«Es ist mein 15. Turnierbadge, den ich heute trage»

  27.07.2021 Interview

Nach zehn Jahren als Verantwortlicher Staff, also Chef der rund 18 Ressortleiter, übergibt David Schmid sein Amt an Fabrice Thormann. Warum es jetzt Zeit wird, aufzuhören, was beim Rückblick bewegt, wer sein Favorit ist und was er dem Turnier in Zukunft wünscht, das verrät er im Interview.

JENNY STERCHI

David Schmid, zuallererst, spielen Sie selber Tennis?
Ja, ich spiele Tennis, aber eben viel zu unregelmässig. Wenn ich im Sommer zweimal auf dem Platz stehe, dann bin ich schon gut. Mir fehlte bisher die Zeit, aber zukünftig habe ich ja dann hoffentlich mehr davon, denn ich würde sehr gern mehr das Racket schwingen.

Wie lautet die Bezeichnung Ihrer Funktion am Swiss Open Gstaad?
Es gibt an unserem Turnier rund 18 Ressortleiter. Diese sind verantwortlich für Ballkinder, Linienrichter, Hostessen und alle anderen Helfer. Als Verantwortlicher Staff bin ich somit ihr direkter Vorgesetzter, bin Ansprechperson und vertrete die Turnierleitung.

Und wie muss man sich nun Ihren Einsatz vorstellen? Was sind Ihre Aufgaben genau?
280 freiwillige Helfer müssen verpflegt, eingekleidet und untergebracht sein. Ich muss das Ganze im Vorfeld planen und dann schauen, dass die Planung möglichst genau übernommen wird und andernfalls Korrekturen möglichst schnell und unkompliziert vorgenommen werden. Neben den freiwilligen Helfern haben wir auch professionelle Helfer und Mitarbeiter auf dem Platz, deren Entschädigung organisiert sein muss. Auch das gehört in meinen Verantwortungsbereich.

Wie lange sind Sie für das Gstaader Turnier im Einsatz?
Ich habe das Amt 2012, also vor zehn Jahren, von Caroline Schwenter übernommen. Sie hat mir genauso ein Übergangsjahr gewährt, wie ich es jetzt mit meinem Nachfolger praktiziere. Ich habe jedoch schon vorher mit dem Turnier zu tun gehabt. Ich war schon im Vorverkauf tätig und habe damals in meiner Lehrzeit bei Hermenjat Sport bereits Rackets fürs Turnier bespannt. Ich habe nachgezählt, es ist mein 15. Turnierbadge, den ich heute trage.

Gibt es ihn, Ihren schönsten Moment am Turnier?
Die Ankunft der Helfer ist immer wieder ein wunderbarer Moment. Mit der Zeit kennt man sich und freut sich über das Wiedersehen in jedem Sommer. Wenn dann jeder Helfer auf seinem Posten steht und es passieren keine Fehler, dann sind das echte Glücksmomente. Zu den ganz besonders schönen Augenblicken gehörte sicher auch die Teilnahme von Rodger Federer am Gstaader Turnier. Die Euphorie bei den Zuschauern und die Magie, die damals in der Arena herrschte, waren wirklich unbeschreiblich.

Wann war Federer am Turnier dabei?
Er kam 2013 nach Gstaad in die Roy Emerson Arena. Das war für mich eine bleibende Erfahrung. Meine Vorgängerin hatte mir bei unserer Übergabe 2012 versichert, dass die Abläufe jeweils einfach ins nächste Jahr kopiert werden könnten, da sie im Grossen und Ganzen immer identisch seien. Und dann kommt gerade in meinem ersten Amtsjahr Rodger Federer ans Turnier. Er sprengte alle Dimensionen, nichts war wie immer. Im Jahr darauf hallte die Federer-Teilnahme noch nach. 2015 gab es dann die Jubiläumsausgabe zum 100-jährigen Bestehen mit allen Specials vorher und während des Turniers. Ebenfalls alles andere als ein normales Turnier. Im Jahr darauf wurde dann das Damenturnier neu lanciert und während der folgenden zwei Jahre als komplexer Anlass mit dem Herrenturnier durchgeführt. 2019 kehrten wir dann zu einem normalen Turnierablauf zurück, bevor wir 2020 von der Corona-Pandemie knallhart ausgebremst wurden. Und die diesjährige Turnierversion ist von einem vorher nie dagewesenen Schutzkonzept begleitet. Rückblickend konnte ich nicht ein einziges Mal «einfach ins nächste Jahr kopieren».

Wann war die Anspannung bei Ihnen jeweils am grössten?
Es sind die ersten zwei Turniertage, die jeweils ein Kribbeln verursachen. An denen stellt sich heraus, ob alles und jeder an seinem Platz ist. Wenn es dann läuft, zahlt sich eine gute Vorbereitung jeweils aus. Kleine Probleme können gut gelöst werden, wenn nichts Grosses im Weg steht. Das Wetter ist ein Faktor, der sich direkt auf die Anspannung auswirkt. Wenn wir wie in diesem Jahr acht Tage herrliches Sommerwetter haben, müssen wir am Anfang des Turniers dafür sorgen, dass wir an jedem Turniertag genügend Kaltgetränke und Sonnencreme bereithalten. Und dann läuft das Ganze. Wenn es aber zwischen kalt, nass und Schnee wechselt, dann wird es sehr anspruchsvoll. Warme Getränke müssen bereitgestellt und Trocknungsmöglichkeiten für Kleider zur Verfügung gestellt werden. Verzögerungen im Spielplan, verursacht durch Gewitter oder Regenpausen, bedeuten immer Mehraufwand in der Organisation aller Mitarbeiter. Aber auch die Abreise der Helfer sorgt für eine gewisse Nervosität, denn mit der Verabschiedung wird den Helfern jeweils auch ein kleines Entgeld überreicht. Hier ist die Zusammenarbeit zwischen allen Ressortleitern unbezahlbar.

