Gstaad und Le Rosey – eine untrennbare Geschichte

  18.12.2020 Gstaad

Die Geschichte des Internats Le Rosey und diejenige von Gstaad sind seit 104 Jahren eng verknüpft. Tatsächlich ist es vorwiegend dieser Institution zu verdanken, dass Gstaad zu dem weltbekannten Kurort geworden ist, welcher er heute noch ist.

Ein Blick zurück
Das internationale Internat Le Rosey wurde 1880 in Rolle am Genfersee gegründet. 1911 suchte der damalige Besitzer Henri Carnal nach einem Wintersportort für die rund 30 Studenten, um dem kalten, nebligen Winter am See entfliehen zu können. Versuchsweise reiste Frau Carnal mit ein paar Studenten während der Winterferien nach Gstaad und mietete Zimmer in den Hotels Olden und Victoria. Sie waren alle von Gstaad begeistert, denn der Ort bot eine Auswahl von neuen luxuriösen Hotels, grosse Eisbahnen und mehrere Skipisten. Zudem konnte Gstaad mit der damals ersten elektrischen Eisenbahn der Schweiz mühelos und in kurzer Zeit erreicht werden. Alles Vorteile, welche die anderen Kurorte in der Westschweiz und im Wallis, welche auch getestet wurden, damals nicht bieten konnten. Das Ehepaar Carnal entschloss sich, vor Ort ein Haus zu kaufen. So nahm die Geschichte von Gstaad und Le Rosey, welche eine sehr erfolgreiche werden sollte, ihren Anfang.

Das Schicksal hat es gut gemeint mit Gstaad
Bevor Le Rosey jedoch definitiv den Winter in Gstaad verbrachte, wollte der Besitzer Henri Carnal in die USA reisen. Er buchte 1912 eine Reise auf der Jungfernfahrt der «Titanic». Er erkrankte jedoch einige Tage vor der Abreise an einer schweren Mittelohrenentzündung und musste die verheissungsvolle Schiffsreise annullieren. Das Schicksal hatte es mit Herrn Carnal und Gstaad gut gemeint: Hätte er die Seereise angetreten, wäre das Rosey wohl nie nach Gstaad gekommen ...

Von der Pension zum internationalen Campus
Ab 1916 mietete Familie Carnal die English Pension auf dem Ried, welche von Hotelier Walter von Siebenthal vom Bernerhof erbaut worden war. Nach dem Ersten Weltkrieg 1919 konnten die Carnals die Pension kaufen und nannten das Haus fortan Chalet Rex. Bis zum Zweiten Weltkrieg liessen die Carnals auf dem Ried zwei weitere Chalets erbauen. Die Kriegsjahre waren jedoch auch für das Rosey schwer. So sank die Schülerzahl in dieser Zeit auf ihr historisches Tief von 20 Schülern, und das Chalet Rex wurde gar zeitweise an die Schweizer Armee vermietet. Das Institut wurde dann nach dem Krieg anno 1948 an die langjährigen Lehrer Louis Johannot und Helen Schaub verkauft, da sich in der Familie Carnal kein Nachfolger finden liess.

Le Rosey wurde im Sinne der Gründerfamilie weitergeführt und in den Folgejahren wurden zusätzliche Chalets dazugekauft oder erbaut. So wurde 1970 auch das alte ausgediente Hotel Oldenhorn auf dem Oberbort gekauft, welches fortan als Dépendence für Mädchen diente (daher der Name Chalet Firo, von «Filles Rosey» herrührend). Heute besitzt Le Rosey neun Chalets auf dem Ried in Gstaad und fünf in Schönried.

Die Schule ist seit 1984 im Besitz von Anne und Philippe Gudin. Im Jahr 2015 übernahm Christophe Gudin die Direktion des Internats von seinen Eltern. In all diesen Jahren ist Le Rosey Gstaad und dem Saanenland treu geblieben.

