«Rotwein ist für alte Knaben eine von den besten Gaben» (Wilhelm Busch, 1832–1908)

  18.10.2019 Region

Die Weinfreunde Gstaad-Saanenland degustierten am 14. September im Restaurant Chesery in Gstaad Weine aus Rumänien.

Wenn wir heute über Weine sprechen, reden wir sicher nicht von Rumänien. Das Land ist allerdings schon ein beträchtlicher Weinstaat. Die Rebfläche macht bereits einen Fünftel von Europa aus. Bei einem Feinschmecker ist das Produkt aus Rumänien nicht mal mehr ein Geheimtipp, d.h. der Wein wird anerkannt und sehr geachtet.

Am Schwarzen Meer schaut man auf eine über 6000-jährige Weingeschichte zurück. Rumänien gehört zu den überlieferten Weinanbaugebieten Europas. Man beschäftigte sich viel mit Weinhandel. Im 12. Jahrhundert waren es die Sachsen, Einwanderer aus Deutschland, welche den Weinbau im Lande von Dracula, Transsilvanien, gestalteten und ausbauten. Im 18. Jahrhundert waren es die Banater, Deutsch sprechende Österreicher (Kaiserin Maria Theresia), welche die Tradition des Weinherstellens erweiterten. 1948 waren die Weingüter praktisch alle verstaatlicht. Heute sind nur noch ca. 20 % im Besitz des Staates.

Rumänien befindet sich in einer gemässigten Klimazone, der Breitengrad ist wie in Frankreich, was heisst, dass die Klimabedingungen ausgezeichnet für den Weinbau geeignet sind. Das Land ist aufgeteilt in verschiedene Weinbaugebiete: die Moldova, die Walachei (Muntenia, Bezau, Oeteria), Transsilvanien (Siebenbürgen), Dobrogea, Banat und Oltenia.

In Transsilvanien gibt es mehrheitlich Weissweine, mild und fruchtig. Rumänien besitzt viele autochthone Rebsorten, welche in den vergangenen Jahren wiederentdeckt wurden. Diese nennen sich unter anderem Mustoasa de Maderat, Feteasca, Grasa Cotnari oder Tamaicasa Romaneasca. Die Weine haben ein saftiges und volles Bouquet (Blume). Mit grosser Anerkennung werden auch Chardonnay, Riesling und Cabernet Sauvignon kultiviert. Rumänien gehört seit 2007 der Europäischen Union an. Die Gesetze wurden angepasst. Zurzeit gibt es hier genau drei Qualitätsmerkmale, d.h. Vin de Masa (Tafelwein), Vin cu Indicatia Geografica (IGP) und Denumine de Origine Controlata (DOC). Deutschland importiert bereits bis zu 60 % des rumänischen Weines. Rumänien wird noch lange warten müssen, um den historisch interessanten Wert der Vergangenheit (wichtigstes Weinland von Osteuropa) wieder einnehmen zu können

Der letzte Jahrgang war sehr gut. Dies begeistert die vielen Weinfreunde aus der weiten Welt. Am Markt entstehen viele neue (alte) Weingüter mit ausserordentlich guten Weinen. Rumänien besitzt heute fast 200’000 ha Rebland und hat mit 84 verschiedenen Sorten ausserordentliche Entwicklungsmöglichkeiten. Dieses Land und seine Weine muss man für die Zukunft stark beachten.

Letzte Degustation bei Robert Speth
Die vergangene Weindegustation war die letzte mit Robert Speth in der Chesery. Die Weinfreunde ehrten seine Frau Susanne und ihn selbst mit einem kleinen Geschenk und dankten den beiden für das grosse Vertrauen, das sie uns entgegengebracht haben. Seit über zehn Jahren durften wir in der Chesery Degustationsabende durchführen – jedes Mal mit durchschlagendem Erfolg. Dies war nun leider das letzte Mal.

