Wie lange fliegen die Hunter noch?

  13.08.2019 Interview

Der Erstflug des Prototyps des Hawker Hunter erfolgte 1951 im Herstellerland England. Die Schweizer Maschinen wurden zwischen 1958 und 1976 eingeführt und Ende 1994 ausser Dienst gestellt. Ueli Leutert war der letzte Kommandant der in St. Stephan stationierten Fliegerstaffel 15 und fliegt heute für den Hunterverein Obersimmental mit dem weissen «Papyrus»-Hunter.

Ueli Leutert, der weisse Hunter ist über 60 Jahre alt. Ist das ein Problem bezüglich Sicherheit?
Nein, es gibt keine Probleme mit dem «Papyrus»-Hunter. Jedes Jahr muss eine sogenannte Jahreskontrolle gemacht werden. Diese Kontrolle wird von der Historic Flight Maintenance in Altenrhein (HFM) durchgeführt und ein Inspektor des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BAZL) prüft anschliessend die gemachte Arbeit und erteilt das Lufttüchtigkeitszeugnis.

Sie fliegen den «Papyrus» – wieviele Stunden pro Jahr ist er heute noch in der Luft?
Die Maschine wird pro Jahr weniger als zehn Stunden geflogen. Die erwähnte Jahreskontrolle muss bei 100 Flugstunden beziehungsweise mindestens einmal pro Jahr gemacht werden.

Gibt es aus technischer Sicht Einschränkungen beim Flugbetrieb mit dem ehemaligen Kampfjet?
Im Moment nicht. Zum Vergleich: Der Venom hatte dazumal als erster Militärjet einen elastischen Flügel. Diese Konstruktion bereitete schon während der aktiven Zeit bei der Luftwaffe Probleme, es gab Risse im Flügel. Mit steter Kontrolle konnten wir im militärischen Flugbetrieb dennoch uneingeschränkt fliegen. Der erste zivil geflogene Venom (HB-RVA) wurde damals mit einer Belastung von maximal 5 statt 6,5 g zugelassen. Damit konnten die Ermüdungserscheinungen massiv verkleinert werden.

Also kann auch der Hunter mit kleinen Einschränkungen noch lange fliegen?
Das wäre in Zukunft eine Möglichkeit, sollten in diesem Bereich ernsthafte Probleme auftauchen. Ernst Flessati, als Chef der HFM, arbeitet in enger Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Michel Guillaume von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) an den Problemen alternder Flugzeuge. Letztes Jahr wurden die Verbindungen der einzelnen Rumpfsegmente als möglicher kritischer Punkt beim Hunter evaluiert.

Und die Folgen dieser Erkenntnis?
Der Hunter mit der höchsten Flugstundenzahl wurde total auseinandergenommen und die kritischen Verbindungen wissenschaftlich geprüft. Das Resultat war sehr positiv, es wurde keine Ermüdung festgestellt. Alle Betreiber der zivilen Hunter in der Schweiz haben sich finanziell an diesen wichtigen Untersuchungen beteiligt.

Gibt es weitere kritische Teile?
Dieses Jahr werden die Triebwerke der Einsitzer-Hunter genau unter die Lupe genommen. Die Doppelsitzer fliegen mit Passagieren im Vergleich ein Mehrfaches an Flugstunden. Deshalb wurden alle Triebwerke der Doppelsitzer regulär nach den geflogenen Stunden revidiert; die Einsitzer würden diese kritische Stundenzahl aber erst in zwanzig oder mehr Jahren erreichen. Deshalb ist Ernst Flessati auf das Luftamt zugegangen und hat eine ausserordentliche Untersuchung mit kanadischen Spezialisten vorgeschlagen. Er konnte überzeugen, dass dies die beste Lösung für die alternden Triebwerke darstellt. Im Herbst wird unser «Papyrus» deshalb eine gründliche Triebwerksinspektion durchlaufen. Die ZHAW und Ernst Flessati prüfen zudem im Voraus mögliche kritische Komponenten der antiken Militärflugzeuge.

Jetzt ganz konkret: Wie lange fliegen die Hunter noch?
Theoretisch unbeschränkt. Die Piloten sind das kleinste Problem. Ein aktiver oder pensionierter Militärpilot kann mit wenigen Flügen auf den Hunter umgeschult werden. Taktische Manöver wie Erdkampf oder Luftkampf werden damit ja keine mehr geflogen. Bei der Umschulung geht es um die technischen Aspekte und das sichere Fliegen innerhalb der Flugzeuglimiten.

Also sind wir wieder bei der Technik …
Ja, mit den Ersatzteilen ist es schwieriger. Diese sind zwar noch erhältlich – in England, Kanada und teilweise in der Schweiz. Der geforderte Preis kann eventuell eine Hürde sein. Ganz schwierig wird es aber mit den Mechanikern. Alle Mechaniker, die während der Militärzeit auf dem Hunter gearbeitet haben, sind im fortgeschrittenen Alter. Dieses Fachwissen geht langsam aber sicher verloren. In Altenrhein wurden damals teilweise die grossen Kontrollen an den Huntern durchgeführt. Deshalb ist jetzt Ernst Flessati der Fels in der Brandung. Praktisch liegt die Zukunft der antiken Militärjets in seinen Händen. Sein Fachwissen, aber vor allem auch seine innovativen Ideen, um unsere Jets in der Luft zu halten, sind von enormer Bedeutung.

Und die Kosten?
Mit Geld können viele Problem gelöst werden. Zum Beispiel gibt es in Kanada einen privaten Unterhaltsbetrieb, der ehemalige Schweizer Hunter unterhält und diese auch als Zielflugzeuge einsetzt. Eine solche Lösung überschreitet unsere Möglichkeiten in der Schweiz jedoch bei Weitem.

INTERVIEW: BEAT RADELFINGER, PRÄSIDENT HUNTERVEREIN OBERSIMMENTAL


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