Von einem Schnee-Elefanten, einem Rindenschiff und einem ungewöhnlichen Feriengast

  31.12.2020 Kultur

Thomas Dubs war oft im Saanenland. Viele seiner Werke sind hier entstanden. Franziska Haldi hat den Künstler in seinem Atelier in Zürich besucht.

In der Wohnstube meiner Schwägerin Susi Schwenter im Erli in Schönried hing eine in lichten Farben gehaltene Landschaftsdarstellung mit der Signatur «Thomas Dubs». Thomas Dubs? Wer ist das? Sie begann zu erzählen. Der Mann begann mich zu faszinieren; aber das war bloss der Anfang. Was mich erwartete, beeindruckte mich zutiefst. Mutig meldete ich mich an und fuhr nach Zürich.

Ein Besuch bei Thomas Dubs
Mit leisem Herzklopfen stand ich vor den Backsteinmauern einer ehemaligen Biskuitfabrik an der Malzstrasse in Zürich Wiedikon, vor den Toren des Wohnhauses und den Ausstellungsräumen der Stiftung Thomas Dubs.

Thomas Dubs: Konzeptkünstler? Universalkünstler? Bildhauer? Maler und Zeichner? Handwerker? Lebenskünstler?

Was ich in den denkmalgeschützten Mauern vorfand, übertraf alle meine Vorstellungen und Erwartungen. Ein Kosmos der Farben und Formen, bewegt und beweglich, eine Welt der feinsten Details, zerbrechlich und manifest zugleich, rührend in ihrer Fragilität oder imposant in Grösse und Form. Entwürfe für die Umgebung von Schulen, Spitälern oder Privathäusern, Spielgärten für Behinderte, meist in Holz, Skulpturen, Spielzeug, Musikinstrumente, Laternen, Dinge des täglichen Lebens, aber auch Bilder, Radierungen und Bücher. Besonders beeindruckt haben mich die überdimensionierten Holzkugeln, deren Aneinanderstossen an die lebendige Musik des Steinbetts eines Flusses erinnerten. Eine unglaubliche Vielfalt!

Aber ich war ja nicht wegen des Gesamtwerks des Künstlers gekommen, nein, ich kam wegen eines Elefanten, tatsächlich, wegen eines Elefanten aus Eis! Die Figur war wohl in den frühen Siebzigerjahren hinter dem Haus der Familie Heini und Susi Schwenter im Schönried entstanden. Die Familie Dubs weilte mit ihren vier Buben einige Winter lang in der Ferienwohnung im Erli.

Im März letzten Jahres widmete die Zeitschrift «DU» dem Künstler eine Ausgabe. Ich suchte den Kontakt und erhielt postwendend die Einladung zu einem Besuch.

Dem gesamten Schaffen von Thomas Dubs gerecht zu werden, ist kaum möglich und nicht meine Intention. Gerne werfe ich aber einige Schlaglichter auf die Erinnerungen des Künstlers an seine Schönrieder-Zeit.

Im Laufe seiner Saaner Aufenthalte entstand auch eines seiner faszinierendsten Werke: das Rindenschiff. Der Sage nach sollen Wikinger im Saanenland gelandet sein. Thomas Dubs meinte, dass Darstellungen von Ruder oder Anker auf alten Häusern ihre Spuren hinterlassen hätten. Dies ist unwahrscheinlich, tut aber der Sache keinen Abbruch.

Um seiner Geschichte Nachhalt zu geben, gestaltete Thomas Dubs kurzerhand ein Rindenschiff. Es bleibt nur Staunen. Dass das fragile Kunstwerk die Zeit überlebt hat, grenzt an ein Wunder. Kennt man jedoch die peinliche Ordnung und die grosse Sorgfalt des Künstlers im Umgang mit seinen Werken, erstaunt nichts mehr. In Hunderten von Schachteln und Gestellen lagern seine Werke in den Räumen der Stiftung und sind griffbereit für den Interessenten. Eine fabelhafte Rückschau auf seine Zeit im Saanenland lag für mich bereit.