Hockey der Weltklasse
Auch in sportlicher Hinsicht ist die Geschichte zwischen Gstaad und Le Rosey ungewöhnlich. Bevor der Skisport den Massen zugänglich wurde, waren Eislaufen und speziell Eishockey in der Region die beliebtesten Wintersportarten. Bereits ab 1908 wurde auf der Gstaader Dorfeisbahn Hockey gespielt. Ab 1917 spielte der legendäre Westschweizer Eishockeyspieler Ernest Jacquet, welcher vom Rosey als Sportlehrer verpflichtet worden war, im hiesigen Eishockeyclub mit und brachte diesen, fortan Hockeyclub Le Rosey Gstaad genannt, zu Spitzenleistungen. Zwischen 1919 und 1928 brachte es der Club auf insgesamt acht (!) nationale Meistertitel. Eine Meisterleistung, die seinesgleichen suchte. Im Jahr 1928 galt der Club Le Rosey Gstaad gar als der stärkste Club Europas, und im selben Jahr waren vier seiner Spieler im Nationalteam an den Olympischen Winterspielen in St. Moritz vertreten. In diesen Jahren durften mehrere junge Gstaader beim Club mitspielen, so zum Beispiel die Brüder Werner und Walter von Siebenthal vom Hotel Bernerhof, welche selbst zu grossen Spielern wurden. Werner wurde gar in die Schweizerische Nationalmannschaft berufen, mit der er in 32 Länderspielen spielte, davon 15-mal als Captain. Auch der spätere Schah von Persien sowie Prinz Rainier von Monaco waren während ihrer Schulzeit im Rosey begeisterte Hockeyspieler. Als Ernest Jacquet nach gut fünfundzwanzig Jahren sein geliebtes Hockeyspiel altershalber aufgeben musste, wurde es um den Hockeyclub Le Rosey Gstaad stiller. So entschlossen sich ein paar Gstaader im Jahr 1934 einen eigenen Hockeyclub, den H.C. Gstaad, zu gründen. Die äusserst freundschaftliche Verbindung zum Club Le Rosey bestand aber weiterhin und so haben sich die beiden Clubs immer wieder gegenseitig mit Spielern ausgeholfen. In der Saison 1950/51 wurde der Club so wiederum Schweizer Meister der Serie A.

Bis heute ist der Eishockeysport dem Institut Le Rosey wichtig. So hat die Schule sich 1997 finanziell stark am Bau der Kunsteisbahn im Dorf beteiligt. Seither spielen die Schüler auch wieder vermehrt Hockey. Dieser Sport steht auch heute noch nach dem Skifahren zuoberst auf dem Sportprogramm des Internats.

Ohne das Internat Le Rosey wäre Gstaad heute nicht das, was es ist
Dank dem Institut Le Rosey und seiner Verbindung zur einheimischen Bevölkerung hat Gstaad eine internationale Kundschaft aufbauen können, welche das Dorf in der ganzen Welt bekannt gemacht hat. Viele ehemalige Schüler, die eine schöne Jugendzeit in unserer prachtvollen Gegend haben verbringen dürfen, sind später nach Gstaad zurückgekehrt. Sie waren stets gern gesehene Gäste in den Hotels oder bauten sich eigene Chalets und schickten auch ihre Kinder wiederum ins Le Rosey. Oft sind die Familien schon in der dritten oder gar vierten Generation Rosey-Schüler! Unzählige berühmte Leute gingen im Le Rosey zur Schule. So zum Beispiel der spanische König Juan Carlos, die Kinder von Diana Ross, Elisabeth Taylor, John Lennon sowie Audrey Hepburn, um nur einige zu nennen. Die Namen der Schüler werden aus Diskretions- und Sicherheitsgründen natürlich nicht veröffentlicht, doch besuchen auch heute noch viele Sprösslinge einflussreicher und berühmter Familien das Le Rosey. Das Internat will ausdrücklich seine europäische Kultur erhalten, weswegen von keiner Nation mehr als 10 Prozent der Schüler aufgenommen werden. Rund ein Drittel der Absolventen schafft es an eine der 25 Topuniversitäten der Welt.

Auch in Zukunft ein eminent wichtiger Partner
Die Geschichte hat uns gezeigt, dass Gstaad und das Saanenland dem Rosey und den Familien, die dieses besuchen, viel zu verdanken hat. Ohne diese wäre unsere Region zweifellos nicht so bekannt und gut besucht. Die Kundschaft, die dadurch in unsere Region kommt, ist der Grundpfeiler aller hier ansässigen Betriebe, seien es Hotels, Geschäfte, Bauunternehmungen oder Bergbahnen. Seit ganzen 104 (!) Jahren ist das Internat im Winter hier zu Hause, und dies muss und wird auch in Zukunft so bleiben. So sind die Gemeinde und die einheimische Bevölkerung bemüht, das Institut bei seinen Ausbauplänen für die Erneuerung seines Campus tatkräftig zu unterstützen. Nur so können wir sicherstellen, dass die Schule und die Familien der Schüler der Region noch viele weitere Jahre treu bleiben werden.

Text und Bilder aus den Gstaad-Büchern von Gottfried von Siebenthal-Imhof. Text redigiert von Andrea von Siebenthal.
Fotos: Villiger und Naegeli


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