Erich von Siebenthal mit Glanzresultat

  22.10.2019 Saanenland

Der Kanton Bern ist im Nationalrat mit 24 Mandaten vertreten. Wahlsieger sind die Grünen und die Grünliberalen, Sitze verloren haben die SVP und die SP. Nationalrat Erich von Siebenthal wurde im mit dem fünftbesten Resultat wiedergewählt.

ANITA MOSER
Musste man vor vier Jahren bis fast um Mitternacht warten, bis die Resultate aus Bern vorlagen, standen sie am Sonntag bereits vor 21 Uhr fest. Mit 102’660 Stimmen wurde der Gstaader SVP-Nationalrat wie vor vier Jahren mit dem fünftbesten Resultat wiedergewählt. Er sei dankbar über das gute Resultat, er habe auf die Wiederwahl gehofft, damit rechnen können habe man aufgrund der Prognosen aber nicht unbedingt, sagte er am Abend im «Landhaus» in Saanen, wo ein paar Parteifreunde und überparteiliche Unterstützer die Wiederwahl feierten.

Offener Ausgang
«Wahlen sind Wahlen», sagte Erich von Siebenthal auf die Frage, ob er um die Wiederwahl gebangt habe. «Man hat nicht gewusst, welchen Einfluss die Klimathematik auf die SVP hat.» Zudem habe der Kanton aufgrund der Bevölkerungszahl nur noch 24 Mandate (–1) im Nationalrat und als es im Laufe des Tages immer offensichtlicher geworden sei, dass die SVP Bern Wähleranteile verlieren werde, habe er sich keinesfalls sicher sein können.

Er sei deshalb unglaublich dankbar für das gute Resultat, betonte Erich von Siebenthal. Vor allem freue er sich auch über die über 31\\'000 Stimmen aus dem Wahlkreis Bern-Mittelland. Ohne diese Unterstützung hätte er keine Chance gehabt, auch nicht ohne die Unterstützung im Verwaltungskreis Obersimmental-Saanen. Den Wahlsieg führt er vor allem auf sein grosses und überparteiliches Netzwerk zurück. Sehr viele Leute im ganzen Kanton hätten ihn unterstützt. «Leute, die gemerkt haben, dass auch eine einzelne Person in Bern etwas erreichen, etwas bewegen kann.» Ohne die Unterstützung seiner Familie, seiner Frau könnte er sein Amt nicht ausüben, betonte von Siebenthal. Im Vorfeld hätten sie sich schon Gedanken über die Zukunft gemacht, wenn er nicht wiedergewählt worden wäre. «Wir hätten sicher einen Weg für uns gefunden», schmunzelte er. Und Kraft schöpft von Siebenthal auch aus seinem Glauben. «Von Gott bekommen wir die nötige Kraft, die Herausforderungen anzupacken.»

Kein Polteri
Die Verhältnisse in Bern haben sich geändert, die Politik wird grüner. Erich von Siebenthal bleibt gelassen. Er habe die letzten zwölf Jahre auf überparteiliche Zusammenarbeit gesetzt und werde nun alles daransetzen, «dass ich in der Sache auch mit ihnen zusammenarbeiten kann – da, wo man sich findet.» Wo die Differenzen zu gross seien, werde er die Kolleginnen und Kollegen nicht attackieren. «Diese Strategie hat sich bis jetzt bewährt.» Allen könne man es nicht recht machen, konstatiert von Siebenthal.

In der Klimapolitik hebt er sich von seiner Mutterpartei ab. So ist er beispielsweise gegen Atomkraftwerke und für den Verzicht auf Heizöl. Sein Beitrag zur Klimapolitik: «Ich will bezahlbare Wertschöpfung in der Region fördern.» Wichtig sind Erich von Siebenthal unter anderem die Landwirtschaft, die Berglandwirtschaft und die Holzwirtschaft, der Tourismus, das Gewerbe, das Gesundheitswesen und die Sicherheit. Dieser Kernthemen und weiterer Herausforderungen werde er sich auch in den nächsten vier Jahren annehmen.

