Die Trumpfansage

  26.05.2020 Kultur

Wer an der Reihe ist, Trumpf zu machen und gute Karten hat, mit denen er oder sie die Gegner ausstechen kann, hat Grund, innerlich zu triumphieren. Denn das Wort «Trumpf» hat seinen Ursprung ja auch im Wort «Triumph». Und wer im Laufe des Spiels noch die letzte Trumpfkarte in der Hand hält, kann erst recht triumphieren. Denn auch die kleinste Trumpfkarte ist stärker als jedes gewöhnliche Ass und keine andere Karte kann so «Bock» werden.

Die Trumpfansage muss jedoch gut überlegt sein, denn sie kann spielentscheidend sein. Wenn immer möglich sollte man darum dort Trumpf machen, wo die Gefahr, übertrumpft zu werden, am kleinsten ist. Doch jede Möglichkeit, einen Gegner zu übertrumpfen – eine mit einem Trumpf gestochene Karte zu überstechen – ist auch ein Grund, innerlich zu triumphieren. Übertrumpfen gehört zum Jassen. Das Auftrumpfen während einer Spielrunde sollte man jedoch besser lassen. Denn wer auftrumpft und sich seiner Überlegenheit rühmt, läuft Gefahr, sich beim Spielen und im Alltag unbeliebt zu machen.

Die Trumpfansage ist übrigens eine sehr ernste Sache. Denn bei allen Jass arten ist sie verbindlich. Man muss also zuerst gut überlegen, bevor man etwas sagt. Die Reihenfolge, die auch den Alltag prägen sollte, gilt beim Trumpfansagen ganz besonders: erst denken, dann reden. Denn im Gegensatz zum Alltag ist beim Jassen keine Korrektur mehr möglich. Wenn Worte, die man im Alltag unbedacht und gedankenlos gesagt hat, nicht gut ankommen, kann man noch schnell sagen: «Sorry, ich habe es nicht so gemeint!» Wenn man aber beim Jassen «Herz» als Trumpffarbe ansagt und eigentlich «Schaufel» sagen wollte, kann man sich nicht mehr korrigieren und sagen: «Sorry, ich habe Schaufel gemeint.» Immer gilt die zuerst genannte Wahl und die zuerst ausgespielte Farbe. Wenn man zum Beispiel das Herz-Ass ausspielt, ohne etwas zu sagen, ist «Herz» Trumpf, obwohl man eigentlich «Obenabe» machen wollte. «Obenabe» und «Undenufe» müssen immer namentlich erwähnt werden. Und schliesslich darf auch nur jemand die Trumpfansage machen, der auch wirklich an der Reihe ist. Wenn zum Beispiel beim Schieber der «falsche» Spieler Trumpf ansagt oder schiebt, dann wird das Spiel annulliert. Und die Partei, die den Fehler gemacht hat, verliert in diesem Spiel sogar die Möglichkeit zum Trumpfmachen.

Mit eindeutigen und guten Karten ist es jedoch immer relativ einfach, Trumpf zu machen. Denn mit guten Karten lässt sich das Risiko viel besser abschätzen. Schwieriger wird es, wenn man Trumpf machen muss, aber keine eindeutigen und keine guten Karten hat – wie zum Beispiel auf dem Bild oben. In solchen Situationen ist man gezwungen, einen Entscheid zu fällen, ohne dass man eine Ahnung hat, wie das Spiel verlaufen könnte. In solchen Momenten ist die Hoffnung, dass es trotz allem gut herauskommen wird und dass der Partner helfen kann, wichtiger als die Erfahrung. Aber zum Glück ist Jassen ja nur ein Spiel. Falsche oder allzu gewagte Entscheide haben keine nachhaltigen Folgen im Alltag. In unserer schnelllebigen Zeit, in der das, was heute Gültigkeit hat, morgen schon veraltet ist, ist es ein bisschen anders. Da müssen immer wieder folgenschwere Entscheide gefällt werden, ohne dass man weiss, wie es herauskommen wird. Und wenn in der Politik oder in der Wirtschaft von den Verantwortlichen endlich ein wichtiger Entscheid gefällt worden ist, dann fehlt es ganz sicher nicht an Kritikern, die alles besser wissen und darum ganz sicher anders entschieden hätten.

Schliesslich passiert es im Alltag und beim Jassen auch immer wieder, dass man ausgerechnet dann, wenn man schlechte Karten hat, Trumpf machen und Entscheide fällen muss, und dann, wenn man sehr gute Karten hat, und es einfach wäre Trumpf zu machen oder einen Entscheid zu fällen, muss man schweigen und darf nicht sagen, was Trumpf ist und was jetzt gilt. Aber im Gegensatz zum Jassen gibt es im Spiel des Lebens zum Glück in jeder Situation immer einen sicheren Trumpf: Nämlich «Herz»! Der Lebenskünstler und Autor Karl Talnop sagt es so: «Wenn das Leben ein Kartenspiel ist, welches über die Zukunft entscheidet, dann ist die Liebe die höchste Trumpfkarte in diesem Spiel.»

ROBERT SCHNEITER


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