Gemeindevielfalt muss erhalten bleiben

  17.09.2019 Saanenland

An der Wimmiser Landsgemeinde vom 30. April 2019 trafen sich 180 Behördenvertreter aus dem ganzen Kanton Bern und beschlossen, sich mit einer Resolution für den Erhalt der Gemeindevielfalt einzusetzen. Bis Ende August 2019 haben 208 Gemeinden dem Resolutionstext zugestimmt.

Seit längerer Zeit fühlen sich kleine und ländliche Berner Gemeinden in verschiedenen Bereichen benachteiligt. Gross war der Unmut vor drei Jahren wegen des kantonalen Richtplans, der nur noch Zentrums- und Agglomerationsgemeinden grössere raumplanerische Entwicklungsmöglichkeiten zugesteht.

Wahrnehmung der kleinen und ländlichen Gemeinden
Das Fass zum Überlaufen brachte schliesslich die im Frühjahr 2019 vom Regierungsrat auf Wunsch des Grossen Rates vorgeschlagene Kürzung des Finanzausgleichs für finanzschwache Gemeinden, um diese zu mehr und rascheren Fusionen zu bewegen. Mit der Senkung der Mindestausstattung von 86 auf 84 Prozent hätten 163 ohnehin bereits finanzschwache Gemeinden nochmals weniger Mittel zur Verfügung gehabt.

Langfristig Existenz sichern
Die massive Kritik der Gemeinden an diesem Vorhaben hat die Regierung und den Grossen Rat zum Umdenken bewogen. Die Senkung wird nicht in die Tat umgesetzt. An der Wimmiser Landsgemeinde vom 30. April 2019 haben die 180 Behördenvertreter dies einerseits mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Andererseits herrschte Einigkeit, dass das nicht der letzte «Angriff» auf die kleineren Gemeinden und ländlichen Gebiete bleiben würde.

Eine Verbesserung der Situation kann langfristig nur erreicht werden, wenn die Mehrheit der Politiker und die Kantonsverwaltung die kleinen und/ oder ländlichen Gemeinden nicht länger als «Problem», sondern als gleichberechtigte Partner anerkennen. Dies führte zum Entschluss, eine Resolution zum Erhalt der Gemeindevielfalt zu lancieren.

Breite Zustimmung
Die positiven Rückmeldungen haben die Erwartungen des Resolutionskomitees unter der Leitung von Grossrat Thomas Knutti, dem Vorsitzendem des Resolutionskomitees, bei Weitem übertroffen. Bis Ende August 2019 haben 208 Gemeinden den Resolutionstext durch den Gemeinderat genehmigt und unterzeichnet zurückgesandt. Das sind deutlich über die Hälfte aller 346 bernischen Gemeinden. Am 9. September 2019 erfolgte in Bern die offizielle Übergabe der unterzeichneten Resolutionen durch das Resolutionskomitee an Regierungsrätin und Gemeindedirektorin Evi Allemann. Die breite Zustimmung müsste für die kantonalen Behörden und Politiker eigentlich ein deutlicher Weckruf sein, die Sorgen und Anliegen der ländlichen Gebiete und die kleineren Gemeinden ernster zu nehmen. In den ländlichen Gemeinden, die oft weitläufig und häufig finanzschwach sind, ist das Unverständnis über die kantonale Fusions- und Entwicklungsstrategie besonders gross. Dabei erbringen oft gerade diese Gemeinden mit grossem Einsatz, aber wenig Mitteln überdurchschnittliche Leistungen. Aber auch im bevölkerungsstarken Berner Mittelland mit vielen finanzstarken Gemeinden stimmt knapp die Hälfte der Gemeinden der Resolution zu.

Erwartungen für Zukunft
Grossrat Thomas Knutti ist realistisch genug, mit der Resolution keine plötzliche und wundersame Kehrtwende in der Fusionsstrategie und Raumplanung zu erwarten. Aber er erhofft sich, dass Kantonsregierung und Kantonsparlament die Erwartungen der über 200 bernischen Gemeindeexekutiven ernst nehmen und bei zukünftigen Entscheidungen vermehrt auch wieder auf den ländlichen Raum und die kleineren Gemeinden Rücksicht nehmen.

PD


RESOLUTION ZUM ERHALT DER GEMEINDEVIELFALT

1. Der Kanton Bern anerkennt alle Gemeinden als gleichwertig und garantiert ihnen das uneingeschränkte Existenzrecht, unabhängig von ihrer geografischen Lage, Fläche, Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft.

2. Der Kanton Bern setzt sich bezüglich Gemeindefusionen sowohl in zeitlicher wie auch in quantitativer Hinsicht keine Ziele.

3. Der ländliche Raum wird durch den Kanton Bern gegenüber den städtischen Gebieten in planerischer und wirtschaftlicher Hinsicht nicht benachteiligt.

4. Der Kanton Bern verzichtet auf Lenkungs-, Druck- und Zwangsmassnahmen für Gemeindefusionen, solange die Gemeinden ihre Aufgaben erfüllen.


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