Bergkönige am «Tiefkühlrennen»

  01.09.2020 Sport, Gstaad

Die vierte Ausgabe des Bergkönigs startete mit einem geglückten Bergzeitfahren am Freitag und dem Sprint in einer ausgedehnten Regenpause am Samstag. Am Sonntag entpuppte sich das Wetter als garstiger Widersacher für die Vintage-Velo-Rennfahrer. Rund 90 Teilnehmende gingen dennoch auf die Strecken.

JENNY STERCHI
«Und wir dachten, nach den Schneeflocken im letzten Jahr könne es nicht schlimmer kommen», so der hoffnungsvolle Ausblick einiger Fahrer. Doch den machten Schneeschauer in der Höhe, Temperaturen um den Gefrierpunkt und Dauerregen am letzten Sonntag zunichte.

Unbeirrt vom Wetter
Die Corona-Pandemie hatte bereits im Vorfeld für einige Absagen gesorgt. Dass sich nun auch noch das Wetter von seiner unschönen Seite zeigte, schien mehr als ungerecht. Rund 90 Fahrer liessen sich aber auch davon nicht abhalten und begaben sich am Sonntagmorgen auf eine der sieben Strecken, die der Bergkönig dieses Jahr auf dem Programm hatte. Egal ob sie sich via«La Reine» an Zweisimmen, dem Jaunpass und an Abländschen vorbeikämpften oder auf der Etappe «Bergkönig» der Passhöhe La Forclaz, Leysin und Vers-l’Eglise einen Besuch abstatteten, trocken kam keiner von ihnen ins Ziel. Selbst jene, die sich für eine der Genussrunden «Pedaleur de Charme» nach Lauenen, Turbach, Saanenmöser oder Gsteig entschieden hatten, wurden nass. Die meisten der am Morgen Gestarteten fuhren am Nachmittag ausgekühlt und völlig durchnässt über die Ziellinie beim Schulhaus Rütti Gstaad. Für die Streckenposten stand die Sicherheit der Teilnehmenden an erster Stelle. So brachten sie jene, die von der feuchten Kälte total ausgelaugt waren oder deren Bremsen beim Schneefall zu versagen drohten, mit dem Auto sicher zurück nach Gstaad.

Beim Bergzeitfahren auf die Alp Gumm am Freitag waren die Temperaturen noch eher sommerlich und der Regen machte noch längere Pausen. Dem traditionell in der Gstaader Promenade gestarteten Sprint war ebenfalls eine Regenpause beschieden, nachdem der Vormittag mit Dauerregen aufgewartet hatte.

Stil hatte Priorität
Auch wenn der Bergkönig keine Sammlerveranstaltung ist, spielt neben der sportlichen Leistung auch das Aussehen der Velos und ihrer Fahrerinnen und Fahrer eine wichtige Rolle. Jeroen van Rooijen, Stilexperte und fixe Grösse am Bergkönig, honorierte bei der Verteilung der Style-Pokale demnach auch nicht die Fahrzeit, sondern die Optik und deren Anspruch an den Vintage-Charakter.

Eine der fünf Stilpreisträgerinnen und -träger war Rosi Haldi-Straumann, die mit Team Noldy die Runde nach Gsteig unter die Räder genommen hatte und von ihrer eigenen Fangruppe in Empfang genommen wurde. Für Namensgeber Noldy Eberli aus Rickenbach war die vierte Ausgabe des Bergkönigs auch der vierte Einsatz am Nostalgierennen. «Ich bin auf jeden Fall wieder dabei», war der strahlende Herr, dem die Wetterkapriolen scheinbar nichts anhaben konnten, überzeugt. Er und seine Teammitglieder waren auf Rennvelos mit Holzfelgen unterwegs.

Verneigung vor Leistung
Den letzten Pokal sprach van Rooijen mit Unterstützung des Organisators Alex Beeler und des Speakeres Franco Marvulli, der selber am Bergzeitfahren in die Pedale getreten hatte, dem einzigen Fahrer zu, der die Hammeretappe «Le Fou» absolviert hatte. Mathias Huber aus Rheineck begab sich mit einigen wenigen am Sonntagmorgen um halb sieben auf die 170 Kilometer lange Strecke. Bis auf ihn beendeten seine Mitstreiter nach dem ersten Abschnitt, der sie entlang der Strecke «La Reine» führte, das Rennen frühzeitig. Huber aber hing die Bergkönig-Etappe noch an und bewies neben körperlicher auch unheimliche mentale Stärke. Er erreichte das Ziel zwar erst nach vier Uhr, aber das tat seiner Leistung an diesem Tag keinen Abbruch. «Die Kälte an den Händen und am Rest des Körpers nagte extrem an der Motivation und es konnte einem dann schon verleiden», sagte ein Teilnehmer, der die Bergkönig-Etappe gefahren war.

Renate Meyer aus Rupperswil, Alexander Weinl aus Ertingen (Deutschland) und Adrian Koller aus Fehren waren in ihrer jeweiligen Kategorie beim Bergzeitfahren am Freitag am nächsten an der Richtzeit.

Einzigartige Verpflegung
Durch Regen, Wind und eisige Temperaturen abgekämpft, waren die Fahrerinnen und Fahrer froh, wenn wieder ein Verpflegungsposten erreicht war. Die Fahrzeit verlor an Bedeutung, Aufwärmen und Genuss rückten in den Vordergrund. «Ich komme vermutlich schwerer ins Ziel, als ich losgefahren bin», mutmasste einer der Fahrer und nahm damit Bezug auf die Köstlichkeiten, mit denen die Teilnehmenden verpflegt wurden. In Abländschen wurde – wie zu erwarten war – feiner Kartoffelsalat gereicht, andernorts gab es hausgemachten Tee und hervorragenden Käse.

Im Ziel gab es für jeden würziges Raclette, bei dem sich Speaker Franco Marvulli zu der Ansage «besser als im Wallis» hinreissen liess. Darauf, es trotz der überaus widrigen Bedingungen bis ins Ziel geschafft zu haben, wurde mit einheimischem Bier angestossen.

Rütti-Schulhaus als optimale Alternative
Das Festivalvillage und der Start-Ziel-Bereich waren aus Sicherheitsgründen zum Schulhaus Rütti verlagert worden. Die Schulanlage erwies sich mit ihren vielen Unterstellmöglichkeiten als optimale Alternative. Raclette und Getränke konnten, geschützt vor Niederschlag und Wind, unter dem Dach des Zwischengangs eingenommen werden. Der überdachte Gang zur Turnhalle bot sich förmlich an als Platz für eine trockene Medaillen- und Pokalübergabe.

Als wollte sie sich in den letzten Augenblicken des diesjährigen Bergkönigs mit Teilnehmenden sowie Organisatoren und Helfern versöhnen, zeigte sich die Sonne kurz vor Schluss doch noch und schickte einige wärmende Strahlen.

Weitere Fotos unter https://tinyurl.com/y4vtnnek


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