Les Arts Gstaad

  17.09.2019 Leserbriefe

Die Bemühungen um die Realisierung eines Konzertsaals für Gstaad haben nicht zum Erfolg geführt. Für das langjährige Engagement gebührt den Beteiligten Dank und Respekt, das Scheitern muss für alle ernüchternd und frustrierend sein. Der Bedarf bleibt bestehen, ein neues Projekt müsste rasch und kostengünstig realisiert werden können. Eine — natürlich nicht in allen Punkten vergleichbare — Aufgabe stellte sich vor einigen Jahren in Zürich: Die von 2017 bis voraussichtlich 2020 dauernde Renovation der Tonhalle verlangte nach einem alternativen Konzertort, der in kurzer Zeit realisiert werden sollte. Für das Tonhalleorchester wurde innert sieben Monaten in der Werkhalle der ehemaligen Maag-Zahnradfabrik ein Konzertsaal eingebaut. Er misst ca. 22 x 43 Meter, besteht fast vollständig aus Fichtenholz (!) und verfügt über 1200 Plätze. Seine ausgezeichnete Akustik und die schlichte Ästhetik haben bei Publikum, Dirigenten und Musikern schnell Anerkennung gefunden. Der anhaltende Erfolg der Musikveranstaltungen im Saanenland beweist, dass bei attraktiven Angeboten das Publikum auch weniger attraktive Aufführungsorte wie das Zelt in Kauf nimmt. Es muss also nicht unbedingt das teure Projekt eines international renommierten Architekten sein, das die tragbare Belastung in Bau, Unterhalt und Betrieb übersteigt. Nun ist in der Region im Lauf der vergangenen Jahrzehnte ein — nicht zu übersehender! — neuer Bautyp entstanden, von dem nur selten die Rede ist. Gemeint sind die teils spektakulär grossen Stallscheunen, die da und dort neben den traditionellen Bauernhäusern stehen und diese in der Regel klein erscheinen lassen. In meinen Augen sind diese nüchternen Zweckbauten Musterbeispiele funktionaler Architektur und bei näherer Betrachtung lässt sich leicht erkennen, dass in ihnen hervorragende Zimmermannskunst steckt. Mein Gedanke mag abwegig klingen, doch ich nehme an, dass ein solcher Bau durchaus auch einen modernen Konzertsaal beherbergen könnte, der den Anforderungen genügen würde. Dabei müsste er nicht zwangsläufig provinziell und banal wirken, sondern könnte — im besten Sinne selbstbewusst und originell — lokale Tradition mit Innovation verbinden. Die zum Bau notwendigen handwerklichen Fähigkeiten sind im lokalen Gewerbe zweifellos vorhanden.

HANS-RUEDI WEHREN, BASEL/GSTAAD


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