Aus der Märzsession des Grossen Rates

  16.04.2021 Saanenland

Zum vierten und letzten Mal hat unser Grossratspräsident Stefan Costa (FDP) in der BEA-Expo-Halle die Grossratssession geleitet. Er führte uns souverän und effizient durch die anstehenden Geschäfte. Die geplante dritte Woche benötigten wir nicht mehr vollständig, um alle Traktanden abzuhandeln. Stefan Costa konnte in seinem Präsidialjahr covidbedingt keine Session im ehrwürdigen Rathaus abhalten. Ich hoffe, dass wir mit dem neuen Präsidenten im Juni wieder im Rathaus debattieren können.

Gesetzesrevision zur Besteuerung der Strassenfahrzeuge
Nach der letzten Abstimmung über die Besteuerung der Strassenfahrzeuge haben wir die Fahrzeugsteuern im Kanton Bern ab 2013 um etwa 100 Millionen reduziert. Die Fahrzeugsteuern sind im schweizweiten Vergleich einer der wenigen Bereiche, in denen der Kanton Bern nicht zu den Schlusslichtern gehört.

Am 19. März 2019 wurde die Motion Trüssel angenommen. Diese verlangt, dass das Gesetz über die Besteuerung der Strassenfahrzeuge überarbeitet wird. Bei der Reform soll eine ökologische Sichtweise berücksichtigt werden. Schwere Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht bis 3,5 Tonnen und Fahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoss sollen stärker belastet werden. Die Revision sieht Mehreinnahmen im Umfang von rund 40 Millionen Franken vor, die mehrheitlich den natürlichen Personen durch eine Senkung der Steueranlage zukommen soll.

Diese Massnahme ist nicht direkt Teil dieser Revision und wird vom Grossen Rat separat beschlossen. Im Rahmen der Übergangsbestimmungen wird diesem Umstand jedoch Rechnung getragen. Durch diese Gesetzesänderung werden die Bemessungskriterien bei Personen- und Lieferwagen, bei Kleinbussen und leichten Motorwagen erweitert. Zusätzlich zum bewährten Kriterium des Gesamtgewichts erfolgt die Berechnung der Motorfahrzeugsteuer neu in Kombination mit dem Wert der CO2-Emissionen. Damit sollen die klimapolitischen Zielsetzungen des Bundes und des Kantons generell unterstützt werden. Durch diese neuen Bemessungskriterien sollen Käuferinnen und Käufer motiviert werden, sich für ein möglichst umweltgerechtes und klimaschonendes Fahrzeug zu entscheiden. Der Fahrzeugpark im Kanton Bern sollte dadurch positiv und klimafreundlicher beeinflusst werden. Vorteile und Nachteile wurden diskutiert:
– Wie viel mehr ist der Motorfahrzeughalter bereit zu bezahlen zugunsten des Klimas?
– Bei welchen Fahrzeugen wird das Verursacherprinzip betreffend Kostenbeteiligung an den Strassen nicht berücksichtigt?
– Ist es richtig, dass Motorfahrzeughalter die restlichen Steuerzahler entlasten?
– Wer kann leicht auf ein Elektrofahrzeug umstellen, wer hat grossen Aufwand?
– Wie wird die Gesetzesänderung im ländlichen Raum goutiert? etc.
Das Gesetz kommt in der Junisession zur zweiten Lesung in den Rat zurück. Ob das Referendum ergriffen und das Volk das letzte Wort haben wird, ist noch nicht klar.

Angebotsbeschluss für die Jahre 2022–2025/Goldenpass Express gehört zum Grundangebot
Das Budget für den öffentlichen Verkehr für die nächsten vier Jahre wurde uns vorgelegt. Nach vielen Diskussionen und Anpassungen wird das Budget durch den Grossen Rat genehmigt (der «Anzeiger von Saanen» hat über die Erweiterung des Grundangebots des Goldenpass Express berichtet). Viele Steuergelder fliessen in den öffentlichen Verkehr. Warum gerade wo im Kanton in welche Strecken wie viel investiert wird, wo Zusatzangebote realisiert werden etc. ist schwer nachvollziehbar. Die Frage nach Angebot und Nachfrage wurde im Rat kontrovers diskutiert. Wie oft würde ein Zug benutzt werden, wenn er fahren würde? Ist es nötig, zwischen Bern und Langenthal bis Mitternacht einen Halbstundentakt zu fahren? Für unsere Region ist es sehr wichtig, unsere Anliegen bei der regionalen Verkehrskonferenz einzubringen und den Druck auf Verbesserungen hochzuhalten. Die zuständige Person ist gefordert. Randregionen müssen sich laufend bemerkbar machen, um auch kleinere Verbesserungen zu erreichen.

