Nathan Mierdl ist Gewinner des «Jeunes Etoiles»-Votings

  06.10.2020 Kultur

Etwas anders – aber doch erfolgreich – endete dieses Jahr die «Jeunes Etoiles»-Konzertreihe mit einer Onlineabstimmung.

ÇETIN KÖKSAL
Im Rahmen der traditionellen «Jeunes Etoiles»-Konzertreihe des Gstaad Menuhin Festivals erhielten auch dieses Jahr fünf Nachwuchskünstler die Gelegenheit, in den Kirchen Gsteig oder Rougemont aufzutreten. Da wegen Corona fast keine Plätze in den Kirchen vergeben werden durften, wurden die Zuhörer dazu eingeladen, die Konzerte per Livestream auf Gstaad Digital Festival zu geniessen. Anschliessend konnten sie bis zum 30. September online ihre Stimme demjenigen Künstler geben, der sie am meisten überzeugte. Der junge Geiger Nathan Mierdl eroberte viele Zuhörerherzen und erhielt die meisten Stimmen. Als Preis darf er nächsten Sommer am Menuhin Festival ein Abendkonzert im Hauptprogramm ausserhalb der «Jeunes Etoiles»-Reihe geben.

Fleissig, leidenschaftlich, erfolgreich
Nathan Mierdl wurde 1998 in Frankfurt am Main geboren, wo er auch seinen ersten Musikunterricht erhielt. Es folgten Ausbildungen in Dijon, Boulogne-Billancourt und Paris. 2018 erwarb er einen Masterabschluss als Konzertgeiger bei Roland Daugareil am Pariser Konservatorium und wurde noch im selben Jahr vom Orchestre philharmonique de Radio France als Konzertmeister und Solist verpflichtet. Im selben Jahr gewann er den zweiten Preis am renommierten Yehudi-Menuhin-Wettbewerb, wobei sich dazu noch drei weitere «Neben»-Preise gesellten. Dank einem dieser Preise darf der talentierte Musiker während zwei Jahren auf einer ausgeliehenen Stradivari-Geige spielen. Auf die Frage, wie er denn die Corona-Zeit erlebe, antwortete Nathan Mierdl im Gespräch mit Christina Ruloff, Projektleiterin des Gstaad Digital Festivals, folgendermassen: «Man wird verrückt, wenn man nicht für ein Publikum, sondern nur für sich selbst spielen kann. Musik muss man teilen, zusammen erleben.» Darum empfand er die Beziehung zwischen Künstler und Publikum in den wenigen Konzerten, die er spielen konnte, auch als viel intensiver. Die konzertfreie Zeit nutzte er dazu, seine Technik zu verbessern und sich Komponisten zu widmen, für die er sonst nicht so Zeit hatte. Nathan Mierdl wollte immer schon Berufsgeiger werden. Nach der Matur versuchte er sich zwar ganz kurz als Mathematik- und Informatikstudent, merkte aber schon nach zwei Wochen, dass das nichts für ihn war und kehrte zu seinem geliebten Instrument zurück.

Online als Notlösung?
Die aktuelle Pandemie hat die Durchführung von Livekonzerten nur unter Beachtung strengster Vorsichtsmassnahmen erlaubt und unzählige Veranstaltungen mussten abgesagt werden. Nur die moderne Streamtechnik ermöglichte es Künstlern und Publikum, doch noch zueinanderzufinden. Die rege Nachfrage nach Onlinedarbietungen darf ruhig als Beweis für ein tief empfundenes Bedürfnis nach Kultur von sehr vielen interpretiert werden. Laut Christina Ruloff war das Feedback des Publikums auf die Livestreams sehr positiv und sie wertet das Voting als vollen Erfolg. Selbstverständlich freuen wir uns alle wieder auf Zeiten mit voll besetzten Kirchen und Sälen, auf das einzigartige, kostbare Erlebnis von Livekonzerten. Ist das Streamen für den routinierten Konzertbesucher eine pandemische Notlösung, so ist es für ganz viele Menschen jedoch die einzige Möglichkeit, in den Genuss eines derart vielfältigen und hochkarätigen Musikprogramms zu kommen. Beethoven und all die anderen so zahlreichen Meister vieler Epochen wären begeistert über unsere heutigen Möglichkeiten, ihre Werke in die Welt hinaus zu verbreiten.

 


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