Energierichtplan: Sonne hat Potenzial

  07.04.2020 Saanen

Ziel des kommunalen Richtplans Energie (RPE) Saanen ist es, die Wärmeversorgung, die Elektrizitätsproduktion und die Raumplanung räumlich zu koordinieren und aufeinander abzustimmen. Damit erfüllt Saanen das kantonale Energiegesetz (KEnG), welches die rund 30 grössten Gemeinden des Kantons zum Erlass eines solchen Planes verpflichtet. Das Mitwirkungsverfahren läuft noch bis am 14. April.

KEREM S. MAURER
Im Energierichtplan werden die Energieversorgung und -nutzung aller Gebäude und Anlagen der Gemeinde behandelt und Leitplanken für die künftige Deckung des Wärmebedarfs gesetzt. Der dreiteilige Plan besteht aus:
– der Richtplankarte, welche die getroffenen Massnahmen in ihrem räumlichen Zusammenhang darstellt
– Massnahmenblättern, welche die grundlegenden Angaben für die Umsetzung des Richtplans enthalten
– dem Erläuterungsbericht mit wichtigen Informationen wie die übergeordneten kommunalen Rahmenbedingungen und der Analyse der gegenwärtigen sowie die Ziele und Grundsätze der künftigen Energieversorgung
Da der Richtplan behördenverbindlich ist, sind die Behörden verpflichtet, die darin getroffenen Massnahmen zu berücksichtigen respektive umzusetzen. Mit dem Energierichtplan soll eine ressourcenschonende, umweltverträgliche Energieversorgung gefördert sowie der Verbrauch von fossilen Brennstoffen und der damit verbundene Ausstoss an Treibhausgasen reduziert werden. Das Pariser Klimaabkommen 2015, die Energiepolitik des Bundes mit der Energiestrategie 2050, die Energiepolitik des Kantons und jene der Gemeinde bilden die Vorgaben für den Richtplan. Wobei die Gemeinde Saanen zurzeit weder über ein Energieleitbild verfügt noch Legislaturleitziele im Energiebereich formuliert hat. Saanen ist nicht Energiestadt und hat kein Energieabkommen mit dem Kanton Bern abgeschlossen.

Analyse der heutigen Energieversorgung
Ende 2018 wurden in Saanen 7501 Wohnungen gezählt, wobei rund die Hälfte Zweitwohnungen sind. Derzeit werden 1306 Wärmeerzeugungsanlagen mit Heizöl als Brennstoff betrieben. Die meisten dieser Heizungen wurden zwischen 1980 und 2019 gebaut. Bei einer Nutzungsdauer von ca. 20 Jahren müssen in den nächsten Jahren rund 60 Prozent dieser Anlagen ersetzt werden.

Saanen verfügt über kein Erdgasnetz. Die 66 in Saanen installierten Gasheizungen werden mit Flüssiggas als Brennstoff betrieben. Die meisten dieser Anlagen sind nicht älter als 20 Jahre.

Seit 2008 betreibt die Genossenschaft Elektro Baselland EBL den Wärmeverbund Saanen und seit 2018 auch den Wärmeverbund Schönried. Neben diesen beiden grossen Wärmeverbunden bestehen zwei Nahwärmeverbunde: einer im Ebnit beim Oberstufenzentrum sowie ein kleinerer an der Bodmenstrasse in Schönried.

Ebenso kann mittels Kollektoren Wärme aus der Sonne zur Brauchwarmwasser-Erwärmung und Heizgasunterstützung genutzt werden.

Energieholz kann für Beheizung, Prozesswärme und Wärme-Kraft-Koppelungsanlagen eingesetzt werden und wird in der Regel aus Waldholz, Restholz und Holz aus der Landschaftspflege gewonnen. Die grosse Fernheizzentrale Fernwärme Saanen-Gstaad verbrennt hauptsächlich Baurestholz, Waldholz und Schlagabraumholz.

Dem Klärschlamm aus der Kläranlage Saanen werden Co-Substanze beigemischt. Das aus der Faulung entstehende Klärgas wird via Blockheizkraftwerk in Strom und Wärme umgewandelt und sorgt für einen autarken Betrieb der ARA.

Der Energiegehalt aus Grüngut, welches zu Kompost umgesetzt wird und woraus Kompostsubstrat entsteht, wird heute nicht genutzt, sondern wird ausserhalb des Saanenlandlandes und des Simmentals im Ackerbau verwendet.

Bei der Grundwassernutzung kann die Wassertemperatur abhängig von der Jahreszeit sowohl zu Kühl- als auch zu Wärmezwecken genutzt werden. Aus energiepolitischen und wirtschaftlichen Aspekten stehen Verbundlösungen (Wärme- und Kältenetze) im Vordergrund.

Der Elektrizitätsverbrauch der Gemeinde Saanen betrug im Jahr 2018 rund 92’000 MWh. 2018 wurden mittels Fotovoltaikanlagen (Umwandlung der Sonnenenergie in Strom) 2634 MWh Elektrizität erzeugt. Aus den vier Wasserkraftwerken auf dem Gemeindegebiet von Saanen wurden 2018 242 MWh Elektrizität erzeugt. Windkraftanlagen gibt es in Saanen keine.

