Adolf Baumer wird 100

  13.08.2019 Gesellschaft

Das hohe Alter von Adolf Baumer liegt in der Familie. Bereits seine Grussmutter wurde am 21. Januar 1966 100-jährig, was im «Anzeiger von Saanen» vom 28. Januar desselben Jahres fotografisch dokumentiert ist. Doch wer ist Adolf Baumer?

Adolf Baumer ist am 15. August 1919 auf der Theilegg in Saanen geboren. Er verbrachte seine Schulzeit von 1926 bis 1934 in der Rütti in Gstaad. Mit seinen Brüdern Alfred, Walter und Niklaus heckte er einige Lausbubenstreiche aus. Sie versteckten die Kleider von alt Posthalter Hutzli, während dieser nackt in der Saane badete, und legten sie ihm später in aller Hergottsfrüh auf die Treppe seines Heims. Für eine andere Episode musste eine Mistschubkarre herhalten. Die Gebrüder demontierten diejenige von Familie Brand in Einzelteile, hievten sie aufs Scheunendach und setzten sie dort wieder zusammen. Anschliessend füllten sie sie mit Mist. Wie sie wohl wieder hinuntergekommen ist? Eine Mutprobe ging er als Zehnjähriger für 20 Rappen ein: Er flog mit einem Hornschlitten über die Mattenschanze.

Harte Lehrjahre
Ab 1934 verbrachte Adolf Baumer 18 Monate im Welschland. Als Molkereiausläufer lieferte er in Lausanne mit einem «Militärgöppel» Milch aus. Die vier 15-Liter-Milchkannen führte er auf dem Fahrrad mit. Die Koch- und Patisserielehre absolvierte er im Hotel Bellevue in Kreuzlingen. Während der dreijährigen Lehre (1937 bis 1940) erhielt er total 800 Franken Lehrgeld und gerade mal vier Tage Ferien. Der Gewerbeschultag war, wie damals üblich, sein freier Tag. Trotzdem musste er am Abend wieder in der Küche antreten. Diese Aufgabe meisterte er mit Bravour, er schloss die Lehre mit der beste Abschlussprüfung (Note 1,1) ab. Als Belohnung übergab ihm der Patron einen Umschlag mit 20 Franken, das Bahnbillett nach Gstaad kostete jedoch damals schon 28 Franken, daher blieb ihm nichts anderes übrig, als mit dem Velo nach Hause zu radeln. Wegen der Generalmobilmachung waren alle Wegweiser entfernt, was zu etlichen Zusatzkilometern führte. Wenigstens durfte er in Oberdiessbach bei einem ehemaligen Küchenchef des Bellevue übernachten.

Wanderjahre und Familie
Schon bald wurde er in die Rekrutenschule eingezogen, danach folgte der Aktivdienst und dazwischen ein paar Monate im Palace Gstaad und Park Gstaad. Nach dem Krieg heiratete er seine Bertha Brawand aus Grindelwald und schon bald (1946) wurde ihm sein Sohn Erich-Peter geschenkt. In den folgenden zwölf Jahren (1946 bis 1958) folgten die sogenannten Wanderjahre in den Küchen vom Grand Hotel Rigi Condor, Lugano, Hirschen, Sursee, Brienzer Rothorn, Hotel Bern, Bern, Euler Basel, Schweizerische Speisewagengesellschaft Genf-Zürich, Bellevue Kleine Scheidegg (Winter) sowie Trümmelbach, Lauterbrunnen (Sommer). Danach machte er sich mit seiner Familie in Brienz sesshaft. Gemeinsam mit seiner Frau führte er den Gasthof Steinbock in Brienz (1957 bis 1976). Er wurde 1968 in den Cercle des Chefs de Cuisine Bern aufgenommen. In den 1970er-Jahren nahm er eine weitere Herausforderung an. Von 1972 bis 1976 führte er den Steinbock im Sommerbetrieb. Dafür übernahm er im Winter La Ferme im Grandhotel Regina in Grindelwald.

Prüfungsexperte und Weltverbesserer
Jetzt zog er sich aus dem Gastgewerbe zurück und widmete sich dem Weinhandel. Für die Firma Studer und Fischer in Interlaken betreute er die Regionen Simmental, Saanenland, Adelboden, Lenk und einige Einzelkunden. Er erreichte stets die höchsten Umsätze, was ihn natürlich sehr freute und ihn dazu antrieb, bis ins Alter von 73 Jahren weiterzumachen. Das Ehepaar wohnte in Interlaken. Daneben war Adolf Baumer während 19 Jahren Prüfungsexperte für Kochlernende in Interlaken tätig.

In seinem Refuge Eggboden in Grindelwald genoss er ab 1991 die Sommer und bekochte dort seine Freunde und Bekannten. Im selben Jahr vermählte sich sein Sohn Erich-Peter mit Jeannette. Ein Jahr später hatte Adolf Baumer den Tod seiner Ehefrau Bertha zu beklagen. Seither führt er als Wittwer den eigenen Haushalt. Er kocht seine Menus selbst und nimmt die Spitex nur für die Morgentoilette in Anspruch. Viel Zeit widmet er dem Studium des «Berner Oberländer» und des «Anzeiger von Saanen», was ihn auch animiert, die Welt zu verbessern. So hört man von ihm ab und zu: «Si sötte, si sötte ...»

BLANCA BURRI/PD


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