Parade aus Chrom, Lack und Leder

  17.09.2019 Sport

Am 29. Raid du Sud, der am vergangenen Samstag zum zweiten Mal in Gstaad startete, nahmen 74 Teams teil. Die Parade der Autos mit Baujahr 1924 bis 1998 bot ein chromstahlglänzendes und klassisch-kurvenbetontes Spektakel, das vom Platzspeaker als ‹Prix d\\'Élégance› bezeichnet wurde.

KEREM S. MAURER
Der Raid du Sud ist eine «Rallye für sportliche Geniesser und für alle, die schönste Landschaften, wunderbar angelegte Strassen, Sportsgeist und den Austausch mit Gleichgesinnten suchen», heisst es vielversprechend auf der Webseite des Veranstalters. Die Rallye hat seit 29 Jahren Tradition und sie startete heuer zum zweiten Mal in Gstaad mit Ziel in Cannes. Vorher startete sie in Basel mit Ziel in Paris. «Die in Paris wollten uns nicht mehr haben», kommentierte ein Teilnehmer und lachte: «Wir fahren auch viel lieber ans Meer!». Dass der Start dieses Rallye-Klassikers aufgrund des veränderten Ziels nach Gstaad verschoben wurde, finden die meisten toll. Wo sonst hat man schon eine derart schöne Kulisse? Aber Gstaad sei nicht von ungefähr als neuer Ausgangspunkt ausgewählt worden, betonte der Speaker. Gstaad besässe seit jeher eine gewisse Affinität zum Automobil. Doch nicht nur das. «Wir sind von der Gemeinde, vom Tourismus und allen hier sehr freundlich aufgenommen worden», sagte OK-Präsident H.A. Bichsel und ergänzte: «Wir fühlen uns hier sehr wohl!»

Alter vor Schönheit
Zur Startnummernausgabe traf man sich oben beim Gstaad Palace, was dem grossen Hotelparkplatz angesichts der über 70 Classic-Cars einen Hauch von Nostalgie verlieh. Gestartet wurde in drei Kategorien, nämlich «Veterans» mit Baujahr bis 1939, «Classics» bis 1988 und «Open Raid» bis 1998. Von Cadillac über Sunbeam, Jaguar, Porsche, Ferrari und MG bis hin zu Monteverdi, Austin-Healey und Ford waren über 25 Marken vertreten. Glänzender Stahl und wohlgeformte Rundungen schmeichelten dem Auge, während in der Luft der Geruch von gepflegtem Leder und verbranntem Benzin lag. «Wer will denn an einem solchen Tag schon wissen, wie viel Benzin diese Autos verbrauchen? Heute fragt keiner danach», lachte Clément Gutzwiller aus Kirchberg BE, der mit seiner Partnerin Anita und seinem Fahrzeug, einem feuerroten, auf Hochglanz polierten Jaguar XK 120 mit Baujahr 1953, zum ersten Mal am Raid du Sud teilnahm. «Dieses Modell hat 1953 Le Mans gewonnen!», sagte er nicht ohne Stolz und erzählt, dass er dieses Auto vor rund zwei Jahren gekauft habe, und er ergänzte augenzwinkernd, es müsse doch auch einmal bewegt werden. Die Startnummern werden entsprechend dem Alter der Fahrzeuge vergeben, erklärte er. So startete das älteste, ein Cadillac Typ V-63 aus dem Jahr 1924 zuerst und ein Fiat Barchetta-Spider aus 1998 zuletzt. Das Sprichwort «Alter vor Schönheit» hat hier definitiv keine Gültigkeit. Jedes der teilnehmenden Fahrzeuge hat seinen eigenen Charme, sein spezielles Aussehen, seinen individuellen Stil und Charakter. Attribute, welche die heutigen Fahrzeuge mit ihrem einheitlichen Aussehen schon lange nicht mehr haben, bedauern einige Schaulustige, welche die Oldtimer zum Teil mit Kennermiene begutachteten.

Ein weiterer internationaler Event
Um Punkt 12 Uhr startete der Raid du Sud auf dem Kapälliplatz mitten in Gstaad. Die Autos defilierten durch die Promenade des illustren Voralpendorfes, vorbei an den gut gefüllten Terrassen der anliegenden Restaurants. Einmal mehr gab Gstaad die passende Kulisse für einen internationalen Event, denn die Teilnehmenden kamen nicht nur aus der Schweiz, sondern auch aus Belgien, Österreich, Frankreich, Luxemburg, Deutschland, Rumänien, Italien und sogar aus den USA. «Man kann diese Parade als ‹Prix d\\'Élégance› bezeichnen», sagte der Speaker entzückt und kommentierte fachkundig jedes Fahrzeug, welches vor dem eigentlich Start über einen eigens dafür ausgerollten roten Teppich fuhr. Gleich nach dem Start wartete bereits die erste Herausforderung auf die Teilnehmenden: Es musste eine gewisse Distanz, welche mit zwei Gummischläuchen markiert war, in exakt 6 Sekunden überwunden werden. «Hier ist wichtig, dass man sein Auto genau kennt», erklärte jener Helfer, der die Zeiten auswertete. «Man muss wissen, wann das Auto zieht, wo die Druckpunkte liegen, und man muss das Gaspedal spüren.» Die Zeit wurde auf die Zehntelsekunde genau gestoppt. Jeder abweichende Zehntel bedeutete einen Strafpunkt. Im 45 Sekundenintervall starteten die Oldtimer zur ersten Etappe, die über Nebenstrassen rund 150 Kilometer bis nach Grenoble führte. Die zweite Etappe führte nach Avignon und von dort ging die dritte Etappe nach Cannes.

«Wir bleiben in Gstaad!»
Für H.A. Bichsel steht fest, der Raid du Sud soll auch in Zukunft in Gstaad starten. Aber nicht im nächsten Jahr. Denn dann feiert die Rallye ihr 30-Jahr-Jubiläum, wofür sich die Organisatoren etwas ganz Besonderes ausgedacht haben. Der Zielort 2020 soll in Wien sein. Infolgedessen sei es notwendig, den Start weiter in den Osten zu verlegen. Davos Klosters biete den dafür idealen Ausgangsort, sind die Verantwortlichen überzeugt. «Aber danach kommen wir wieder zurück nach Gstaad», versprach Bichsel.


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