Wien verbringt den Sommer im Saanenland!

  18.02.2020 Kultur

Letzten Donnerstag stellte das Gstaad Menuhin Festival unter der künstlerischen Leitung von Christoph Müller in Basel sein diesjähriges Programm der Presse vor. Vom 17. Juli bis zum 6. September werden den Liebhabern klassischer Musik über sechzig Konzerte geboten.

ÇETIN KÖKSAL
Christoph Müller präsentierte im Hotel Les Trois Rois den zahlreichen, aus dem deutschen, französischen und englischen Sprachraum angereisten Journalisten, das 64. Menuhin Festival. Die ganze Welt feiert dieses Jahr den 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven und da liegt es nahe, seine Hauptwirkungsstätte gleich mitzufeiern. In Wien entstanden ja nicht nur Beethovens Meisterwerke, dieser musischen Stadt verdanken wir auch Mozarts, Haydns oder Schuberts Erbe – um nur ein paar ganz wenige zu nennen. Die Liste der Komponisten, für welche Wien zur überaus produktiven Heimat wurde, ist sehr lang. Einen Ausschnitt dieses Wirkens werden wir diesen Sommer hier im Saanenland zu hören bekommen. Unter dem Motto «Paris» brachte das Menuhin Festival die Eleganz und feine Subtilität französischer Musik ins Saanenland. Heuer wird «Wien» neben dem Jubilar und kompositorischen Titanen beispielsweise auch Arthur Schönberg, Alban Berg oder Fritz Kreisler huldigen. Das Schwergewicht des diesjährigen Programms ist aber eindeutig das Geburtstagskind – an fast 40 Prozent aller Konzerte wird Beethoven gespielt werden.

Highlights und Debuts
Am Eröffnungskonzert vom 17. Juli wird der RIAS Kammerchor Berlin mit dem Freiburger Barockorchester unter der Leitung von René Jacobs mit Solisten die «Missa solemnis» in der Kirche Saanen vortragen. Wer an diesem Freitag nicht abkömmlich ist, hat seine zweite Chance am nächsten Tag. Das Meisterwerk wird dann noch einmal aufgeführt, um der erwarteten Nachfrage gerecht werden zu können. Anja Kampe und Jonas Kaufmann werden in einer konzertanten Aufführung von Beethovens einziger Oper «Fidelio» die Leonore bzw. den Florestan geben. Der Geiger Renaud Capuçon wird einmal als musikalischer Leiter der International Menuhin Music Academy Gstaad (IMMA) die Menuhin Academy Soloists führen und ein andermal mit dem Kammerorchester Basel das Auftragswerk 2020 des Festivals für Violine und Orchester von Georg Friederich Haas spielen. Andreas Ottensamer fungiert als Artist in Residence und wird unter anderem mit den Wiener Sängerknaben auftreten. Elsa Dreisig wird Arien aus Mozart-Opern singen und einen rauschenden Ausklang wird der Festivalbesucher hoffentlich am letzten Konzert des diesjährigen Festivals erleben. Das Wiener Johann Strauss Orchester wird an dieser Operettengala Walzer, Polkas, Märsche und Ouvertüren von Johann Strauss II, Arien aus Operetten von Suppé, Léhar und anderen zum Besten geben. Avantgardistischer werden die Gastspiele der österreichischen Brassband «Federspiel» wie auch der «Dancefloor Destruction Crew» (DDC) sein. Letztere werden zu Mozarts Musik breakdancen.

Academy und Festival Orchestra
Selbstverständlich finden auch dieses Jahr wiederum die Academies statt. In den Streicher-, Klavier-, Gesangs- und Barock-Academies finden begabte, junge Musiker eine gute Gelegenheit, sich weiterzubilden. Dafür kann eine Million des Gesamtbudgets von 7,5 Mio. Franken aufgewendet werden. Eine besondere Anziehungskraft scheint derzeit die Dirigenten Academy auszustrahlen. Für die zehn bis zwölf zur Verfügung stehenden Meisterkursplätze bewarben sich 350 Kandidaten. Das «Übungsorchester» der angehenden Chefs ist ja bekanntlich das Gstaad Festival Orchestra (GFO), welches letzten Donnerstagabend in der Martinskirche in Basel unter der Leitung von Manfred Honeck im Rahmen der Allgemeinen Musikgesellschaft Basel spielte. Im ersten Teil des Konzerts trugen sie mit dem Solisten Seong-Jin Cho Beethovens fünftes Klavierkonzert vor. Der 26-jährige Pianist fiel durch sein fein differenziertes Spiel und seine eigenständige, aber keineswegs aus dem Rahmen fallende Interpretation auf. Am 15. August wird Cho mit dem GFO unter Jaap van Zweden Rachmaninows zweites Klavierkonzert vortragen, worauf man sich gespannt freuen darf. Im zweiten Teil des Konzerts von letztem Donnerstag spielte das GFO Dvorˇák neunte Sinfonie («Aus der neuen Welt»). Leider überforderten die akustischen Gegebenheiten der Martinskirche den Klang eines grossen Sinfonieorchesters, sodass die Forte-Stellen eine Herausforderung für das Gehör waren. Aufgefallen ist dennoch die grundsätzlich hohe Qualität der Bläser. Jaap van Zweden, der dieses Jahr wiederum die Leitung des Orchesters übernehmen wird, darf sich auf einen guten Klangkörper mit Potenzial freuen. Für den Festivalbesucher wird es spannend sein zu beobachten, was der Maestro daraus formen wird.


VIER FRAGEN AN SEONG-JIN CHO

«Mit dieser unmöglichen Geigerhaltung konnte ich mich nie anfreunden»

Wie gut kennen Sie das Saanenland?
Ich komme diesen Sommer zum dritten Mal nach Gstaad und ich mag besonders die Landschaft, die Ruhe und die Berge, welche mir so nah und trotzdem so fern erscheinen. Leider hatte ich bis jetzt immer nur zwei oder drei Übernachtungen, weil ich dann weiter musste.

Wenn Sie nicht gerade auf Tournee sind, wohnen Sie seit 2017 in Berlin. Wie empfinden Sie das Leben in Europa im Vergleich zu Südkorea, wo Sie aufgewachsen sind?
Besonders in Berlin als ruhig und gelassen. Als ich mit 18 Jahren zum Studieren nach Paris kam, konnte ich kaum glauben, wie langsam mir alles vorkam. In Südkorea geht man schneller durch die Strassen, isst schneller, spricht schneller, kurz, alles ist schneller. Dieses – für mein Empfinden – geruhsame Europa habe ich sehr zu schätzen gelernt. In Berlin hole ich mir nach anstrengenden Reisen wieder Energie.

Wollten Sie immer schon Klavier spielen?
Nein, zuerst spielte ich ein paar Jahre Geige. Dann merkte ich eines Tages, wie mir das Klavier einfach mehr lag. Und mit dieser unmöglichen Geigerhaltung konnte ich mich nie anfreunden (schmunzelnd parodiert er diese Verdrehung von linkem Arm und linker Hand).

Wir alle feiern dieses Jahr den 250. Geburtstag von Beethoven. Hat seine Musik eine spezielle Bedeutung für Sie?
Ja, auf jeden Fall, ich mochte seine Musik immer schon und nicht nur diejenige für Klavier. Gerade auch zu den sinfonischen Werken habe ich eine besondere Beziehung. Beethoven war einfach sehr fortschrittlich und ungewöhnlich für seine Zeit.

 

 


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