War das Rindenschiff und seine Geschichte für den «Hausgebrauch», erregte der überlebensgrosse Schnee-Elefant das Interesse der Bevölkerung. Laut Thomas Dubs gab es in der Folge zahlreiche Schneeplastiken im Saanenland. Oft sei es aber schwer festzustellen gewesen, zu welcher Spezies Tier die Kunstwerke gehörten ….

Mein Besuch war die letzte Begegnung mit einem faszinierenden Menschen und Künstler.

Thomas Dubs schied im Oktober 2019 aus dem Leben.

FRANZISKA HALDI


Susi Schwenter erinnert sich

Ein Bild, das bei uns in der Wohnstube hängt, erinnert mich stets an den Künstler Thomas Dubs. Herr Dubs verbrachte mit seiner Frau und den Kindern Stefan, Daniel, Basil und Valentin während drei Wintern einige Wochen in Schönried.

Die Familie Dubs war eine sehr angenehme, liebenswürdige und interessante Mieterfamilie. Herr Dubs war sehr kreativ: Einmal baute er hinter dem Haus eine kurvenreiche perfekte Bobbahn, die er jeweils am Abend wässerte. Wir alle sausten vergnügt hinunter. Auch erstellte er prächtige überlebensgrosse Schneeskulpturen von Wildtieren. Es entstanden auch etliche Bilder aus dem Saanenland.

Im letzten Winter seines Aufenthaltes bei uns begann er, Laternen aus Büchsen herzustellen. Auch verfasste er Bilderbücher, die aus seinem Leben in Schönried erzählten. Wir blieben mit der Familie Dubs mehrere Jahre im lockerem Kontakt. Oft flatterten Einladungen für Ausstellungen ins Haus. Tief berührte uns der Tod seines Sohnes Valentin im Jahr 1976. Wir können auf ein unglaublich vielseitiges künstlerisches Leben von Thomas Dubs zurückschauen.

SUSI SCHWENTER


Das Rindenschiff

Das Modell «Das Rindenschiff» (50×48× aus dem Bedürfnis, das Hauptmotiv zur 9 cm) entstand in Schönried, vermutlich Bildergeschichte genauer kennenzulerim Winter 1971/72. Ich baute das Monen. Durch den Bau des Schiffes konndell mit den vielen Einzelteilen aus den te ich alle Stufen der Herstellung eigengrossen abgeschälten, nach Harz dufständig erfahren und war danach bestenden Rindenstücken, die im Wald tens vorbereitet, das Bilderbuch «Das oberhalb Schönried bei den Holzerplät-Rindenschiff» zeichnerisch in allen Dezen herumlagen, sowie aus den abgetails zu erfassen. fallenen grünlich-grauen Flechten der Die Geschichte basiert auf einer al-Tannenbäume. Das Modell entstand ten Legende (Mythos) aus dem Saanenland – deren Wahrheitsgehalt ich nicht in Frage gestellt hatte – die berichtete, dass vor langer Zeit «Nordländer» mit Schiffen ins Saanenland gekommen und da geblieben seien, weil sie keinen Ausweg in den Süden finden konnten. So würden sich die Schiffsruder, die an einem alten Bauernhaus angebracht sind, erklären lassen, schrieb der mir unbekannte Verfasser.

THOMAS DUBS


Der weisse Elefant

In Schönried gab es einmal einen Tag mit viel neuem Schnee. Ein plötzlicher Wärmeanstieg, bedingt durch eine föhnige Südwestströmung, macht den Schnee «pappig». Das sind die perfekten Bedingungen für Schneerollen, die den Schnee, wie einen Teppich, bis auf die grüne Grasnarbe aufrollen.

So begann ich weit oben an einem Hang mit einer Schneekugel, rollte die immer grösser werdende Schneerolle den Hang hinab und rollte sie unentwegt bis zum Bauernhaus der Familie Schwenter, bis ich sie, auch mit der grössten Kraft und mit der Hebelwirkung eines Brettes, nicht mehr bewegen konnte. Dann machte ich eine zweite Rolle, parallel zur ersten, und brachte auch diese an den gleichen Ort. Aus diesen beiden Schneerollen entstand der weisse Elefant.

THOMAS DUBS

 

 


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