Höhenfeuer auf 3123 Metern über Meer

  06.08.2019 Gsteig

In Gsteig haben die Höhenfeuer am Nationalfeiertag eine besondere Tradition. Beim Eindunkeln entzünden Wanderfreudige auf hohen Gipfeln das mitgebrachte Brennmaterial und steigen im Dunkeln ins Tal ab. Unsere Journalistin Blanca Burri wollte wissen, ob die Mär von den brennenden Pneus stimmt.

BLANCA BURRI
Seit Jahren bewundere ich die Höhenfeuer auf dem Oldehore, Spitzhorn, Schluchhorn und vielen weiteren Gipfeln. Als Helden nahm ich die Feuerleute wahr, die sich nach getaner Arbeit spätabends im Bären zu einem Imbiss trafen. Sie rochen streng nach Rauch und sahen müde, aber zufrieden aus. Dieses Jahr nahm ich allen Mut zusammen und meldete mich bei der vom SAC Oldenhorn geführten Tour auf das Oldehore an.

Der Abend erwies sich sozusagen als Familiensache. Die Brüder Christian und Lukas Oehrli (Tourenleiter) sowie ihr Schwager Philipp Hefti waren mit von der Partie. Zu viert stiegen wir in die 16.20-Uhr-Bahn auf den Glacier 3000. Unser spätes Ankommen und die grossen Rucksäcke lösten bei den auf die Bahn wartenden Touristen verwunderte Blicke aus. Nach einem Schwatz mit den Hüttenwarten des Refuge de l’Espace schritten wir erst talwärts und wanderten dann über den Glacier de Tsanfleuron zum Oldensattel. Als ich den drei Herren folgte, fragte ich mich insgeheim, was in ihren überdimensionalen Rucksäcken stecke. Zwar sah man da und dort ein Holzscheit hervorblitzen, doch welches Wundermittel für das 1.-August-Feuer hatten sie noch dabei?

Über die Südostflanke stiegen wir zum Oldehore auf. Der Tourenführer gab mir bei den steilen Passagen gute Tipps, wie man den «Ghüderhufe» am besten meistert. Und da ich zu der Sorte Wanderer gehöre, die beim Aufstieg mehr Mühe bekunden als beim Abstieg, war ich sehr froh darum. Die letzten Meter befreite mich Philipp Hefti von der grossen Holzlast auf meinem Rücken, die ich zusätzlich zum Fotoapparat mitschleppte. Mit einem Juchzer und einer Runde Schnupf – Schnupfspruch inklusive – feierten wir die grandiose Rundsicht. Vom Jura bis zum Matterhorn zeigten sich Seen und Berge, die jedoch bald von Nebelschwaden verdeckt wurden.

Geomatikingenieur Philipp Hefti nutzte die Gelegenheit und suchte den Grenzstein, den wir nur dank dem von der Schreibenden geforderten Fotoshooting auf dem Gipfel per Zufall fanden. Als sich die Herren vor der Aussicht nach Gsteig positionierten, sahen sie nämlich ein dem Tal zugewandtes Kreuz in einen Stein eingeritzt. Schliesslich stellte sich heraus, dass sich der Grenzstein genau unter der Feuerstelle befand. Statt die Steine wegzuräumen, um einen endgültigen Beweis zu finden, entschieden wir uns – hungrig wie wir waren – das Abendessen zu kochen. Weil es für das Höhenfeuer noch zwei Stunden zu früh war, geizten wir mit Holz. Für eine in den offenen Flammen schwarz-weiss gebratene Wurst, sie erinnerte mich an ein Yin-Yang-Symbol, reichte es allemal. Der wunderbare, von den Oehrli-Brothers hochgeschleppte Cornalin rundete den Imbiss ab.

Die folgende Stunde wäre unter normalen Umständen die längste meines Lebens geworden. Ich hatte beim Packen die Temperatur falsch eingeschätzt und fror trotz meiner Plache gehörig. Ein ausgeliehener Pullover einer meiner Wanderkollegen wärmte mich ein bisschen auf. Entscheidend für das schnelle Vorrücken des Zeigers waren aber die Lieder und die lustigen Geschichten, welche die Oehrli-Brüder zum Besten gaben und die von Hefti trocken kommentiert wurden – Selbstironie inklusive. Bevor wir uns versahen, dunkelte es ein. Unsere kalten Finger häuften nun das Holz zu einem grossen, nicht sonderlich schönen, aber effektiven Stapel. Der Wind spielte mit der Restglut und schon bald leuchtete unser Höhenfeuer. Die Zündholzschachtel in den Flammen erfüllte ihren Zweck als Pyroersatz. Nach diesem Mini-Feuerwerk machten wir uns singend auf den Weg ins Tal. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich weder Pneus, selbstgebastelte Riesenkerzen noch batteriebetriebene Leuchten gesehen hatte. Schlichtes Holz verhalf dem Feuer dazu, aus weiter Ferne gesehen zu werden, was uns später bestätigt wurde.

Nun folgte der lustige und rasante Hexenrutsch im Stirnlampenlicht über die Schneefelder ins Tal, der von Nieselregen begleitet wurde. Später marschierten wir entlang des Baches bis zur Oldenalp und hinab in die Reusch. Die Zeit hatten meine erfahrenen Wanderkollegen immer im Auge und ich wunderte mich, weshalb sie bereits auf dem Oldensattel von der Vorfreude auf Bier gesprochen hatten. Je näher wir unserem Ziel kamen, umso weniger mochte ich an meine Knie und Hüften denken. Ich konzentrierte mich nur noch auf die interessanten Gespräche mit meinen Wanderkollegen. Ich stellte mir unsere Ankunft im Bären vor und hoffte, dass es trotz fortgeschrittener Stunde noch etwas zu beissen gab. Zu meiner eigenen Überraschung freute ich mich, obwohl ich Bier nicht sonderlich mag, auf einen rechten Humpen.

Wie schön war die Ankunft im gemütlichen Wirtshaus, in dem volkstümliche Musik erklang. Fast alle Tische waren besetzt. Die Feuerleute der umliegenden Gipfel waren bereits da, sie genossen wie wir die Gastfreundschaft der Dorforganisation Gsteig-Feutersoey, welche uns traditionsgemäss zu einem Znacht und einem Umtrunk eingeladen hatte. Die Pasta aus der Bärenküche schmeckte hervorragend und das Panaschee war im Nu leer. Noch immer schwelge ich in den Erinnerungen an diesen besonderen Abend mit einmaligen Menschen. Wir versprachen uns, das Ritual nächstes Jahr zu wiederholen und hoffen darauf, dass uns viele SAC-Mitglieder begleiten werden, damit wir den Grenzstein auf 3123 Metern Höhe nächstes Jahr nun definitiv finden und damit das Feuer noch heller strahlt.


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