Dem Flügel tief in die Seele gefühlt

  20.08.2019 Kultur

Dass ein so tolles Instrument wie dieser Steinway-Flügel so etwas wie eine Seele hat, wird spätestens dann fühlbar, wenn eine Pianistin wie Khatia Buniatishvili darauf spielt. Ein wunderbares Instrument und eine wunderbare Interpretin begeisterten am Freitag im Konzertzelt Gstaad mit wunderbarer Musik.

LOTTE BRENNER
Vom ersten Ton an, den die Klaviervirtuosin anschlug, sass das Publikum, tief berührt und fasziniert, mäuschenstill im Zelt des Gstaad Menuhin Festival und lauschte aufmerksam dem betörenden Spiel zu. Eigentlich ist Buniatishvili bekannt für rasante Tempi und eine kaum zu überbietende Technik. Nun hat sie ihr Publikum in Gstaad mit einer ganz anderen Seite verblüfft, nämlich leise, ganz leise, und mit subtiler musikalischer Hingabe, völlig versunken in weiche Schubert-Melodien, die liedhaft in den vier Impromptus der Werkzahl 90, D 899, immer wieder sanft und schlicht in Erscheinung treten.

Sie kommt und spielt
Ohne lange zu fackeln betritt Buniatishvili die Bühne, setzt sich ans Klavier und spielt. Das Publikum verstummt sofort und wagt nun noch kaum zu atmen. Das Thema des ersten Impromptu in c-Moll beginnt verhalten, wehmütig, vorerst unisono. Dieser Moment mutet fast heilig an. Die balladenartige Dramaturgie steigt dann schicksalsträchtig an, geht in D-Dur über und verhaucht schliesslich wieder zart. Doch auch in diesen stillen Harmonien zeigt sich die grandiose Technik der Pianistin. So leise und ruhig ihr Spiel ist, so unüberhörbar präzis ist die Interpretation. Kein einziges Tonelement überlässt sie dem Zufall. Sie gestaltet jede Einzelheit minutiös, tief empfunden und lässt sie nachklingen, womit sie auch die absolute Stille im Publikum zu halten weiss.

Im Es-Dur Allegro bezirzt sie mit geschwinden Triolenläufen wieder einmal mit unwahrscheinlicher Tastenakrobatik, um dann im dritten Satz, dem Gis-Dur Andante wieder eine romantisch schöne Stimmung hinzuzaubern. Leidenschaftlich romantisch, mit einer ausdrucksstarken Oberstimme folgt die Nr. 4, ein Allegretto in As-Dur. Nach diesen vier Impromptus ist klar: Buniatishvili brilliert nicht nur durch Virtuosität, sondern auch durch äusserst, kaum aushaltbare, subtile Musikalität.

Von den drei Schubertbearbeitungen durch Franz Liszt «Ständchen von Shakespeare», «Gretchen am Spinnrade» und «Erlkönig» sei Letztere erwähnt. In dieser Ballade kommt wiederum das Gegensätzliche zum Ausdruck. Noch verspricht der Erlkönig in verheissungsvollsten, verführerisch gehauchten Tönen die wunderbarsten Dinge und schon gehts in wildem, verzweifeltem Ritt dem Tod entgegen. Das sehr gegensätzliche Spiel der wundervollen Pianistin kommt hier nochmals bildhaft, äusserst eindringlich zum Tragen.

Feurig und stürmisch
Virtuos und stürmisch geht es dann weiter mit «Mazepa» und der «Ungarischen Rhapsodie Nr. 6» von Franz Liszt. Die Virtuosin begeistert mit feurigem Temperament und setzt dann aufwühlend-trotzig, fast ein wenig exzessiv, dem Konzert mit Igor Strawinskys drei Sätzen aus dem Ballett «Petruschka» die Krone auf. Wie zuvor schon in der ungarischen Rhapsodie spielt auch in dieser typisch russischen Komposition die Rhythmik eine faszinierende Rolle. Technisch scheint dieses Stück kaum zu bewältigen sein – Buniatishvili meistert es mit Leichtigkeit.

Das überwältigte Publikum verlangte der grandiosen Pianistin zwei Zugaben ab. Noch einmal legte sie sich mit ungarischen Rhapsodien kräftig in die Tasten und verabschiedete sich dann endgültig, nochmals ganz zart, französisch impressionistisch, mit «Jeu d\\'Eau» von Claude Debussy.


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