Wüstentrockener Humor aus dem Maghreb

  05.06.2020 Vorschau

Aufgrund der allgemeinen Schutzmassnahmen bezüglich des Covid-19 konnte auch das Filmpodium Saanenland seine Programmfilme nicht zeigen. Nun nutzen wir die Gelegenheit, um wenigstens noch unseren «letzten» Film vor der Sommerpause gemeinsam mit Ihnen anschauen zu können. Im September werden wir dann mit dem neuen Programm beginnen

Wir zeigen «Le Miracle du Saint Inconnu», einen Film des marokkanischen Regisseurs Alaa Eddine Aljem aus dem Jahr 2019. Der Regisseur wurde in Marokko geboren, studierte Film in Marrakesch und schloss in Brüssel mit einem Masterabschluss in Regie, Produktion und Drehbuch ab. Aljem hat mehrere Kurzfilme erfolgreich inszeniert. «Le Miracle du Saint Inconnu» ist sein erster Spielfilm und wurde in französisch-marokkanischer Koproduktion in Marrakesch gedreht. Der Film ist eine moderne Fabel, die vom Absurden durchzogen ist, was der Geschichte zusätzlichen Geschmack verleiht. Ein Feel-Good- und gleichzeitig ein Think-Good-Film!

Amine rennt mit einer Tasche voller Geld durch die Wüste. Kurz nachdem er seine Beute vergraben hat, wird er verhaftet. Zehn Jahre später kehrt er zurück und erkennt den Ort kaum noch. Ein Mausoleum wurde über dem «Grab» errichtet, Pilgerscharen strömen herbei, um den «Unbekannten Heiligen» zu würdigen. Der Dieb steigt in einer Unterkunft des nahen Dorfes ab und setzt alles daran, sein Geld zurückzubekommen. Wie eine Metapher unserer Zeit wirkt das Mausoleum, das man auf Geld gebaut hat, das Diebesgut ist.

Als einen marokkanischen Kaurismäki könnte man Alaa Eddine Aljem bezeichnen. Die Lakonie und der trockene Humor, mit denen er in «Le Miracle du Saint Inconnu» die Folgen des Wallfahrtsgeschäfts inszeniert sowie die liebevolle Zuneigung zu denjenigen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, erinnern sehr an die Werke des grossen Finnen. Aljem verbindet in seiner Komödie auf virtuose Weise und mit wunderbaren Bildern eine absurde Krimihandlung mit einer Sozialstudie, die von unzähligen schrullig-liebenswerten Charakteren lebt, die alle auf ihre Weise für den Traum vom besseren Leben kämpfen. Dazu lädt er uns in die Wüste ein, um uns dort ein anderes Leben kennenlernen zu lassen. In humorvollem, neckischem Ton behandelt er Themen des Lebens, indem wir mit dem Glauben und Aberglauben der Menschen konfrontiert werden.

In einem Interview sagt Regisseur Aljem: « In Marokko spüren junge Menschen die Notwendigkeit eines neuen Projekts. Die Beziehung zum Glauben und zum Gerücht definiert quasi den durchschnittlichen Marokkaner. Wir haben die Fähigkeit, Legenden zu erschaffen. Wir müssen an etwas glauben, sei es spirituell, ideologisch oder materiell. Und im Falle unseres kleinen Dorfes bedeutet das einen absurden Glauben.»

Der Dieb hofft, seine Beute zurückzugewinnen, die Dorfbewohner erhoffen den Segen des unbekannten Heiligen, Vater und Sohn warten auf den rettenden Regen oder wollen auswandern. Summa summarum: ein «Credo quia absurdum» (ich glaube, weil es absurd ist). Nicht verpassen!

FILMPODIUM SAANENLAND

Montag, 8. Juni, 20.30 Uhr, im Cinema Gstaad; Nichtmitglieder sind herzlich willkommen und zahlen an der Abendkasse!


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