Absagen von Reisegruppen aus China

  31.01.2020 Region

Die Auswirkungen des Coronavirus 2019-nCoV, das zurzeit die Welt in Atem hält, haben auch das Saanenland erreicht. Es werden mehr Atemschutzmasken gekauft als im Vorjahr und Gäste aus China annullieren ihre Reisen.

KEREM S. MAURER
Um es gleich vorwegzunehmen: Bis am Donnerstagmorgen sind in der Schweiz laut Angaben des Bundesamtes für Gesundheit BAG keine bestätigten Fälle des Coronavirus aufgetreten. «Es hat mehrere Verdachtsfälle gegeben, die bisher alle negativ ausgefallen sind», sagt BAG-Mediensprecher Daniel Dauwalder auf Anfrage und betont, dass das BAG sofort aktiv kommunizieren werde, sollte ein bestätigter Fall auftreten.

Spürbare Verunsicherung
Dennoch sind gewisse Auswirkungen der drohenden Pandemie auch im Saanenland spürbar. So seien auf dem Glacier 3000 bereits einige Reisen von Gruppen aus China, darunter auch eine aus Wuhan, annulliert worden, teilt Bernhard Tschannen, Geschäftsführer des Glacier 3000, auf Anfrage mit. Er betont, dass Gäste aus Asien einen erheblichen Teil, nämlich über 30% der Gäste auf dem Gletscher ausmachten. «Wir hoffen, dass die Situation schnell unter Kontrolle kommt. Das Wichtigste ist, dass die Krankheit eingedämmt werden kann», so Tschannen. Auch Marianne Kropf, Geschäftsführerin der Apotheke Dr. Kropf in Gstaad, stellt – wenn auch nur geringfügige – Veränderungen im Verhalten der Kunden fest. Hauptsächlich sei der Absatz von Schutzmasken gestiegen, erklärt sie. Doch nicht im selben Masse wie zum Beispiel in Interlaken. Vergleiche man die Menge der verkauften Schutzmasken mit dem Januar im Vorjahr, sei die Zunahme etwa 50%. «Nicht wirklich viel mehr, als bei einer normalen Grippewelle auch», relativiert die Apothekerin. Es sei eine gewisse Verunsicherung in der Bevölkerung zu spüren, aber «es ist wichtig, dass man sich informiert und realistisch bleibt im Bezug auf seine persönliche Situation.»

«Höchstens marginale Einbussen»
Flurin Riedi, Geschäftsführer von Gstaad Saanenland Tourismus (GST), hingegen will noch keine direkten Auswirkungen einer möglichen Pandemie im Saanenland ausmachen. «Da wir bis anhin noch nicht sehr hohe Zahlen an Logiernächten aus China verzeichnen, erwarten wir aktuell keine grösseren Einbussen», so Riedi. Aber er räumt ein, dass es durchaus einzelne Leistungsträger härter treffen könne. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei es allerdings schwer abzuschätzen, wie sich eine andauernde Situation langfristig auf den Schweizer Tourismus auswirken würde. Flurin Riedi fügt an, dass der Winter nicht zu den beliebtesten Reisezeiten der Chinesen zähle. Diese sei von Mai bis Oktober.

«Keine Sondermassnahmen nötig»
Wie bereitet sich die Destination vor, werden Massnahmen getroffen? Laut Riedi müssen im Moment keine Sondermassnahmen getroffen werden. Sollte sich die Situation zuspitzen, würden zusammen mit dem Regionalen Führungsorgan RFO entsprechende Massnahmen eingeleitet. Der Tourismuschef betont: «Der Lead in Krisensituationen ist in unserer Region mit dem RFO bestens organisiert.»

