Der Literarische Herbst Gstaad triebs bunt

  17.09.2019 Kultur

Am Sonntag ging das Literaturfestival Literarischer Herbst Gstaad zu Ende. Fünf Tage lang Literatur pur. Von Jahr zu Jahr wird das Programm umfangreicher und subtiler – und nächstes Jahr werden die Literaturtage bereits ihr zehnjähriges Bestehen feiern.

LOTTE BRENNER
Was am Mittwoch in Château-d\\'Oex begann (wir berichteten darüber), wurde in Saanen, Zweisimmen, Schönried und Gstaad stilecht, gediegen und auf hohem Niveau weitergeführt. Die Leseproben, die Laurence Boissier, Franz Dodel, Laura Freudenthaler, Guy Krneta, Pedro Lenz, Tanja Maljartschuk, Jaroslav Rudiš, Géraldine Schwarz, Ruth Schweikert, Beat Sterchi, und Kathy Zarnegin aus ihren Büchern präsentierten, waren prägnant und allesamt kurzweilig, die Moderationen durch Liliane Studer und Reto Sorg klug und witzig. Sie weckten die Neugier aufs Buch, aufs Lesen.

Der Regionalbezug zum Festival wird in weiteren Veranstaltungen gefestigt. So werden am 26. September im Hotel Alpenland Lauenen eine Lesung aus dem Roman «Blind» und ein Gespräch mit Christine Brand stattfinden. Ebenfalls in Vorbereitung ist die Schreibwerkstatt 2019, die, gemeinsam mit der Gemeindebibliothek Gsteig, erstmals in den Literarischen Herbst eingebettet wird. Bereits sind Anmeldungen eingetroffen, weitere Teilnehmer können immer noch berücksichtigt werden.

Bewährte Zusammenarbeit
Am Freitag fand auch dieses Jahr wieder eine Lesung mit musikalischer Umrahmung statt. Und auch dieses Jahr fanden sich Schüler aus dem Gymnasium ein.

Tanja Maljartschuk versucht in ihrem Roman «Blauwal der Erinnerung» über den vergessenen ukrainischen Volkshelden Wjatscheslaw Lypynskyj ihre eigene Vergangenheit und auch die Gegenwart zu verstehen. Dass sie wegen einer starken Erkältung kaum sprechen konnte, machte ihre Aussagekraft umso authentischer. Wie ihre Moderatorin Barbara Loop sagte, geht die politische Verlorenheit des Protagonisten einher mit der seelischen Verlorenheit des Ichs der jungen Autorin.

Lebendig, dynamisch, stellte Jaroslav Rudiš seinen Roman «Winterbergs letzte Reise» vor. Ihm gelingt es, ein Leben zu skizzieren, das in Erinnerungen an Krieg und verschwundene Ideale stecken blieb. Die Geschichte Mitteleuropas, Tschechiens-Österreichs-Deutschlands, wird auf einer Reise zu den Kriegsschauplätzen verarbeitet. Der schwerkranke Winterberger, der diese Erinnerungsreise nochmals durchlebt, wird von seinem Altenpfleger Jan Kraus begleitet. Spannend schildert der Autor die Annäherungen der beiden. Der Tod, der allgegenwärtig ist, wird immer wieder mit nüchternem Humor hinterfragt, sodass das sehr ernste Buch leicht wird und das Lesen ein Vergnügen ist.

Umrahmt wurde der interessante Freitagabend durch Lieder von Brahms und Haydn, gesungen vom «Cantate Chor Zweisimmen» unter der Leitung von Klaus Burkhalter. Am Klavier begleitete einfühlsam Reto Reichenbach.

Abschluss im Le Grand Bellevue
Ein spannendes Leseduo fand sich mit der jungen Österreicherin Laura Freudenthaler und der bereits erfolgreichen Schriftstellerin Ruth Schweikert am Samstag im Hotel Le Grand Bellevue Gstaad ein. Wie die junge Schriftstellerin Freudenthaler in ihrem dritten Buch eine 20-jährige Paarbeziehung beschreibt, wie sie die Beziehung eines Mannes zu einer jungen Frau darstellt, welche (die Beziehung) von seiner Partnerin vorerst erahnt, doch dann immer konkreter gefühlt wird, wie die Autorin Beobachtungen und Wahrnehmungen ihres eigenen Umfeldes skizziert – das geht unter die Haut.

In kurzen Abschnitten spricht Ruth Schweikert in ihrem Buch «Tage wie Hunde» über ihren unheilbaren Brustkrebs, schonungslos und doch immer wieder heiter, humorvoll. Es ist ermutigend und traurig zugleich. Eine schriftstellerische Glanzleistung, wenn man bedenkt, dass dieses vor Leben strotzende Buch angesichts des Todes entstand.

Die Philosophie sowie die Gedanken über den Sinn unseres Daseins zogen sich wie ein roter Faden durch all die Lesungen im Literarischen Herbst. So endete auch diesmal das Festival in Robert Walsers Literarischem Werk. Traf man sich am Sonntagmorgen noch zum traditionellen literarischen Spaziergang von Schönried nach Gstaad, so gab es am Abend im Le Grand Bellevue eine Lesung von 20 Briefen Robert Walsers an seine junge Bewunderin Therese Breitbach. Eva-Maria Glössner und Uwe Schönbeck lasen die zum Teil sehr gesellschaftskritischen Zeitdokumente mit Charme und Witz. Walsers Humor ist zurückhaltend bissig, was bei der Lesung goldrichtig zum Ausdruck kam. Erfolg und Misserfolg, eine Krise im Schriftstellertum – über das alles schrieb Walser aus seinen verschiedenen Wohnorten in Bern, bis hin zum Aufenthalt in der Klinik Waldau. Und immer wieder frönte er den Schönheiten der Natur. Immer wieder beschrieb er blumig rührend Stimmungen und Gefühle. Die Lesung war eine abschliessende Wohltat auf das reiche, anspruchsvolle und äusserst interessante Programm.


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