Eine Glanzleistung
Eine Wiederwahl sei keineswegs selbstverständlich, betonte auch Emil Trachsel, Sektionspräsident der SVP Saanen. Landauf landab hätten viele prominente Politiker die Wiederwahl verpasst. Und jene, die nicht mehr antraten, seien am letzten Sessionstag offiziell und würdig verabschiedet worden. «Mir wurde plötzlich bewusst, dass Erich eine solche Abschiedsfeier verpassen würde, wenn er nicht wiedergewählt würde … », meinte Trachsel mit einem Augenzwinkern.

Dass einer aus einer Randregion, ein Bergbauer, der sein Geld in der Landwirtschaft verdiene, der arbeite, chrampfe und zusätzlich das Amt in Bern ausübe, fast 102’000 Stimmen hole, sei eine Glanzleistung. «Die ganz prominenten Politiker haben nur unwesentlich mehr Stimmen gemacht.»

Man halte sich oft zu wenig vor Augen, was es brauche für einen Sitz in der grossen Kammer. «Diese Stimmen kannst du nicht in den letzten zwei Monaten holen.» Es brauche eine seriöse Arbeit. Die Leute müssten merken: «Auf diesen Nationalrat ist Verlass. Was er sagt, macht er auch. Was er anpackt zieht er durch», sagte Trachsel. «Er ist nicht einer, der eine Tanne fällt und sie liegen lässt.» Und die gut 31’000 Stimmen aus dem Wahlkreis Bern-Mittelland seien der Beweis, dass er auch in städtischen Gebieten wählbar sei. «Auch sie fühlen sich durch ihn vertreten, ernst genommen. Das hat zu seinem Wahlerfolg geführt.» Er wünsche ihm und seiner Familie die nötige Gesundheit und Motivation für vier weitere Jahre in Bern.

Enttäuscht über Wahlbeteiligung
Die Grünen und die glp haben in Bern Sitze dazugewonnen. Die SP und die SVP haben je vier Sitze verloren. «Wir Bürgerlichen ziehen uns je länger je mehr zurück, wir gehen nicht mehr wählen, das ist eine Tatsache», betonte Trachsel. Er zeigte sich enttäuscht, dass man im Obersimmental-Saanenland nicht mehr Wählerinnen und Wähler mobilisieren konnte (Anm. der Redaktion: Erich von Siebenthal hat im Wahlkreis Obersimmental-Saanen über 1100 Stimmen weniger geholt als vor vier Jahren). «Das ist enttäuschend, ist aber so. Es geht uns offenbar furchtbar gut.»

Er wolle nicht schwarzmalen, das sei nicht seine Art. «Aber in den nächsten vier Jahren wird eine gewaltige Ladung an neuen Vorschriften auf uns zukommen», prophezeite Trachsel. «Umso wichtiger ist, dass wir mit Erich von Siebenthal weiterhin einen Bergbauern in Bern haben.»

Und in vier Jahren?
Erich von Siebenthal sei wählbar in der ganze Region und über die Parteien hinweg, betonte auch Matthias Brunner, Mitglied des überparteilichen Unterstützungskomitees. «Heute freuen wir uns und feiern, aber wir müssen auch vorausschauen», so Brunner. In vier Jahren sehe die Situation anders aus. «Jetzt haben wir einen Türöffner in der Region gehabt, in vier Jahren ist er nicht mehr da.» Die Region sei wohl noch mit Hans Schär und Anne Speiser im Grossen Rat vertreten. «Damit die Region auch auf nationaler Ebene weiterhin vertreten ist, müssen wir geschlossener für das Oberland einstehen», so Brunner.

Gut 4200 Stimmen für Michael Gehret
Michi Gehret aus Feutersoey stieg für die glp ins Rennen. Er erzielte mit 4282 ein beachtliches Resultat, schafft es damit bei den Grünliberalen auf den 7. Rang. Es gehe ihm tipptopp, er danke für jede einzelne Stimme, meinte er auf telefonische Anfrage. Und fügte scherzhaft hinzu, dass er das Köfferli wieder ausgepackt habe …

Am Sonntag war er in Bern, hat das Ganze auf einem grossen Bildschirm mitverfolgt. Er freue sich über den Sitzgewinn seiner Partei. «Wir haben fast schon ein wenig naiv auf einen zusätzlichen Sitz gehofft.» Es sei spannend gewesen, die beiden glp-Kandidaten hätten sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert. Gewählt wurde schliesslich Melanie Mettler. Auch seine erhaltenen Stimmen hätten zum Wahlerfolg der glp beigetragen, so Gehret. «Jeder macht seinen Schritt. Er freue sich auch über das schweizweit gute Abschneiden seiner Partei und vor allem über den Sitz im Kanton Waadt und in der Stadt Genf.

