Die bewegte Geschichte des «Bodäbnetsees» und der Hotel Pension Ebnit

  07.04.2020 Region

Das Hotel Bellerive in Gstaad hat eine geschichtsträchtige Vergangenheit. Gebaut als Pension, wurde es dank einem zufällig entstandenen Seelein 1903 zum Seehotel Bellerive. Der See wurde später zugeschüttet und heute steht dort ein Campingplatz. Mit Gottfried von Siebenthal-Imhof schauen wir zurück auf die bewegte Vergangenheit.

REDAKTION AVS

Zwischen Gstaad und Saanen im «Äbnitbode» liess Anton Smetana aus Böhmen, Coiffeur in Gstaad, anno 1906 die Hotel Pension Ebnit bauen. Er hatte grosse Pläne und kaufte deshalb zwei Jahre später noch 1800 m2 Land dazu, um die «grösste Eisbahn des Kontinents» zu erstellen. Eislauf oder «Schlittschuene» waren damals gefragte Sportarten. Es gab in Gstaad in der Anfangszeit des Tourismus fünf Eisbahnen!

Nebst der Eisbahn plante Smetana ebenfalls eine «Badeanstalt» zu erstellen. Aber er hatte sich wohl etwas zu viel zugemutet, denn bereits 1909 geriet er in finanzielle Schwierigkeiten und sah sich so gezwungen, das Hotel an seine Geldgeber Würsten und Mösching abzutreten.

In der Folge kaufte Adolf Boss-Böhlen der Hotel Pension Ebnit. Adolf Boss, ein gebürtiger Grindelwaldner, kam als Koch ins damalige Hotel Bahnhof (später Hotel Bernerhof) und lernte hier die Tochter des Dorfbäckers David Böhlen-Grundisch kennen. Die Bäckerei stand am Ende des Dorfes vor der Lauibachbrücke. Nach der Heirat liess Adolf Boss-Böhlen zusammen mit seinem Bruder das Hotel Bellevue beim Stockbrunnen in Gstaad erbauen. Nach den harten Jahren des Ersten Weltkrieges sah sich Familie Boss gezwungen, das 1911/12 erbaute Hotel Bellevue zu verkaufen. Sie hoffte wohl, mit der kleineren Pension Bellerive im Ebnit wieder Fuss fassen zu können.

Von der Pension zum Seehotel
Das Hotel wurde in Hotel Bellerive und später in «Seehotel Bellerive» umbenannt, denn der kleine See, genannt «Bodäbnetsee», sollte sich bald einmal als grosser Anziehungspunkt erweisen. Ruderbootsfahrten wurden angeboten. Dieses Seeli war 1903 beim Bau des Eisenbahndamms zwischen Gstaad und dem Ebnit entstanden. Dort wurde·Bachbollenmaterial ausgegraben, welches für den Bahndamm verwendet wurde. Bald einmal füllte sich das riesige Loch mit Wasser aus der nebenan fliessenden Saane. So entstand dieser See, eigentlich unbeabsichtigt.

Im Winter fror das Seeli jeweils zu, und so bot sich der Jugend aus Gstaad und Saanen eine wunderbare Natureisbahn, Nachdem sich Familie Boss aus dem Hotelberuf zurückgezogen hatte, wurde die Bäckerei Böhlen vom Vater und Schwiegervater übernommen, um sie danach als Bäckerei Boss weiterzuführen.

Mit Kehricht aufgefüllt
In den Krisenjahren mussten das Hotel und das Seeli von der Gemeinde übernommen werden, weil sich sonst niemand für den zusehends veralteten Betrieb interessierte. 1936 kaufte ein Herr Otto Muster das Hotel von der Gemeinde für 53’000 Franken. Er konnte die Besitzung jedoch nicht bezahlen und so ging das Seehotel Bellerive erneut an die Gemeinde zurück. Diese fand 1942 mit Frau Röthlisberger eine Käuferin, allerdings nur für 35’000 Franken, denn das Seeli blieb aus Kostengründen im Besitz der Gemeinde.

1952 organisierte der Verkehrsverein Gstaad die Kehrichtabfuhr für das Dorf Gstaad, weil die Gäste sich mehr und mehr geärgert und reklamiert hatten, da überall Kehricht deponiert wurde. Vor allem in den Bächen, aber auch in den Wäldern. Die Gemeinde sah sich dann gezwungen, die Kehrichtbeseitigung zu übernehmen und zu organisieren. Doch wohin mit dem Kehricht? Jemand hatte die «Glanzidee», den brachliegenden «Bodäbnetsee» damit zu füllen, da er ja ohnehin im Gemeindebesitz war.

Nach wenigen Jahren war der See aufgefüllt, und über den aufgefüllten See deponierte man Aushubmaterial. Jahre später kaufte ein Herr Weibel das Areal von der Gemeinde, um darauf einen Campingplatz zu erstellen. Nach und nach entstanden dort kleine Ferienhäuschen, bis das ganze Areal überbaut und verkauft war.

Vom Hotel zum Töchterninstitut
Das ehemalige Hotel Ebnit wurde 1958 an das Töchterninstitut «Le Mesnil» verkauft. Ein Pensionat für Schülerinnen, denn das Institut «Le Rosey» nahm damals noch keine Mädchen im Schulbetrieb auf. Prinzessin Annemarie von Dänemark, die spätere Königin von Griechenland, besuchte Anfang der 1960er-Jahre dieses Institut im Bellerive. Allem Anschein nach gefiel es ihr dort und in Gstaad gut, denn die Königsfamilie besucht Gstaad immer noch regelmässig. Dies ist ein weiterer Beweis, wie wichtig Privatschulen für das Saanenland sind!

Heute ein Dreisternhotel
Nachdem das «Le Mesnil» aufgelöst worden war, wurde das Haus abermals verkauft und erneut als Dreisternhotel eröffnet. 2003 fiel das veraltete Haus einer Feuersbrunst zum Opfer. Die heutige Besitzerfamilie Samuel Bach liess sich nicht entmutigen und erbaute anstelle des geschichtsträchtigen Hauses das heutige Hotel Bellerive, welches 2006 eröffnet wurde, genau 100 Jahre nach dem Bau der alten Hotel Pension Ebnit.
TEXT UND FOTOS VON GOTTFRIED VON SIEBENTHAL-IMHOF
AUS DEM BUCH «GSTAAD – DER WEG ZUM WELTKURORT»


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