Timmermahn erzählt einige seiner Mundartgeschichten live im Kulturladen «La vache bleue» in Saanen. Die «Lesung» ist ein spektakuläres Erlebnis.

TONI SIEGRIST
Wenn Timmermahn in Mundart vorliest, dann liest er eben nicht nur vor. Ganz unspektakulär sitzt er an einem Tisch hinter dem Mikrofon und «liest vor». Der Zuhörer hört aber ganz verschiedene Stimmen, die sprechenden Personen der Geschichten sind hörbar. Es ist aber «nur» Timmermahn, der den Figuren der Geschichten die unterschiedlichen Stimmen verleiht. Man erlebt ein Hörspiel, weniger eine Lesung, es ist eine eigentliche Performance.

Das Berndeutsch erinnert an Gotthelf. Man hört klare, blumige, bildhafte Ausdrücke, die einem das Geschehen fast fühlbar näherbringen.

Unglaubliche Storys aus dem Alltag
Die Geschichten haben es in sich. Es sind die Schicksale von einzelnen Personen. Meist fangen die Erzählungen ganz unspektakulär an, entwickeln sich dann mit kleinen, aber doch happigen Ereignissen zu ungewöhnlichen Storys. Es könnte ja so gewesen sein!

Walter Rüfenacht feiert im Familienkreis seinen 90. Geburtstag und landet beim Psychiater, weil er durch sein Leben so komplizierte Verwandtschaftsbeziehungen aufgetürmt hat, dass sie ihn schliesslich fast erdrücken. Oder «Sandwich-Role»: Für ihn gibt es nichts anderes als seine währschaften, selbst gemachten «Draguner-Sandwichs». Allerdings bringt ihn der Genuss von etwa 20 Stück pro Tag dann am Ende ins Spital und in den Rollstuhl.
Der allein lebende, schon ältere Brönnimann Walter hätte wegen seinen starken Gelüsten nach Kartoffeln fast eine Beziehung zu einer attraktiven Nachbarin aufgenommen, wenn er es sich nicht selber vermasselt hätte.

«Beschtchlapf-Vreni», hübsch und trinkfest, macht ihrem Namen mit kräftigen Ohrfeigen, die sie bei Gelegenheit austeilt, alle Ehre.

Pfarrer Mosimann leitet vor rund hundert Gästen eine gewöhnliche Hochzeitsfeier, die dann allerdings – nach überraschenden Ereignissen – zu einer Doppelhochzeit mit zwei gleichgeschlechtlichen Paaren mutiert. Ein Familienausflug am Sonntag mit dem Grosi wird zu einem spannenden bis stressigen Ereignis, da die alte Dame ungewöhnlich vif, dazu fast unersättlich hungrig ist und sich unter keinen noch so widrigen Umständen unterkriegen lässt. Das bringt die anwesenden Familienmitglieder ziemlich an ihre Grenzen.

Timmermahn
Hinter dem Namen Timmermahn versteckt sich Peter Klein. Er feiert nächstes Jahr seinen 80. Geburtstag, was man ihm kaum geben würde. Wer nach dieser Lesung meint, er sei nur Schriftsteller, der täuscht sich. Er ist auch Maler, Musiker, Schauspieler, Theaterautor, Geschichtenerzähler, er macht Skulpturen, Plastiken, Textilkunst, Fotografie, Film. Er ist ein Multitalent und macht das, was ihn gerade interessiert und packt.