Die wenig besiedelten Flächen – wie das Saanenland – seien in Bern noch zu wenig vertreten, betonte Gehret. «Ob Stadt oder Land – das ist eine ganz andere Welt.» Deshalb sei man froh um Jürg Grossen, der einen Teil seiner Kindheit hier verbracht habe und der die Situation kenne.

«Ich bin natürlich auch sehr froh, dass Erich von Siebenthal die Wiederwahl geschafft hat», betonte Gehret. Dass er in Sachen Klimapolitik nicht ganz auf der SVP-Linie politisiere, habe ihn parteiübergreifend wählbar gemacht. «Auf der anderen Seite muss die SVP auch lernen, damit umzugehen, das Thema nicht mehr zu verleugnen, sondern sich dem Klimawandel auseinanderzusetzen.» Mit Blick auf die neue Zusammensetzung des Parlamentes sei auch klar, dass den Worten Taten folgen müssten. Jeder Einzelne und auch als Partei sei man gefordert, gute Ideen zu bringen. Wichtig sei, die SVP-Wähler zu überzeugen, dass eine nachhaltige Landwirtschaft auch für sie besser sei. «Man muss die Landwirtschaft wieder mehr der Natur anpassen und ich hoffe schwer, dass ein paar Landwirte von sich selber einsehen, dass Weiterwachsen nichts nützt.» Michi Gehret votiert dafür, die Landwirtschaft zu öffnen, «dass ein Städter ein Jahr Landwirt ist – das würde vielleicht auch helfen.» Und darauf angesprochen, dass Erich von Siebenthal in vier Jahren wegen Amtszeitbeschränkung nicht mehr antreten kann, meint Gehret: «In vier Jahren probieren wir wieder» und fügt lachen hinzu: «Dä näme mer de …»

Durchschnittliche Stimmbeteiligung
Die Wahlbeteiligung lag schweizweit bei nur gut 45 Prozent. Im Kanton Bern bei 47,4 Prozent und im Wahlkreis Obersimmental-Saanen bei immerhin 50,7 Prozent (54,75 vor vier Jahren).

Wahlsieg der Grünen und Grünliberalen
Die Grünen haben am Sonntag einen historischen Wahlsieg feiern können. Neu kommen sie im Nationalrat auf 28 Sitze (+17). Zu den Wahlsiegern gehören auch die Grünliberalen. Sie sind neu mit 16 Sitzen vertreten (+9). Sitze verloren haben die SVP (–12) und die SP und die FDP (je –4). Wählerstärkste Partei bleibt die SVP mit 53 Sitzen vor der SP mit 39 Sitzen und der FDP mit 29 Sitzen. Die CVP liegt mit 25 Mandaten (–3) hinter den Grünen. Die BDP hat mit 3 Sitzen (–4) ihre Fraktionsstärke verloren. Sie hat nun gleichviel Sitze wie die EVP (+1).

Im Kanton Bern hat die SVP noch 7 Sitze (–2), die SP 4 (–2), die Grünen 4 (+2). Die glp hat 3 Sitze (+1), die FDP verteidigt ihre zwei Sitze, die BDP ist mit 2 Sitzen vertreten (–1), die EVP behält ihren Sitz und die EDU ist neu mit einem Sitz vertreten.

Mehr Frauen im Bundeshaus
Erste Analysen der Wahlergebnisse zeigen: Der Frauenanteil im Nationalrat steigt auf 42 Prozent. Die Frauen legen markant zu. Yvonne Schärli, Präsidentin der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen, hält fest: «Heute haben auch die Frauen gewonnen. Endlich sind sie in der Schweizer Politik besser vertreten.»

Wahlergebnisse im Kanton Bern uner https:// www.sta.be.ch/


STÄNDERATSWAHLEN

Bei der Ständeratswahl im Kanton Bern hat keine der kandidierenden Personen das absolute Mehr erreicht. Deshalb findet am Sonntag, 17. November 2019 ein zweiter Wahlgang statt.
Im ersten Wahlgang am meisten Stimmen geholt hat Hans Stöckli (SP), vor Regula Rytz (Grüne) und Werner Salzmann (SVP).

 


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