«Zum Glück gibt es Quereinsteiger»

  22.01.2021 Interview

Der Fachkräftemangel ist in der Bauspenglerei besonders gross. Unternehmer Ueli Reichenbach aus Saanen kann sich nicht richtig erklären weshalb, denn sein Unternehmen bildet seit 15 Jahren Lernende aus und stellt Quereinsteiger ein.

BLANCA BURRI

Gibt es viele Bauspengler im Saanenland?
Es gibt genügend Unternehmen für die anfallenden Arbeiten. Gesamthaft beschäftigen sie rund 20 Bauspengler.

Sie sagen, Bauspengler sei eine Mangelware.
Ich bin seit 34 Jahren Unternehmer und beschäftige in der Regel etwa neun Mitarbeitende. Der Mangel von Schweizer Fachkräften war immer eine Hauptherausforderung.

Obwohl Sie selbst ein Ausbildungsbetrieb sind?
Ja, wir bilden bis drei Lernende gleichzeitig aus. Die guten Mitarbeitenden wandern oft in grössere Firmen ins Unterland ab. Viele von ihnen verlassen das Saanenland, um dort Karriere zu machen. Tragend für den Wegzug ist, dass die Weiterbildungen im Mittelland stattfinden. Viele gute Handwerker bleiben danach dort, vor allem, wenn die Liebe ins Spiel kommt. Dort sind die Möglichkeiten betreffend Ausgang, Wohnung, Schulen für die Kinder, Hobbys viel grösser. Andere lassen sich von Temporärbüros vermitteln, um mehr Freiheit geniessen zu können.

Wie steht es um den Stellenwert eines Handwerkers?
Der Stellenwert des Handwerkers sollte höher sein als bisher. Zum Beispiel, weil er für die Erstellung der schönen Immobilien im Saanenland verantwortlich ist. Trotzdem gibt uns die Gesellschaft immer wieder zu verstehen, dass es besser Berufe als handwerkliche gibt.

Wie?
Als unser Sohn dem Lehrer verkündete, er wolle Bauspengler werden, hat dieser mich angerufen, um zu sagen, dass er etwas Besseres als Bauspengler werden könne. Das hat mir gezeigt, was in der Schule über das Handwerk gedacht wird. Ein zweites Beispiel ist momentan extrem aktuell. Infolge der Pandemie schützt der Bund alle Büromitarbeitenden, aber uns Handwerker liess er auf dem Bau immer arbeiten, als wären wir weniger wert. Natürlich bin ich sehr dankbar, dass wir arbeiten durften, aber es hinterlässt einen schalen Nachgeschmack.

Was könnte man dagegen unternehmen?
Das habe ich mir schon tausendmal überlegt, aber keine Antwort darauf gefunden. An der Entlöhnung alleine kann es nicht liegen. Ich finde es kritisch, dass die Öffentlichkeit bessere Löhne bezahlt als die Handwerksbranche, sie ist eine Konkurrenz von uns. Natürlich arbeiten wir draussen, es ist manchmal nass und kalt, dafür sind wir an der frischen Luft und sehen viele schöne Sonnaufgänge, was das Draussensein belohnt.

Wie sieht der Bekanntheitsgrad des Bauspenglers aus?
Viele Schulkinder kennen diesen Beruf nicht. Im Rahmen der Lehrstellenbörse haben wir die Gelegenheit, ihnen den Beruf vorzustellen. Unsere jetzige Lernende Neva Trummer hat uns so kennengelernt, das ist eine gute Sache. Auch am Zukunftstag schauen uns Schulkinder über die Schultern.

Macht der Branchenverband genug für die Rekrutierung?
Ich denke schon. Er ist an der BEA und so weiter präsent.

Welche Mitarbeitenden bleiben Ihrem Unternehmen treu?
Zum Glück gibt es Quereinsteiger sowie Landwirte, die im Nebenerwerb bei mir arbeiten, und Mitarbeitende aus dem europäischen Umland. Ich biete ihnen einen Monatslohn statt Stundenlohn. Ebenfalls motiviere ich sie mit fairen Anstellungsbedingungen und ich versuche, sie im Team zu integrieren, sodass sie sich wohlfühlen. Das braucht etwas Fingerspitzengefühl. Wenn die Integration gelingt, ist das sehr befriedigend.

Was tun Sie, um die Mitarbeitenden zu halten?
Ich beschäftigte sie als Jahresmitarbeitende, damit sie im Winter nicht zum RAV müssen. Das geht nur, weil ich eine gute Kundschaft habe und weil es mir wichtig ist.


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