Neubewertung der Liegenschaften im Saanenland
Das Engagement der Gemeinde Saanen und weiteren elf Gemeinden aus dem Berner Oberland – welche allen Grossrätinnen und Grossräten ein Argumentarium zugesandt haben, mit der Frage, warum die Motion «Beschluss des Grossen Rats ist korrekt und massvoll umzusetzen» anzunehmen und nicht abzuschreiben sei – wurde beachtet. Auch die Mitmotionäre halfen mit, das Thema und die Problematik aufzuzeigen. Mit vielen realitätsfremden Beispielen konnten wir einige Grossratskolleginnen und -kollegen überzeugen. Durch verschiedene Verfügungen zu den neuen Amtlichen Werten in der Region Saanenland wurde klar ersichtlich, dass bei der Bewertung die Differenzierung der Gegebenheiten nicht zu Ende gedacht wurde. Die speziellen Situationen im Saanenland wurden bei der allgemeinen Formel für die Neubewertung von der eingesetzten Expertenkommission zu wenig berücksichtigt. Es ist schwierig, einen Lösungsansatz zu finden, welcher die über 300 Gemeinden und über 700’000 Liegenschaften im Kanton Bern richtig einschätzt. Der Regierungsrat und die kantonale Verwaltung beobachten unsere Region in vielen Sparten sehr genau. Rechte und Pflichten werden fair bearbeitet und entsprechend umgesetzt. Ich bin überzeugt und erwarte auch, dass die Steuerverwaltung des Kantons betreffend der Amtlichen Neubewertung nochmals genau hinschaut und gemeinsam mit der Gemeinde neue Lösungen sucht. Nebst vielen anderen Gemeinden haben auch wir das Recht, dass unsere Liegenschaften massvoll und korrekt bewertet werden. Ich erwarte von der Steuerverwaltung, die Anliegen der Gemeinden jetzt zu berücksichtigen und uns nicht auf eine spätere Anpassung zu vertrösten. Auch die Einsprachen der Liegenschaftsbesitzer müssen klar und nachvollziehbar behandelt werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Steuerverwaltung ohne Einschätzungen vor Ort zielführende Lösungen erarbeiten kann. Ob die Liegenschaften mit offensichtlich zu hohen Einschätzungen jener Besitzer, die keine Einsprache eingereicht haben, nochmals angeschaut werden, ist noch offen. Die Steuerverwaltung steht vor einer grossen Herausforderung, die AN20 richtig umzusetzen, nicht zuletzt wegen der Opposition aus dem Saanenland und der überwiesenen Motionen des Grossen Rats.

Härtefallentschädigung auch für Firmen zwischen 50000 und 100000 Franken Umsatz
Zwei Motionen forderten, dass auch Firmen ab 50’000 Franken Umsatz Härtefallgesuche einreichen dürfen, wie es die Anspruchsvoraussetzungen des Bundes vorsehen. Der Kanton Bern setzte die Grenze auf 100’000 Franken Umsatz – also schärfer als der Bund. Begründungen des Regierungsrates waren: Kleinbetriebe hätten andere staatliche Unterstützungsmöglichkeiten; eine Kleinfirma ohne Mehrwertsteuerpflicht und ohne Buchhaltungspflicht hätte viel zu viel Aufwand, die geforderten Unterlagen mitzuliefern; Firmen unter 100’000 Franken Umsatz leisteten einen zu kleinen volkswirtschaftlichen Beitrag; Härtefallentschädigung gebe es nur für ungedeckte Fixkosten etc. Viele konnten diese Haltung nicht begreifen. Die «Kleinen» sind auf einen Nebenverdienst angewiesen und sind froh auch um kleine Unterstützungen. Es ist nicht jeder ein Riese wie zum Beispiel die Inselgruppe, welche im letzten Jahr über 50 Millionen Franken Covid-Unterstützung erhalten hat. Der Grosse Rat stimmte den Motionen mit über 100 Stimmen zu.

Eine Hürde weniger bei den Bauvorschriften
Am letzten Tag der Session hatten wir noch diverse Traktanden der Direktion für Inneres und Justiz abzuarbeiten. Diverse raumplanerische Themen wie: Abbau- und Deponie-Bericht; PREFA-Dächer; Zufahrtstrassen; Transitplatz Wileroltigen; Ausnützungsziffer etc. Drei Parteikollegen forderten in einer Motion die Regierung auf, die Nutzungseinschränkung bei Gebäuden (Nutzungsziffer) sei aufzuheben. Die Gesetze oder andere Bauvorschriften seien so anzupassen, dass Nutzungs- oder Ausbaueinschränkungen von Gebäuden im Innern (Ausnützungsziffer) nur noch in begründeten Fällen erlaubt sind. Bei bestehenden Gebäuden sollen bei den Ausnützungsziffern keine Obergrenzen mehr gelten. Diese zwei Punkte wurden vom Kantonsparlament überwiesen. Welche Auswirkungen für unsere Gemeinde entstehen, wird sich zeigen. Die Gemeinden können mit dem situationsgerechten Einsatz von raumplanerischen Instrumenten auch ohne Ausnützungsziffer ihren Lebensraum eigenverantwortlich gestalten. Da wir im Saanenland mit der Handhabung von Bauland bereits vernünftig umgehen, ist es von Vorteil, bestehende Gebäude mit weniger Einschränkungen optimal zu nutzen.

HANS SCHÄR, GROSSRAT FDP, SCHÖNRIED


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote