«Ich schwimme definitiv nicht mit dem Strom»

  04.10.2019 Interview

Michael Gehret steigt für die GLP in den Nationalratswahlkampf. Im Interview erklärt er, weshalb er sich für die Politik «brauchen» lässt.

BLANCA BURRI

Michael Gehret, weshalb lassen Sie sich für den Nationalrat aufstellen?
Ich bin mit dem Hornkuh-Label und mit dem Verein Schür.li politisch aktiv. Je länger ich in der Politik bin, desto mehr interessiert sie mich. In der demokratischen Schweiz ist es wichtig, dass sich die Bürger Zeit nehmen und sich zutrauen, Politik zu betreiben.

Ihr Vater war Gemeindepräsident von Gsteig. Sie selbst hatten aber nie ein kommunales Amt inne.
Wir haben zu Hause oft und ausgiebig politisiert und dabei selten dieselbe Meinung vertreten (lacht). Auch mein Grossvater war politisch aktiv. Und ja, es stimmt, dass ich kein Gemeindeamt innehatte und in diesem Bereich wenig Erfahrung sammeln konnte. Aber erstens glaube ich daran, dass jeder Mensch auf Erden etwas bewegen kann und zweitens habe ich durch Schür.li und das Hornkuh-Label einen tiefen Einblick in kantonale wie nationale politische Prozesse erhalten.

Sind Sie bei den Wählern bekannt?
Ich hoffe es (lacht). Bei den Grossratswahlen letztes Jahr hatte ich kein schlechtes Resultat. Die Präsenz durch das oben genannte Engagement ist nicht zu unterschätzen. Und natürlich falle ich durch meine Art auch etwas auf. Im näheren Umfeld ist das nicht immer positiv, überregional hat diese Einzigartigkeit aber durchaus sein Gutes.

Was meinen Sie damit?
Ich schwimme definitiv nicht mit dem Strom, sondern hinterfrage Ideen und Entscheide. Ich überlege mir Verbesserungsvorschläge und kommuniziere sie.

Wofür werden Sie sich einsetzen, falls Sie gewählt werden?
Das Landschaftsbild liegt mir sehr am Herzen. Die Kulturlandschaft in der Schweiz muss gemeinsam mit der Landwirtschaft und den Bewohnern so gestaltet werden, dass alle Platz für ihre Bedürfnisse haben. Dieser Prozess muss aktiv gestaltet werden. Ebenfalls liegt mir die Natur am Herzen. Wir müssen den Klimawandel aktiv angehen. Denn bereits bekommen wir die direkten Auswirkungen zu spüren, deshalb müssen wir das Schiff drehen. Das heisst, wir brauchen eine nachhaltige Politik.

Haben Sie einen konkreten Vorschlag?
Wir müssen davon wegkommen, Öl zu verbrennen und so viel CO2 auszustossen. Alle Hausbesitzer können die Energie selbst herstellen, dahinter steckt ein grosses Potenzial. Als Architekt versuche ich Einfluss zu nehmen, dass auf jedem Hausdach zu 100 Prozent Solarpanels verbaut werden. Ich weiss, dass es sich rechnet und dass die Bauherren mit den Lösungen sehr zufrieden sind, weil der Unterhalt sehr gering ist. Ich hoffe, dass alle Anlagen, welche mit Öl betrieben werden, bald mit alternativen Treibstoffen funktionieren. Ich habe auch einen konkreten Vorschlag für alte Autos. Sie haben innert kürzester Zeit keinen Wert mehr. Mir schwebt vor, alte Diesel- oder Benzinmodelle in der Schweiz auf Elektrizität umzurüsten und somit die Wertschöpfung in der Schweiz zu behalten. Wichtig ist, dass wir die Schweiz als Innovationsland stärken und die Erfindungen ins Ausland exportieren.

Welche Chancen rechnen Sie sich aus, Nationalrat zu werden?
Ich verfolge zwei Ziele. Ich helfe der GLP Stimmen zu sammeln und so einen dritten Sitz zu gewinnen. Ich sehe die Wahl auch als Lernprozess, denn ich bin noch jung und werde noch oft kandidieren können. Ich hoffe auf die Wählerschaft aus der Landwirtschaft, denn eigentlich ist jeder Bauer auch ein Grünliberaler. Er lebt von und mit der Natur und ist somit vom Klimawandel direkt betroffen, was die SVP in ihrem Parteiprogramm überhaupt nicht berücksichtigt.

Ist die Lokalpolitik für Sie künftig ein Thema?
Ich mache mit dem Schür.li schon heute Regionalpolitik, denn wir arbeiten oft mit den Gemeinden zusammen. Ich sehe mich als Oberländer und setze mich deshalb vor allem überregional ein, weil mir diese proaktive Politik liegt. Ich möchte etwas bewegen.


ZUR PERSON

Michael Gehret ist in seiner Geburtsgemeinde Gsteig wohnhaft. Er hat Jahrgang 1977 und ist Vater eines Jungen. Sein Architekturbüro befindet sich in Feutersoey. Er fährt ein älteres VW-Modell, das im Moment eine provokante Holzskulptur trägt. Auf dem Fahrzeug steht «Don’t Fuck the World».


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