Kinder im Glauben erziehen – macht das heute noch Sinn?

  30.04.2021 Kirche

In unserer Zeit sehen viele Eltern keinen Sinn mehr im Praktizieren des christlichen Glaubens. Glaube sei Privatsache – und manchmal habe ich das Gefühl, diese Privatsache sei so privat, dass Eltern kaum einmal mit ihren (heranwachsenden) Kindern darüber reden. Dabei wollen Kinder wissen, was ihre Eltern glauben. Kinder tragen eine gesunde Neugier in sich und stellen religiöse Fragen.

Die religiöse Entwicklung von Kindern wurde im ausgehenden 20. Jahrhundert wissenschaftlich untersucht: So wie sich Kinder auf dem ganzen Erdball in unterschiedlichen Kulturen motorisch ähnlich entwickeln (wann brabbelt es, wann sitzt es, wann lernt es laufen etc.), entwickelt sich das Kind auch auf der religiösen Ebene.

Religiöse Entwicklung von Kindern
Fragen rund um religiöse Vorstellungen von einem höheren Wesen, sei es Gott oder eine sonstige höhere Macht, beantworten viele Kinder rund um den Erdball mit auffallender Ähnlichkeit. Damit meint man nicht, dass alle Religionen gleich sind. Aber alle Religionen gehen von einer Transzendenz aus, einer höheren Macht. Wenn wir nun den Kindern keine Religion überstülpen, sondern einfach auf ihre altersgerechten Fragen eingehen, entwickeln viele ähnliche Fragen und Vorstellungen. Jedes Kind fragt nach etwas Höherem, das alles erschaffen haben muss. Also jedes Kind stellt religiöse Fragen und ist in diesem Sinne ein religiöses Wesen.

Diesem Umstand gilt es in der christlichen Erziehung Rechnung zu tragen. Ab einem gewissen Alter bilden sich dann die Heranwachsenden selber eine Meinung, ob und wie sie glauben wollen. Auch die Kirche ist sich dieser religiösen Entwicklung bewusst und geht altersentsprechend auf die Kinder ein, die ihren Mitarbeiterinnen anvertraut werden.

Unser Angebot
Im Saanenland gibt es ein breites kirchliches Angebot für Kinder und Jugendliche: Für Kinder im Vorschulalter bis zur Unterstufe finden Anlässe wie die Chinderchilche Gsteig, die Sonntagschule Turbach oder der Kinderstern Schönried statt. Wer sein Kind gerne draussen spielen lässt, für den empfiehlt sich das Fröschli-Cevi. Für Kinder ab der 2. Klasse finden die Cevi-Nachmittage statt und Teenager ab zwölf Jahren treffen sich freitags zum Teenieclub. Jugendliche, die gerne Hip-Hop tanzen, treffen sich mittwochabends im grossen Saal des Kirchgemeindehauses zum Breakdance.

In der Kirchlichen Unterweisung (KUW) werden die Kinder in die Grundlagen des christlichen Glaubens eingeführt. Die Unterrichtsform kann man Neudeutsch auch als «teaching in religion» bezeichnen, also das Eintauchen und Feiern unseres christlichen Glaubens. Die Volksschule nimmt im Lehrplan 21 ähnliche Themen auf, setzt aber vom Konzept her auf «teaching about religion». Die Schüler lernen also Inhalte aus unserem Glauben, vergleichen sie allenfalls mit anderen Religionen, feiern aber nicht gemeinsam Abendmahl oder gestalten Gottesdienste. Auch das Gebet und die gemeinsame Bibellektüre muss in der Schule aussen vor bleiben, da sie laizistisch organisiert ist und das ist auch richtig so.

Unsere Aufgabe als Kirchgemeinde ist aber, Kinder und Jugendliche mit den Geschichten und Werten des Christentums vertraut zu machen und sie in das Wesen und Wirken unserer Kirchgemeinde einzuführen. Auch die weltweite Kirche ist immer wieder ein Thema. In der Oberstufe kann es durchaus auch sein, dass KUW-Schüler eine Synagoge besuchen oder sich mit verschiedenen Glaubensformen und -richtungen auseinandersetzen. Unser Glaube soll immer wieder auch mit der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen im Zusammenhang stehen.

Die KUW ist freiwillig, gleichzeitig aber Voraussetzung für die Konfirmation im 9. Schuljahr. Gerne gehen wir auf Ihre Fragen rund um die religiöse Erziehung ein. Greifen Sie ungeniert zum Hörer oder in die Tasten. Wir sind auf verschiedenen Kanälen erreichbar.

DANIEL BURRI


KINDER FRAGEN

• Wichtig ist nicht, ob ich die religiösen, philosophischen Fragen meiner Kinder abschliessend beantworten kann. Wichtig ist aber, dass ich authentisch bin. Ich kann sagen: «Dazu muss ich mir zuerst Gedanken machen oder jemanden fragen.» Die Kinder bestehen dann aber zu Recht darauf, dass man darauf zurückkommt.
• Wichtig ist auch, dem Alter entsprechende Antworten zu geben. Einem Fünfjährigen zu erklären, dass die Geschichte von Adam und Eva nur symbolisch gemeint ist, macht wenig Sinn. So gebe ich in den unterschiedlichen KUW-Klassen auch unterschiedliche Antworten.
• Das biblische Weltbild ist anders, als wir das heute kennen. Das dürfen wir ruhig auch erklären. Allerdings korrigieren wir nicht einmal einen Erwachsenen, wenn er entgegen unserem heutigen Weltbild sagt: «Die Sonne geht unter.» Die Erde dreht sich nämlich wissenschaftlich gesehen um die Sonne, deshalb wird es dunkel. Es ist aber nicht die Sonne, die sich bewegt. So müssen auch wir das Weltbild der Bibel nicht dauern zu korrigieren versuchen.
• Kinder fragen nicht auf Knopfdruck. Eltern müssen bereit sein, im Alltag von ihren Kindern gefragt zu werden: beim Spaziergang (Wer hat das alles eigentlich gemacht?) oder wenn am Familientisch die Nachricht eines schweren Unfalles eintrifft. Wie gehen die Eltern damit um? Hat das etwas mit meinem Weltbild zu tun (Grossvater ist jetzt im Himmel)?