Hygienemassnahmen einhalten
Im Spital Zweisimmen habe es bislang weder Menschen gegeben, die mit dem Virus in irgendeiner Weise in Kontakt gekommen sind, noch solche, die sich vor einer Infektion fürchten, teilt Spitalleiterin Martina Gläsel auf Anfrage mit. Wenn jemand befürchtet, sich mit dem Virus infiziert zu haben, rät sie, sich an den Hausarzt zu wenden und diesem die Symptome (siehe Kasten), die denen einer gewöhnlichen Grippe ähneln, zu schildern. Der Hausarzt oder die Hausärztin wisse dann, was zu tun sei. Im Bedarfsfall werde eine Probe entnommen und ins Referenzzentrum nach Genf geschickt, wo Tests auf das Coronavirus durchgeführt werden. Man sei im Umgang mit Patienten genau so vorsichtig wie damals bei SARS. Bei Verdachtsfällen werden im Spital die üblichen Schutzmassnahmen getroffen: Isolation des Patienten, Schutzkleidung beim Personal wie Schutzkittel, Atemmaske und Handschuhe. Ganz allgemein soll jeder und jede darauf achten, dass die üblichen Hygiene- und Schutzmassnahmen eingehalten werden, wie sie bei übertragbaren Krankheiten wie Grippe- oder Norovirus üblich seien, mahnt Martina Gläsel. Also regelmässiges und gründliches Händewaschen, bei Kontakt mit Erkrankten Atemschutzmasken tragen und möglichst Menschenansammlungen meiden. So könne eine etwaige Verbreitung des Coronavirus eingedämmt beziehungsweise verhindert werden.

Die Behörden und das Gesundheitswesen sind auf ein Auftreten des Krankheitserregers vorberietet, wie die Kanzlei des Kantons Bern mitteilt. Wer sich schützen will, befolgt die Empfehlungen und Anweisungen auf der Webseite des BAG: www.be.ch.


WAS IST DAS CORONAVIRUS?

2019-nCoV ist ein neuartiges Coronavirus, welches Ende 2019 in China entdeckt wurde. Eine aussergewöhnliche Häufung von Lungenentzündungen in der zentralchinesischen Stadt Wuhan hat zur Entdeckung dieses Virus geführt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet das neuartige Virus vorderhand mit 2019-nCov (für 2019-novel Coronavirus). Das Virus gehört zur selben Familie wie die Erreger von MERS und SARS.
Die gegenwärtig zur Verfügung stehende Information lässt den Schluss zu, dass das Virus von Tieren stammt, auf den Menschen übertragen wurde und sich nun auch von Mensch zu Mensch übertragen kann. Im Verdacht steht ein Tierund Fischmarkt in der Stadt Wuhan, der geschlossen wurde. Der direkte Nachweis in Tieren und die Identifizierung der verantwortlichen Tierspezies stehen noch aus. Bereits 2002 nahm die SARS-Epidemie ihren Ursprung auf einem chinesischen Tiermarkt.
Quelle: Bundesamt für Gesundheit BAG


WELCHE KRANKHEIT VERURSACHT 2019-NCOV?

Die ersten Symptome sind diffus und ähneln denen einer saisonalen Grippe. Es treten unspezifische Symptome wie Fieber, Muskelschmerzen und eventuell auch Übelkeit und Durchfall auf, gefolgt von Husten und Kurzatmigkeit. Charakteristisch ist bei schwerer Erkrankung die Entzündung der Lunge. Gegenwärtig scheint es, dass vorwiegend Menschen in der zweiten Lebenshälfte am neuen Virus erkranken.
Am wahrscheinlichsten ist eine Übertragung von Tieren auf Menschen, weil anfänglich nur Menschen am Virus erkrankten, die direkten Kontakt zu Tieren und/oder deren Ausscheidungen hatten. Allerdings lassen neuste Erkenntnisse den Schluss zu, dass 2019-nCoV auch von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Man geht davon aus, dass es einen engen Kontakt zu einer erkrankten Person braucht, damit das Virus sich übertragen kann. Gegenwärtig ist keine Impfung gegen Coronaviren verfügbar. Mehrere Studien zur Entwicklung eines Impfstoffes wurden nach Abklingen der SARS-Epidemie wieder abgebrochen. Es kann nicht abgeschätzt werden, ob und wann ein marktfähiges Produkt zur Verfügung stehen wird.
Quelle: Bundesamt für Gesundheit BAG


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