nirgendwo. Das ist sehr modern und demokratisch, obwohl es ein mittelalterliches Wahlrecht ist. Es ist einzigartig auf der Welt.

Wollten Sie schon immer Bischof werden?
Nein, überhaupt nicht. Man kann auch gar nicht für dieses Amt kandidieren. Aber Pfarrer wollte ich schon werden.

Wie kommt es, dass Sie als Bischof von Basel Ihren Sitz in Solothurn haben?
Nach der Reformation verliess der Bischof Basel und zog in den Jura, wo er in Porrentruy seinen Sitz hatte. Nach der französischen Revolution, also 300 Jahre später, wurde er wieder vertrieben. Darauf irrte er als Fürstbischof fast 30 Jahre durch Europa, bis 1828 beschlossen wurde, dass er sich mit gleichbleibendem Titel in Solothurn niederlässt. Wir sind es also gewohnt, vertrieben zu werden (lacht).

Aus welchem Grund sind Sie als Bischof von Basel für das Saanenland und das Simmental zuständig?
Nach der französischen Revolution gab es eine Neuaufteilung der Bistümer in der Schweiz. Das Bistum Konstanz wurde aufgelöst, dadurch kam Bern zum Bistum Basel.

Missbrauchsskandale haben leider in letzter Zeit die Glaubhaftigkeit der Kirche untergraben. Was sagen Sie dazu?
Persönlich hatte ich mit vielen Opfern Kontakt. Vor allem mit älteren Menschen, weil die Missbräuche, die bei uns gemeldet wurden, in den Fünfzigerund Sechzigerjahren geschehen sind, seltener in den Siebzigerjahren. Das heisst, die Opfer haben schon ein gewisses Alter. Gott seid Dank haben wir seit den Neunzigerjahren praktisch keine Meldungen mehr. Es zeigt, dass ein geschlossenes System, wo es keine wirkliche Kontrolle gibt, anfällig auf alle Arten von Missbrauch ist.

Haben Sie Massnahmen getroffen, damit das nicht mehr passiert?
Es gibt schon lange Präventionsmassnahmen, in der Schweiz seit 2002. Man merkt glücklicherweise, dass diese wirken. Seit der neusten vierten Auflage dieser Richtlinien gelten noch strengere Richtlinien: Jeder, der einen Auftrag vom Bischof erhält, muss nicht nur einen Strafregisterauszug, sondern einen Sonderprivatauszug liefern. Man schaut vorher genau hin, ob da etwas war. Dies ist eine wichtige Massnahme.

Welches sind aktuell die wichtigsten Herausforderungen der katholischen Kirche?
Im Bistum sind die Migrantinnen und Migranten eine grosse Herausforderung. Ein Drittel der Katholiken sind Migranten, hier im Saanenland sehr wahrscheinlich noch mehr. Die Integration von jenen, die den Glauben anders leben, ist wichtig – man hat es heute bei den Liedern gemerkt. Auch wenn sie etwas anders waren, war das wunderbar. Weitere Herausforderung sind, dass wir genug Personal haben und natürlich, dass die Leute zufrieden sind – besonders auch, was die Frauenfrage betrifft. Diese Thematik muss man aber gut angehen.

Was meinen Sie damit?
Jede Veränderung in dieser Hinsicht muss mindestens regional angegangen werden. Wir alleine können nicht viel ausrichten, wir sind abhängig vom weltkirchlichen Gesetz. Es ist die Herausforderung des Papstes, auch für mich als Bischof, so viele verschiedene Strömungen unter einem Dach zu halten, damit nicht alles auseinanderfällt. Eine schwierige Aufgabe. Aber manchmal kommen Veränderung schnell, gerade in der heutigen Zeit.

Wie stehen Sie zum Zölibat?
Das Zölibat ist etwas Gutes, etwas das Jesus vorgelebt hat. Persönlich meine ich aber, dass es für den Priester nicht unbedingt nötig wäre. Die Priester in der Ostkirche dürfen zum Beispiel verheiratet sein. Das Zölibat ist trotzdem ein Zeichen dafür, dass es jemand ernst meint. Es ist aber ein Irrtum, zu meinen, dass es ohne das Zölibat mehr Priester gäbe. Auch so wird das Amt nicht unbedingt einfacher.

Sind die Mitgliederzahlen im Bistum in den letzten Jahren zurückgegangen?
Die Zahlen sind mehr oder weniger stabil. Es gibt Leute, die kommen, aber auch welche, die gehen. Die Zuwanderung ist gross. Der Teil der aktiven Mitglieder geht aber stetig zurück, und das muss ernst genommen werden. Die Weitergabe des Glaubens an die junge Generation, die sich heutzutage anders trifft, ist auschlaggebend. Das betrifft sowohl die katholische als auch die reformierte Kirche. Es handelt sich um kulturelle Fragen: Welchen Stellenwert hat der Glaube in unserer Gesellschaft, wie wird Seelsorge betrieben?

Was bedeutet Ihnen persönlich der Glaube?
Der Glaube ist für mich Lebenselixier. Ich glaube, dass Gott da ist, mich unterstützt und mich segnet. Ich bin nie alleine. Ich bekomme Kraft aus dem Glauben, sonst wäre ich nicht Priester geworden.


ZUR PERSON

Felix Gmür, 1966 in Luzern geboren, studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte an den Universitäten Freiburg (Schweiz), München, Paris und Rom. 1997 promovierte er in Philosophie und 2011 in Theologie, 1999 empfing er die Priesterweihe. Von 1997 und 2001 war Gmür Seelsorger in der Pfarrei St. Anton in Basel. Nach dem Studium der Bibelwissenschaften in Rom lehrte er bis 2006 am Priesterseminar von St. Beat in Luzern. Von 2006 bis 2011 war er Generalsekretär der Schweizer Bischofskonferenz. 2010 wurde Felix Gmür vom Basler Domkapitel zum Bischof von Basel gewählt.
Er steht dafür ein, dass sich die Machtstrukturen in der Kirche ändern und das Zölibat sowie die Stellung der Frau hinterfragt werden müssten. Er ist ebenfalls Stiftungsrat des katholischen Hilfswerks Fastenopfer.
Diesen Frühling nahm Gmür an der Internationalen Bischofskonferenz in Rom teil, um gemeinsam mit dem Papst über Opferschutz bei Missbräuchen zu diskutieren und Missbrauchsopfer zu treffen.

MARTIN GURTNER-DUPERREX

 


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