EMPFEHLENSWERTE BIBELN

Schon nur im deutschsprachigen Raum gibt es Dutzende von Kinderbibeln. Doch welche passt nun in unsere Familie und ist für welches Alter besonders geeignet? Ich habe hier eine Auswahl für verschiedene Altersgruppen getroffen:

Die Bibel für die Allerkleinsten
Nacherzählt von Mathias Jeschke. Illustriert von Rüdiger Pferrer. Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2018

ISBN 978–3–438–04678–9

Diese Bibel ist geeignet für Kinder ab 3 Jahren. Damit Kleinkinder die Texte verstehen können, hat der Autor die Geschichten erheblich vereinfacht und in wenigen Sätzen zusammengefasst. Den comicartigen Illustrationen sieht man Freude, Trauer, Angst und Betroffenheit an.

Die grosse Bibel für Kinder
Nacherzählt von Tanja Jeschke. Illustriert von Marijke ten Cate. Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2018.

ISBN 978-3-438-04070-1

Diese Bibel eignet sich für Kinder ab 4 Jahren zum Vorlesen oder ab 8 Jahren zum selber lesen. Die biblischen Geschichten sind warmherzig und einfühlsam nacherzählt, illustriert werden sie durch fröhliche Bilder mit intensiver Leuchtkraft. Sie schaffen eine wunderbare Verbindung zwischen der Welt der Bibel und dem Leben der Kinder.

Die Basis Bibel
Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart 2021,

ISBN 978–3–438–00911–1

Diese vollständige Bibel eignet sich für Jugendliche und Erwachsene. Sie ist einfach zu lesen und gut zu verstehen. An den Randspalten werden Stichworte einfach erklärt. Sie wurde Anfang Jahr im ganzen deutschsprachigen Raum lanciert; wegen grosser Nachfrage gibt es momentan Lieferschwierigkeiten.


FARBENSPIEL FAMILY

farbenspiel.family ist die Inspirationsplattform für Eltern, die Wert auf eine religiöse Erziehung legen. Es richtet sich an Familien mit Kindern von 0 bis 8 Jahren. Es bietet verschiedene Inhalte an (Bilder, Lieder, Texte, Videos und mehr) und wurde Anfang Jahr in der ganzen Schweiz lanciert.

Fragen rund um das Kirchenjahr (Was geschah schon wieder an Pfingsten?) werden auf kindergerechte Weise erläutert.

Verschiedene Broschüren können bestellt werden:
• Kinder ins Leben begleiten
• Abschied, Tod und Trauer gestalten
• als Familie nachhaltig leben
• Advent und Weihnachten leben

Die Homepage ist ein Gemeinschaftsprojekt der reformierten Kirche des Kantons Zürich, der katholischen Kirche im Kanton Zürich, der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn und der römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Bern.


STUFEN RELIGIÖSER ENTWICKLUNG

Der bekannte Schweizer Professor Fritz Oser untersuchte die religiöse Entwicklung von Kindern. Er untersuchte weltweit Tausende Kinder verschiedenen Alters und stellte ihnen dieselben Fragen über die Existenz und das Wesen Gottes. Zusammen mit Paul Gmünder entwickelte er verschiedene theoretische Dilemmata, also Geschichten, die eine Problemsituation schildern und deren Lösung stets ein Abwägen für und gegen einzelne Werte darstellen.

Stufe 1 bis ca. 8 Jahre
Gott (oder jeweils ein übernatürliches Wesen) ist übermächtig, aber beschützt mich. Er beeinflusst mich direkt. Ich muss ihm gehorchen, wenn ich meine Beziehung zu ihm nicht verlieren will.
Stufe 2 ca. 7 bis 12 Jahre
Ich kann Gott beeinflussen. Er schickt mir Lebensprüfungen, die ich bestehen muss. Wenn ich mich im Alltag bewähre, dann ist er wie ein guter, liebender Vater und ich bin glücklich, gesund und erfolgreich. Ich kann Gott durch Gebete und Rituale beeinflussen, Gott beeinflusst aber auch mich.
Stufe 3 ca. 12 bis 16 Jahre
Gott und die Welt sind getrennt. Ich bin unabhängig von Gott für mein Handeln verantwortlich, für das Sorgetragen zu Umwelt und Mitmensch. Gott ist nicht direkt beeinflussbar. Er hat das Grosse und Ganze erschaffen und im Griff.
Stufe 4 ab 15 Jahren
Das Leben ist ein Geschenk Gottes. Der Mensch handelt, weil es Gott gibt. Gott wirkt durch das Tun der Menschen. Der Glaube hat viele Ausdrucksformen.
Stufe 5 selten
Das Letztgültige durchdringt alles. Das Göttliche ist nicht ohne das Menschliche zu denken. Geschichte und Offenbarung ereignen sich dort, wo Menschen aufeinander zugehen und füreinander da sind.

Diese Stufen sind keinesfalls wertend gemeint. Es kann sein, dass auch Erwachsene in Fragen nach dem Wesen und der Existenz Gottes auf Stufe 2 argumentieren. Die Stufen beschreiben einfach die häufigsten Antworten nach Altersstufen eingeteilt, ähnlich wie das psychosoziale Stufenmodell von Erik H. Erikson in der Entwicklungspsychologie.


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