Das zehnte Züpfezmorge in Lauenen

  23.06.2020 Saanenland, Event, Lauenen

Ein kleines Jubiläum feierte das Züpfezmorge am vergangenen Sonntag. Seit zehn Jahren empfängt das Hotel Alpenland am längsten Tag des Jahres interessierte Besucher zu einem Frühstück mit informativem Charakter. Alt Bundesrat Johann Schneider-Ammann, Emmentaler Unternehmer Oscar A. Kambly sowie Dr. h. c. Willy Michel bestritten das Podiumsgespräch.

JENNY STERCHI
Wie in den zehn vorangegangenen Jahren lud das Hotel Alpenland in Lauenen am längsten Tag des Jahres zu früher Stunde zum Züpfezmorge. Der Wochentag scheint auf das Interesse der Besucher des zur Tradition gewordenen Frühstücks mit Butterzopf keinen Einfluss zu haben. An den voll besetzten Tischen lauschten die Besucher dem Podiumsgespräch und genossen das anschliessende Morgenessen.

Pandemie als Gesprächspunkt
Der Autor Marcel Huwyler führte mit Fragen zu allerlei Themen durch das abwechslungsreiche Gespräch und präsentierte echte Moderatorenqualitäten. Entlang der von ihm gewählten Inhalte plauderten die beiden Besitzer des Hotels Alpenland, alt Bundesrat Johann Schneider-Ammann und Dr. h. c. Willy Michel, sowie der Emmentaler Güezi-Fabrikant Oscar A. Kambly über Führungsstrategien, Jugendsünden, Unternehmensnachwuchs und das Grossvaterdasein.

Da derzeit noch keiner an der Corona-Problematik vorbeikommt, bot dieses Thema den Einstieg ins Gespräch. Es seien zwei sehr ruhige Monate gewesen, so der Unternehmer Oscar A. Kambly, die zwar auf rigide Art zustande gekommen seien, ihm jedoch viel Freundlichkeit und Zuvorkommenheit gezeigt hätten. «Plötzlich war viel Zeit für die Familie da, weil niemand in der Welt herumreisen konnte. Das Leben war nicht so sehr von Äusserlichkeiten beeinflusst, wie es im Normalfall passiert. Das waren für mich sehr positive Erlebnisse.»

Anders empfand diese Zeit der ausserordentlichen Lage der alt Bundesrat Johann Schneider-Ammann. Als ehemaliger Wirtschaftsminister richtete er den Fokus eher auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie auf das Land. Seinen Worten entnahm der Zuhörer eine gewisse Wehmut: «Für die Wirtschaft des Landes ist der Austausch und Kontakt mit internationalen Handelspartnern sehr wichtig und substanziell. Hinzu kommen die immensen Schulden, die der Schweiz daraus entstanden sind.»

Die Disziplin der Menschen während des Lockdowns beeindruckte Willy Michel, Gründer und langjährigen Geschäftsleiter des Unternehmens Ypsomed. «Die Globalisierung ist der Grund, warum unser Unternehmen zu 90 Prozent vom Export abhängig ist. Ein solcher Unterbruch, wie wir ihn jetzt hatten, führt uns vor Augen, dass unser heutiger Wohlstand in der Schweiz auf internationalen Verbindungen basiert.»

Bietet eine Krise Chancen?
Oscar A. Kambly hegt die Hoffnung, dass der Blick fürs Wesentliche wieder geschärft würde. «Es ist die Möglichkeit, die Quelle unserer Zufriedenheit kennenzulernen.» Dass sich jedoch das Grundverhalten aller Menschen nun grundsätzlich ändert, daran glaubt Kambly nicht. Die Umsetzung der Abstandsregeln sei in einem festen Produktionskreislauf eine echte Herausforderung. Umso mehr haben Kambly die unbedingte Rücksichtnahme und die Teamleistung seiner Mitarbeiter beeindruckt.

Grossvaterpflichten
Moderator Marcel Huwyler konnte den Herren dann auch noch sehr private Informationen entlocken. So hält Oscar A. Kambly laut eignen Angaben Kinder für Wunder. Er habe sowohl mit den eigenen als auch mit den Grosskindern das Staunen wiederentdeckt. «Und sie dürfen natürlich Kekse essen, so viel sie wollen».

Auch Willy Michel verriet private Erlebnisse mit seinen Enkelkindern. Die Episode, als er sie beim Skifahren im Saanenland kurzzeitig aus den Augen verlor, belustigte die Zuhörer.

Auch Johann Schneider-Ammann erfüllt Grossvaterpflichten und vertieft sich dabei so weit ins Eisenbahnspiel, dass mitunter die Knie schmerzen.

Unternehmen in nächster Generation
Die drei Unternehmer haben sich aus der operativen Führung ihrer Unternehmen zurückgezogen. Im Verwaltungsrat oder in beratender Funktion stehen sie jedoch an der Seite ihrer Kinder, die jeweils die Geschäfte übernommen haben. Der Entscheid des Kambly-Nachwuchses stand schon lange vor der eigentlichen Übernahme fest. Nachdem Oscar Kamblys Tochter aber die gleiche Passion für das Güezi-Geschäft an den Tag legte und gut durchdachte Ideen für die Zukunft des Unternehmens lieferte, wusste der Seniorchef seine 570 Mitarbeiter in guten Händen und zog sich mit gutem Gewissen zurück.

Für Willy Michel und seinen Sohn hat sich das Gespann aus operativer Leitung und Verwaltungsrat bewährt. Der Seniorchef steht als Verwaltungsrat seinem Sohn als Geschäftsführer bei strategischen Herausforderungen zur Seite, denn die Verantwortung für die vielen Angestellten sei nicht zu unterschätzen.

Keine typischen 68-er
Auf der Suche nach den Jugendsünden der drei Unternehmer konnte Huwyler ausser einem Sitzstreik vor der russischen Botschaft und einem einzigen Kontakt mit Tränengas nichts Aufrührerisches entlocken. Alle drei Herren waren offensichtlich in ihrer Jugend schon sehr pflichtbewusst und widmeten sich lieber mit Leidenschaft ihrer Geschäftsidee.

Gut zu wissen
Wer hätte gedacht, dass die Schweizer Landesvertreter bei Auslandsbesuchen neben Kambly-Güezi, Caran d’Ache-Schreibzeug und Toblerone-Schokolade auch Spieldosen aus Sainte-Croix, aus denen die Schweizer Nationalhymne erklingt, verschenken? Diese Dinge sind laut Johann Schneider-Ammann für den Beschenkten wohl einfacher zu handhaben als ein Teppich, in den das Konterfei des Empfängers eingewebt wurde, wie alt Bundesrat Adolf Ogi einmal einem erhielt.


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