Deshalb darf eine kurze Beschreibung zu Robert Speths Person heute wirklich nicht fehlen … Geboren 1956 in Ravensburg (Deutschland), Konditor/ Konfiseur-Lehre sowie Kochlehre mit Meisterprüfung. Ab 1979 verschiedene Stationen, u.a. bei Louis Othier, im Restaurant L’Oasis, in La Napoule, Frankreich, bei Heinz Winkler im Restaurant Tantris in München und im Steigenberger Gourmet-Party-Service sowie im Frankfurter Hof in Frankfurt. Seit 1984 Restaurant Chesery in Gstaad, ab 1989 selbständig. Catering und Party-Service, seit 1991 in der Sommersaison zusätzlich Restaurant Golfclub Gstaad-Saanenland. Seit 1998 ein Michelin-Stern, 2001 «Aufsteiger des Jahres» und 2005 «Koch des Jahres» von Gault Millau.

Insgesamt 23 Mitglieder waren an diesem Degustationsabend anwesend, wie immer äusserst sympathisch empfangen vom entzückenden Hausherrn. Alin Luta, der Sommelier der Chesery, stammt aus Rumänien und somit kamen wir in den Genuss von etwas wirklich Besonderem. Er reiste extra in sein Heimatland, um für die Weinfreunde eine Degustation durchführen zu können. Er hat bereits im Dorchester in London, im Chedi Andermatt und im Parkhotel Vitznau gearbeitet. Natürlich mit sehr grosser Kenntnis der Materie und der Weine Rumäniens unterrichtete er uns bei der Degustation über die Rebensäfte sowie auch das Menü, welches grösstenteils Spezialitäten aus Rumänien bot, die auch bei uns sehr grossen Anklang fanden.

Perfekter Service und fabelhafte Weine
Vor Beginn der eigentlichen Degustation gab es an der Bar viele kleine (oder grosse) Appetithäppchen, d.h. eigentlich so alles Feine, was die Chesery zu bieten hat. Unter anderem Pikantes Rindertatar, Rauchlachsmousse, Fleischbällchen an süsser Chilisauce, Mini Pizzas und kleine Lauach-Spinat-Käse-Quiches, dazu den Schaumwein Clarus vom Weingut Balla Geza, Paulis, Traubensorte Mustuosa de Maderat, Region Minis-Maderat.

Als ersten Gang servierte die Equipe der Chesery eine Variation von geräuchertem Donaustör, bekannt ist vor allem der Kaviar (z.B. Beluga), aber als Fischgericht ist es eine Delikatesse. Festes, mageres, weisses Fleisch, fettarm, zusammen mit dem Weisswein Avincis, Vila Dobrusa 2018, Traubensorte Cramposia Selectionata, Region Dragasani. Als nächste Speisefolge nun ein Zanderfilet auf geschmortem Kraut – schmeckt nur dezent nach Fisch. Feiner Geschmack, mild, fettarm, wunderbar, schön knusprig. Das passt sehr gut zum nächsten Weisswein, dem Crama Oprisor, Rusalca Alba, Region Olteniei, Jahrgang 2017. Als nächstes Gericht jetzt Pilzravioli auf Peperonisauce. Feiner, erdiger Geschmack, würzig, wohlschmeckend, lecker. Der dazu getrunkene Rotwein: ein Prince Stirbey, Novac, Region Dragasani, Jahrgang 2016. Das «pièce de résistance» war ein Hirschrücken und Ragout mit wilden Preiselbeeren. Sehr dunkles Fleisch, kräftiger Geschmack, wild, zart und saftig. Gepaart mit dem Rotwein Castel Vladoianu, Cotnari, Region Moldau, aus dem Jahr 2015. Zum Dessert gab es Rosenküchlein mit wilden Heidelbeeren. Schmeckten herrlich, mit Blätterteig, Äpfeln und Aprikosenkonfitüre. Passender Wein: ein Liliac & Kracher, Lechinta/Batos, Region Transsylvanien, Eiswein aus Pinot Gris, Neuburgunder und Muscat Ottonel, Jahrgang 2016.

Nach dem herausragenden Menü folgte das Dankeschön an Susanne und Robert Speth, Alin Luta und alle Mitwirkenden der Chesery. Die Weinfreunde erlebten zum x-ten Mal einen Höhepunkt. Das Dinner war eine Bravourleistung, der Service perfekt und sämtliche Weine kamen beim Publikum fabelhaft an. Die Stimmung im Restaurant war ausgezeichnet, die Atmosphäre berauschend. Das Lokal ist einfach heimelig und strömt von sich aus bereits gute Laune aus.

