Chlösterli’s got the Blues

  04.02.2020 Interview, Gstaad

Behäbige Beats, kratzende Stimme und träfe Sprüche: Philipp Fankhauser lieferte am vergangenen Freitagabend im Chlösterli ein perfektes Club-Konzert ab.

BLANCA BURRI
Wildes Parkieren rund ums Chlösterli war am vergangenen Freitagabend angesagt, als Philipp Fankhauser seine Stimme schnurren liess. Wie in alten Zeiten schien das Restaurant aus allen Nähten zu platzen.

In Trance gespielt
Seine vier Musiker und Philipp Fankhauser tauchten ganz und gar in den Blues ein. Sie zogen die Zuhörer mit ins Wehklagen, Preisen, Lachen und Weinen ihrer Geschichten. Doch diese rückten angesichts ihrer Performance an den Instrumenten total in den Hintergrund. Die Gitarren sangen, das Schlagzeug dröhnte und das Keyboard war ausser sich. Fankhausers unverkenntliche schwarze Stimme setzte die Kirsche aufs Sahnehäubchen. Die Soli gingen durch Mark und Bein, sodass sich die Glieder der Menschen am Bühnenrand verselbständigten. Erst wippte «Mann» jungfräulich mit dem Fuss, dann folgte das ganze Bein und schliesslich tanzte der ganzer Körper zu den nie enden wollenden Songs. Ein Ohrenschmaus sondergleichen, der keines Endes bedurft hätte. Leider beendete Fankhauser das Konzert nach zwei genialen Zugaben. Er hinterliess die Zuhörenden mit einem Lächeln auf den Lippen und Glückseligkeit in der Brust.

Kassettli, Vinyl oder CD?
Nächste Weihnachten komme bestimmt, meinte Fankhauser, als er «Please Come Home for Christmas» ankündigte. Nun ja, das Thema passte Ende Januar vielleicht nicht, doch die Sehnsucht, die Familienmitglieder gelegentlich in die Arme zu schliessen, bleibt wohl auch während dem Jahr, nicht nur an den Festtagen. Passender waren Fankhausers Sprüche zum Brexit. Zwei seiner Musiker stammen aus London, weshalb der Bandleader das Konzert unbedingt vor Mitternacht beenden wollte. «Ich habe keine Ahnung, wie die beiden auf den Austritt reagieren werden. Nach Mitternacht kann alles möglich sein», flachste er. Doch die beiden liessen sich Brexit nicht anmerken, vielmehr gaben sie sich total in den nächsten Song «Let Life Flow» (lass das Leben fliessen). Kein Verständnis hatte Philipp Fankhauser für die Gespräche, die viele Zuhörende während dem Konzert auf der Galerie führten. Diplomatisch meinte er, er könne jedes Wort verstehen und witzelte weiter, dass jedes Gespräch per Mikrofon aufgezeichnet beziehungsweise verstärkt werde. Seine Worte wirkten Wunder, es wurde mucksmäuschenstill.

Werbung machte Fankhauser für seine neuste CD «Let Life Flow», die, wie er betonte, käuflich zu erwerben sei. Den etwas in die Jahre gekommenen Begriff «käuflich erwerben» erläuterte er trocken und gab an, dass seine Musik auf diversen Datenträgern zu haben sei: CD, Vinyl oder Kassettli. Natürlich glaubte ihm das Publikum nicht, dass er wirklich Kassetten dabei hatte. Er erbrachte den Gegenbeweis.

Voice of Switzerland ohne Fankhauser
Philipp Fankhauser liess die Konzertbesucher an seinem Schmerz bezüglich The Voice of Switzerland teilhaben. Nachdem er bei den ersten beiden Staffeln 2013 und 2014 als Juror mitgewirkt hatte, findet die aktuelle Staffel ohne ihn statt. «Hätte ich mitgemacht? Nein. Haben sie mich angefragt? Nein.» Er liess aber durchblicken, dass er ein bisschen beleidigt sei, weil er nicht mehr angefragt worden ist. Einen besonderen Bezug nahm er dafür auf Marcel Bach und der Country Night. «Ich war ganz überrascht, dass ich als Blues-Musiker 2015 dazu eingeladen worden bin.» Er zollte Marcel Bach mit einem Countrysong Tribut. Schliesslich stieg er auf die Galerie und gab dort ein markiges Gitarrensolo und verabschiedete sich schliesslich. «Das Chösterli ist ein super Konzertlokal und ihr ward ein wunderbares Publikum.»


«Ja, zum Glück irren Sie sich»

Die Schweizer Blueslegende Philipp Fankhauser erzählt im Interview, welche Musik er hört, wenn er richtig gut drauf ist, und dass er das Chlöserli der wilden Jahre nicht kannte.

BLANCA BURRI

Das Chlösterli war Ende 1970er- und bis in die 1990er-Jahre das Ausgehlokal des Kantons Bern. Kennen Sie es von damals?
Da muss ich Sie leider enttäuschen, ich war noch nie im Chlösterli. Ich freue mich aber sehr, hier zu sein!

Sie beschreiben das Berner Oberland als Inspirationsquelle. War das schon immer so oder erst, nachdem Sie längere Zeit in den USA gelebt und gearbeitet hatten?
So richtig schätzen gelernt habe ich die Schönheit des Berner Oberlandes tatsächlich erst, nachdem ich im Jahr 2000 aus den USA zurückgekommen bin. Es ist ja glücklicherweise nie zu spät.

Welchen Bezug haben Sie zum Saanenland?
Meine Konzertreisen führen mich immer wieder in die Region und jedes Mal sind das ganz tolle Erlebnisse. Ich liebe das Saanenland und seine Menschen.

Blues beschreibt oft die traurige Seite des Lebens. Ich stelle mir das Leben als Bluesmusiker durch die Traurigkeit der Themen etwas deprimierend vor … Irre ich mich?
Ja, zum Glück irren Sie sich – zumindest teilweise. Blues hat unendlich viele Facetten. Von traurig bis himmelhoch jauchzend.Wie der berühmte Bluesmusiker Willie Dixon einst sagte: «The Blues are the true facts of life!»

Welche Musik hören Sie, wenn Sie richtig gut drauf sind? Blues?
Gerne auch Bossa Nova, Soul, Rhythm and Blues. Black Music vor allem. Und ja, Blues.

Werden Sie noch ein paar Tage im Saanenland bleiben um Ski zu fahren oder die Bergluft zu geniessen?
Skifahren habe ich vor zehn Jahren aufgegeben. Ich könnte es mir nicht leisten, mir etwas zu brechen. Dafür habe ich zu viele Auftritte. So auch am nächsten Abend nach dem Chlösterli. Also keine Zeit, um das Saanenland zu geniessen. Aber ich komme bald wieder!

 


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