Gebären während der Pandemie: werdende Väter dürfen dabei sein

  17.04.2020 Coronavirus

Wegen des Coronavirus sind Patientenbesuche in Schweizer Spitälern nur in Ausnahmefällen möglich. Wie sieht es für die werdenden Väter aus? Und was ist für Schwangere und Gebärende zur Zeit der Corona-Pandemie anders?

ANJA MOOSMANN
Die Geburt des eigenen Kindes ist einer der prägendsten Momente im Leben. Viele werdende Mütter machen sich in dieser besonderen Zeit vermehrt Sorgen. Die Aussicht darauf, die Geburt alleine durchstehen zu müssen – ohne die so dringend nötige Unterstützung des Partners –, macht Angst und verunsichert. Die körperliche und psychische Ausnahmesituation müssen Schwangere in unserer Region jedoch auch in diesen Tagen nicht alleine meistern. Sowohl im Spital Thun als auch im Geburtshaus Maternité Alpine in Zweisimmen dürfen die Kindsväter die Geburt miterleben – mit kleineren Ausnahmen.

«Glücklicherweise bleibt eine Geburt auch in dieser Covid-19-Zeit eine Geburt», so Brigitte Graf, Fachbereichsleiterin der Geburtenabteilung des Spitals Thun. Bei einer gesunden Frau und einem gesunden werdenden Kindsvater ändere sich bis auf das Tragen von einem Mundschutz beim Vater, der Hebamme und den Ärzten nichts. «Wir begleiten und betreuen die Gebärenden wie sonst auch und ermöglichen eine individuelle und natürliche Geburt.» Auch bei einem geplanten Kaiserschnitt sei der Mann normalerweise dabei – ausser es bestehe ein Verdacht auf Covid-19 oder es liege ein positives Covid-19-Ergebnis vor.

In Zeiten von Corona verzeichneten sie eindeutig mehr ambulante Geburten und vor allem kürzere Aufenthalte im Spital Thun. Die Frauen kehrten früher wieder nach Hause zurück. Einerseits seien Besuche im Spital nicht in dem Umfang möglich, wie es die Wöchnerinnen kennen und es sich gewohnt sind. «Es ist halt so, dass auch Besuche zu Hause – zum Beispiel von den Grosseltern – während der Pandemie nicht angezeigt sind. Besonders in dieser Zeit ist es wichtig, dass Menschen, die ärztliche Hilfe brauchen, die Arztpraxen oder Spitäler aufsuchen und nicht aus Angst vor einer Ansteckung zu Hause bleiben. Sonst besteht die Gefahr, dass Krankheiten ‹verschleppt› werden. Betroffene können telefonisch beim Hausarzt oder im Spital nachfragen, ob eine Konsultation nötig ist oder nicht», informiert Marie-Anne Perrot, Leiterin Kommunikation und Marketing der Spital STS AG.

Standard-Hygienemassnahmen bei gesunden Patienten
Sind die werdenden Eltern gesund, reicht das Tragen eines Mundschutzes zusätzlich zu den Standard-Hygienemassnahmen aus. Bei Verdacht auf Covid-19 oder bei einem positiven Befund gewährleisten bei der Geburt und im Wochenbett zusätzlich Schutzmantel, Brille, Mundschutz und Handschuhe den Schutz der Fachpersonen im Spital Thun. «Eine Isolation der Frau findet in diesem Fall natürlich statt und die dazugehörenden Massnahmen werden somit ergriffen», erklärt Brigitte Graf. So könne es je nach Situation sein, dass der Mann bei der Geburt nicht dabei sein dürfe. «Bereits am Telefon klären wir, ob die Schwangeren/Gebärenden an Symptomen des neuen Coronavirus leiden. Gegebenenfalls werden diverse Massnahmen wie zum Beispiel ein separater Eingang eingeleitet.» Des Weiteren werde bei Eintritt zur Geburt oder bei ambulanten Kontrollen sofort die Temperatur der Frau gemessen. «Uns ist es aber ein Anliegen, dass der werdende Vater – unter der Voraussetzung, dass er gesund ist – bei der Geburt dabei sein kann und ihm der Besuch von Frau und Kind auch danach möglich ist.»

«Glücklicherweise leben wir auf dem Land»
Marina und Mischa Grossenbacher aus Saanen sind vor knapp zwei Wochen Eltern eines gesunden Buben geworden. Der Geburtsvorbereitungskurs sei ganz normal verlaufen, da die Gruppe mit sieben Personen sehr klein gewesen sei. Lediglich der letzte Kurstag sei ausgefallen, da ja nur noch Gruppen bis fünf Personen erlaubt waren, als die ausserordentliche Lage erklärt wurde. «Zum Glück begann die Coronakrise gegen Ende meiner Schwangerschaft», so Marina Grossenbacher. «Da ich wegen des wachsenden Bauches eh nicht mehr viel unternehmen konnte und wollte, war auch das ‹bleiben Sie zu Hause› kein Problem für mich.»

Angst habe sie nie gehabt. Ihre einzige Sorge sei gewesen, dass ihr Mann womöglich bei der Geburt nicht werde anwesend sein können. «Daher wollten wir unbedingt nach Zweisimmen ins Geburtshaus, und nicht unbedingt ins Spital, da wir nicht sicher waren, wie die Richtlinien sind …» Dass während der Geburt alle – ausser den werdenden Eltern – Masken trugen, empfand sie als nicht wirklich störend, Körperkontakt sei ja trotzdem da gewesen. Sie habe dann notfallmässig ins Spital nach Thun verlegt werden müssen, wo ihr Sohn dann per Kaiserschnitt entbunden worden sei. In den OP hätte ihr Mann nicht mitgehen dürfen. Er habe im Zimmer warten müssen und sei aber direkt nach der Geburt von der Hebamme per Whatsapp-Videoanruf informiert worden und sie hätten kurz zusammen sprechen können. «Zehn Minuten später waren wir dann auch schon alle drei zusammen im Zimmer», freut sich die frischgebackene Mama. «Mischa durfte uns jeden Tag besuchen. Die Regel ist allerdings, dass man nur einmal pro Tag kommen darf. Wäre er also auch nur kurz hinausgegangen, hätte er erst am nächsten Tag wieder kommen dürfen.» Sie hätten auch die Option eines Familienzimmers gehabt und seien nach der langen Geburt alle drei so erledigt gewesen, dass ihnen etwas Ruhe gut getan habe. Und da sei es ihr eigentlich gerade recht gewesen, dass ausser ihrem Ehemann auch kein Besuch empfangen werden durfte.

Die Dauer des Spitalaufenthaltes sei kürzer gewesen, als sie gedacht habe. Zwei Tage nach der Geburt habe sie bereits nach Hause gehen dürfen. Und das nach einem Kaiserschnitt! «Da ich mich gut fühlte, unser Kind gesund war und mein Mann Ferien genommen hatte, durfte ich heim», so Marina Grossenbacher. «Das Spitalpersonal sagte uns, dass die meisten Mütter nach der Geburt doch sehr schnell wieder nach Hause möchten und auch dürfen – wegen dieser Corona-Sache!»

Seitdem die junge Familie zu Hause ist, kommt regelmässig eine Hebamme vorbei. Auch sie trage einen Mundschutz und desinfiziere sich regelmässig die Hände. «Glücklicherweise leben wir auf dem Land! Ich empfinde die ganze Corona-Zeit hier weniger erdrückend. Ich glaube, in der Stadt ist es komplizierter. Dort sind halt viele Menschen auf engem Raum und somit sind wohl auch die Sorgen grösser …»


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