Pro Kopf Emissionen deutlich höher als im Schweizer Durchschnitt
Der Pro-Kopf-Endenergieverbrauch für Komfort- und Prozesswärme beträgt 21,5 MWh pro Jahr. Umgerechnet auf den Primärenergiebedarf ergibt dies 3467 Watt pro Person, was deutlich über dem schweizerischen Durchschnitt liegt. Bei der 2000-Watt-Gesellschaft wird mit 700 Watt pro Person gerechnet. Auch der Pro-Kopf-Ausstoss von Treibhausgasemissionen für den Wärmebereich liegt mit 4,9t CO2-Äquivalenten pro Jahr deutlich über dem Schweizer Schnitt von 3,8 t im Jahr. Das 2000-Watt-Budget sieht dafür lediglich 0,4 t pro Kopf und Jahr vor. Der Anteil an erneuerbare Wärme am Gesamtwärmebedarf beträgt heute 26,1 Prozent. Der Anteil von erneuerbarem Strom am Gesamtstrombedarf beträgt 59,9 Prozent (Liefermix BKW).

Ziele der künftigen Energieversorgung
Die Grundsätze der kommunalen Energiepolitik sind in Anlehnung an die kantonale Energiestrategie:
– Gewährleistung einer zuverlässigen, wirtschaftlichen Energieversorgung
– Leistung des grösstmöglichen Beitrages für die Erreichung der 2000-Watt-Gesellschaft (langfristig) und bis 2035 das Ziel der 4000-Watt-Gesellschaft
– Erhöhung der rationellen Energienutzung und sparsame Einsatz nicht erneuerbarer Ressourcen.
– Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien bei der Energieversorgung
– Vermeidung/Verminderung einer einseitigen Abhängigkeit von einzelnen Energieträgern
– Vorbildfunktion der Gemeinde
– Prioritätenliste bezüglich der zu verwendenden Energien: ortsgebundene, hochwertige Abwärme; ortsgebundene, niederwertige Abwärme und Umweltwärme; bestehende, leitungsgebundene, erneuerbare Energieträger; regional verfügbare, erneuerbare Energieträger; örtlich ungebundene Umweltwärme
– Freiwillig und spezifisch für Saanen gilt: keine Vernichtung von getätigten Investitionen in Anlagen und Energieverteilnetzen mit erneuerbarer Energie wie zum Beispiel die vorzeitige Stilllegung der Wärmeverbunde

Zielsetzung bis 2035
In Anlehnung an die kantonale Energiestrategie und Vorgaben:
– Der Wärmeverbrauch der Gebäude soll um 20 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 2015 gesenkt werden.
– Der Anteil der erneuerbaren Energieträger zur Deckung des Gesamtwärmeverbrauchs der Gebäude soll auf 70 Prozent gesteigert werden.
– Der Anteil der erneuerbaren Energien bei der Stromlieferung soll auf 80 Prozent erhöht werden.
– Freiwillig und spezifisch für Saanen gilt: Der Stromverbrauch soll gemäss Ziel Methodik 2000-Watt-Gesellschaft von 2020 bis 2035 nicht zunehmen. Aufgrund des erwarteten Bevölkerungswachstums, dem vermehrten Einsatz von Wärmepumpenanlagen wird davon abgewichen und das Ziel auf plus 15 Prozent gesetzt.
– Mindestens fünf Prozent des erneuerbaren Stroms soll Ökostrom sein, Qualität «naturemade star» oder gleichwertig. Dies entspricht dem energiepolitischen Ziel gemäss Methodik 2000-Watt-Gesellschaft.
– Die Gemeinde ist Vorbild und strebt für die gemeindeeigenen Gebäude grundsätzlich bessere Werte der vorgängig aufgeführten Zielsetzungen an: Reduktion des Wärmebedarfs um 30 Prozent, Wärmeversorgung mit mindestens 85 Prozent erneuerbarer Energie. Bei Neubauten sollen 100 Prozent erneuerbare Energien eingesetzt werden. Der Strombedarf soll von 2020 bis 2035 nicht zunehmen. Die Gebäude werden vollständig mit Ökostrom versorgt.

Mitwirkungsverfahren läuft noch bis am 14. April
Der Informationsanlass für die Bevölkerung vom 17. März im Landhaus musste infolge der Corona-Pandemie abgesagt werden. Dennoch wird die Frist für das Mitwirkungsverfahren nicht verlängert. Diese Frist läuft noch bis am 14. April. Während der Auflagefrist kann jedermann schriftlich und begründet Einwendungen erheben und Anregungen unterbreiten. Die Eingaben sind an die Einwohnergemeinde Saanen, Fachbereich Raumplanung, zu richten. Die in den Massnahmeblättern definierten Ziele seien ambitioniert, sagt Walter Matti-Zbären, Fachleiter Raumplanung bei der Gemeindeverwaltung Saanen. Ob diese genau so umgesetzt werden können, werde sich weisen. Ein sehr grosses Potenzial sieht er in der Sonnenenergie, und zwar in der Aufbereitung von Warmwasser genauso wie in der Stromproduktion. «Natürlich darf die Installation von Solarzellen nicht mit unserem Baureglement in Konflikt geraten, aber die Produkte in dieser Technologie sind schon sehr weit entwickelt.»

 


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