HANS LIECHTI

Beschreibung der degustierten Weine: 
Clarus, Weingut Balla Geza, Paulis, Crisana, Spumante Brut
. Gegründet 1999, Schaumwein, traditionelle Methode, Traubensorte, 100 % Mustoasa de Maderat. Tausendjährige Tradition, einer der ältesten, bekanntesten Weinberge in Rumänien, Region Minis-Maderat, Kreis Arad. Frisch, fruchtig, elegant, belebend, schmeckt nach Pfirsich, Ananas und Mandarine, sehr feine Perlage. Einzigartiger, unvergesslicher Wein, ist dem Champagner ebenbürtig. Alkoholgehalt 13 %, Preis Fr. 18.–.
Avincis, Vila Dobrusa, Cristina und Valeriu Stoica, Dragasani, 2018. Weisswein, trocken, Traubensorte 100 % Cramposia Selectionata. Seltene Rebsorte, Region Dragasani. Einzigartiger Wein von fruchtiger Frische, leicht pikanter Spitzenwein, lebendige Säure, Bouquet nach günen Äpfeln und Birnen, Aromen von Zitronen, Limetten und Nüssen, Duft von geschnittenem Gras, Salbei, Mirabellen. Charakterwein, Genusserlerbnis. Alkoholgehalt 14 %, Preis Fr. 18.–.
Rusalca Alba, Weingut Crama Oprisor, Carl Reh, Dealurile Olteniei, 2017. Weisswein, Cuvée/Assemblage, Traubensorten Chardonnay, Sauvignon blanc, Pinot Gris, Riesling. Aromen von Melone, Mango, Bananen, rauchig, alkoholreich, würzig, gehaltvoll, sehr erfrischend, langer Abgang, schmeckt nach Zitronen und Eichenholz, angenehm scharf (pikant). Rusalca ist eine mythologische Gestalt, der Schrecken der Kinder. Alkoholgehalt 13 %, Preis Fr. 21.–.
Novac, Prince Stirbey, Baronin Ileana Kripp-Costinescu, Dragasani, 2016. Rotwein, Traubensorte Negru de Dragasani, über 200 Jahre altes Weingut. Dieser Wein wurde im Orient-Express den Reisenden gereicht. Nicht im Holzfass gelagert, direkt in Flaschen abgefüllt. Sehr frischer Eindruck, intensiv, Aromen von schwarzen Kirschen, Pflaumen, Pfeffer, Bitterschokolade, schmeckt nach Zimt, jung, fröhlich, ein Wein zum Verlieben. Alkoholgehalt 13.50 %, Preis Fr. 20.–.
Castel Vladoianu, Limited Edition, Casa de Vinuri, Cotnari, 2015. Region Moldau, Rotwein. Aushängeschild rumänischer Weinkultur, Traubensorte 100 % Feteasca Neagra (autochthon). Rubinrot, edler Wein, zart, samtig, Aromen von Brombeeren, Heidelbeeren und Johannisbeeren, Noten von Tabak, grünem Pfeffer und Nelken. Die Weinberge liegen auf gleichem Breitengrad wie der Champagner/Frankreich und der Tokajer/Ungarn. Alkoholgehalt 13.60 %, Preis Fr. 23.–.
Liliac & Kracher, Transylvanian Ice Wine, Lechinta, Batos, 2016. Weisswein, Eiswein, Traubensorten Pinot Gris, Neuburger (autochthone österreichische Rebsorte), Muscat Ottonel. Eiswein mit Weltruf, Kellermeister Rudolf Krizan. Helles Goldgelb, in der Nase feine Wiesenkräuter, Nuancen von Steinobst und Lychees, frisch, lebendig, Aromen von Ananas, Honig im Abgang, kräftig. Gebiet ist bei uns als «Siebenbürgen» bekannt. Alkoholgehalt 10.50 %, Preis Fr. 33.50.


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