Absurde Amtliche Werte für Liegenschaften im Saanenland
16.10.2020 LeserbriefeVor Kurzem hat die Kantonale Steuerverwaltung die neuen Amtlichen Werte der Liegenschaften den Eigentümern im Saanenland eröffnet. Frustriert stellt man fest, dass diese nun zwei bis drei Mal höher ausfallen! Was dagegen tun? Eine Einsprache gegen die amtliche Eröffnung kann eine kleine Absenkung des Wertes bewirken. Damit wird jedoch nicht die grundsätzliche Anpassung des Systems für die Bewertung im Saanenland erreicht.
Wie es dazu gekommen ist: Das Parlament beschloss 2017 eine Anpassung der Amtlichen Werte der nichtlandwirtschaftlichen Grundstücke auf 2020. Auf der Grundlage der Grundstücksverkäufe 2013 bis 2016 im Saanenland erlässt die Schätzungskommission Grundsätze, welche eine lineare Erhöhung der Werte rechnet. Ob diese nun «steuerlich korrekt» bewertet sind, wie dies die Steuerverwaltung behauptet, ist für mich zweifelhaft und benachteiligt vor allem die jungen Familien mit Wohneigentum, bzw. generell die einheimische Bevölkerung. Dies hat die Gemeindeverwaltungen im Saanenland aufgeschreckt und sie sind in Bern bei Steuerverwaltung und Finanzdepartement vorstellig geworden. Bisher ohne Erfolg. Auch die Initiativen aus Lauenen und Gsteig wurden in Bern nicht wirklich ernst genommen. Wie ist es dazu gekommen? Ich weiss es nicht. Die Grundlagen wurden gemäss dem Präsidenten der Schätzungskommission und der Finanzdirektion vernichtet. Da ist etwas faul oder die Verwaltung versucht, den Status quo zu zementieren.
Gemäss den wenigen Unterlagen, die mir zur Verfügung stehen, muss ich davon ausgehen, dass bei der Grundlagenberechnung nur die Liegenschafts-«Verkäufe» berücksichtigt wurden. Eigentumsübertragungen durch Erbgang werden steuerlich nicht als Verkauf (mit Liegenschaftsgewinn) erfasst. Dies hat nun in einer Region wie das Saanenland enorme Auswirkungen. Die restriktive Raumplanung und die Zweitwohnungsinitiative haben die Preise für (Zweit-)Wohneigentum in den Bemessungsjahren in die Höhe getrieben. Wenn nun andererseits auch noch Übertragungen im Erbgang nicht erfasst werden, steigt der Wert der Liegenschaften um das Zwei- bis Dreifache an. In der Zeit zwischen 1996 und 2020 sind die Baukosten gemäss bernischem Hauseigentümerverband für MFH um 15,6 Prozent gestiegen. Die Steuerverwaltung erhöht den Wert für Wohnungen in Lauenen jedoch um 136 Prozent! Es wird übersehen, dass Eigentümer von Zweitwohnungen in der Regel über andere finanzielle Mittel verfügen, als der Grossteil der Bevölkerung im Saanenland!
Nebst höheren Liegenschafts- und Vermögenssteuern sind die indirekten Auswirkungen der Wertzunahme der Liegenschaften absehbar: Kürzungen der Ergänzungsleistungen, der Krankenkassenprämienverbilligungen usw. Es trifft die jungen Familien – es trifft die einheimische Bevölkerung!
Bei sonst gütlichen Erbteilungen wird die Übernahme der elterlichen Liegenschaft für einen einheimischen Erben nicht mehr finanzierbar. Aktuelles, mir bekanntes Beispiel einer Erbteilung: Die Diskussion beruhte auf dem alten Amtl. Wert (AW) von 585’000 Franken Der neue AW beträgt nun 1’390’000.– (+137%) Für Renovationen in Dach, Isolation und Sanitärbereich müssten weitere Fr. 360’000.– vorgesehen werden. 1,75 Mio. Franken sind für den Erben nicht mehr finanzierbar und die Liegenschaft wird demnächst zum Kauf stehen. Ich nenne es mal Ausverkauf der Heimat mithilfe der Steuerverwaltung des Kantons Bern.
Der Einfluss der Amtlichen Werte auf die Krankenkassenprämienverbilligung und Ergänzungsleistungen wird folgen: Weil der Wert der Liegenschaft erhöht wird, wird auch der Schwellenwert für die Prämienverbilligung für Eigentümer um mindestens 15’000 Franken höher ausfallen und es werden somit vermutlich keine Prämienverbilligungen mehr nach Lauenen oder allgemein ins Saanenland fliessen. Dank Steuergerechtigkeit! Bei den Ergänzungsleistungen werden die selbst getragenen Pflegeheimkosten massiv steigen, weil die Ausgleichskasse bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen vom zusätzlichen Vermögensgewinn 20 Prozent in Abzug bringt. Dies treibt jeden bescheidenen Eigenheimbesitzer in den Ruin. Was bisher selten und nie vorkam, werden wir in Zukunft erleben: Zwangsversteigerungen der Liegenschaften.
Fazit: Ich empfehle deshalb den Gemeindebehörden im Saanenland, vereint, juristisch gegen die Finanzdirektion und die Steuerbehörde vorzugehen. Die Grundlagen müssen offengelegt und überarbeitet werden. Ob die vorgegebene Steuergerechtigkeit auch im übergeordneten Sinn gerecht ist, bezweifle ich sehr.
MARTIN HAUSER, LEISSIGEN