Haben Sie andere Turnier besucht? Einfach, um zu schauen, wie es andernorts läuft?
Ja, ich war bereits zweimal an den Swiss Indoors in Basel und einmal an Damenturnieren in Biel und in Lausanne. Doch grundsätzlich glaube ich, dass jedes Turnier sein eigenes Format hat. Und die sportlichen Grossveranstaltungen in Gstaad verkörpern ihren eigenen Charakter.

Hatten Sie jeweils Kontakt zu den Spielern?
Ein bisschen. Es gab Spieler, die kannte man mit der Zeit und freute sich, sie wiederzusehen. Um aber Beziehungen aufzubauen, fehlte die Zeit. Und diesen Anspruch hatte ich auch nicht. Wenn die Spieler happy waren, war es ein Zeichen für mich, dass die Helfereinsätze zu hundert Prozent funktioniert haben.

Warum geben Sie gerade jetzt Ihr Amt weiter?
Ich habe neue Verpflichtungen angenommen und muss nun an anderer Stelle abbauen. Ich kann mit gutem Gewissen meinen Posten verlassen. Das Besondere am Gstaader Turnier ist die Turniertreue unter den Helfern. Und weil das Team sich so sehr gut einspielen kann, funktioniert es unter den Ressortleitern reibungslos. Auch wenn es einen Wechsel gibt.

Was wünschen Sie dem Turnier für die Zukunft?
Das Turnier in Gstaad hat zwei einmalige Merkmale. Zum einen ist es seine Geschichte, die seit über hundert Jahren geschrieben wird. Wir gehören zu den ältesten Turnieren auf der ATP-Tour. Die zweite einmalige Charakteristik ist die Kulisse, die sich Spielern und Zuschauern am Gstaader Turnier bietet. Das kann uns niemand nehmen und dessen sollten wir uns bewusst sein. Ich wünsche, dass der Rückhalt in der Bevölkerung bestehen bleibt und vielleicht sogar noch gestärkt wird. Natürlich wünsche ich dem Turnier viele Zuschauer, aber das hat man kaum in der Hand. Das Wetter und der Turnierkalender der ATP sind diesbezüglich zwei wichtige Faktoren, auf die weder die Turnierleitung noch die Turnierbesitzer Einfluss haben. Und dieses Verständnis bei den Menschen zu erreichen, ist ebenfalls ein Wunsch von mir. Entgegen dem oft kommunizierten Anspruch, doch mal wieder «echte» Spitzenspieler nach Gstaad zu holen, bin ich von der Philosophie «Today’s Champions meet Stars of Tomorrow» überzeugt. Sie bietet die Basis für Authentizität und Identifikation des Gstaader Turniers.

Werden Sie zukünftig auch ohne Turnier-OK-Ausweis auf der Tribüne des Gstaader Center-Courts zu sehen sein?
Ja, auf jeden Fall. Durch mein Engagement in der Gemeinde, die seit Kurzem Inhaberin der Turnierrechte ist, werde ich nahe am Geschehen bleiben. Und natürlich bleibt das Gstaader Tennisturnier für mich eine Herzensangelegenheit. Sollten sie also Hilfe brauchen, werde ich ganz sicher nicht Nein sagen.


«Es war eine sehr professionelle Übergabe»

Unterstützt durch David Schmid ist Fabrice Thormann seit dem Frühling damit beschäftigt, die Abläufe des Swiss Open Gstaad vor und vor allem hinter den Kulissen zu durchschauen. Denn er übernimmt das Amt des Verantwortlichen Staff. In diesem Jahr steht David Schmid noch neben ihm für die Übergabe.

JENNY STERCHI

Fabrice Thormann, Sie sind seit diesem Jahr im Einsatz als Verantwortlicher Staff. Ist der Start gelungen?
Ja, sehr gut. Ende März haben David und ich mit den groben Abläufen angefangen. Und dann ist es immer präziser geworden. David war immer neben mir und hat mir den Kontext der einzelnen Entscheidungen und Tätigkeiten erklärt. Absprachen, die zwischen den Helfern und Mitarbeitern bestehen, hat er mir weitergegeben und mich bei allen, die ich kennen muss, vorgestellt. Es war eine sehr professionelle Übergabe.

Und das konnten Sie sich alles merken?
Nein, ich habe mir alles aufgeschrieben und einen Ordner angelegt. Das ist sozusagen mein Schatz, auf den ich sehr gut achtgeben werde. Während des Turniers konnte ich aber direkt herausfinden, welche Bedürfnisse jedes einzelne Ressort hat. Nach meinem ersten Turnier habe ich nun einen klaren Überblick über all meine Aufgaben und werde versuchen, diese so gut wie möglich umzusetzen.

Kannten Sie das Turnier schon vorher?
Ja, ich war als Zuschauer auf den Tribünen der Roy Emerson Arena.

Sind Sie im Saanenland daheim?
Ursprünglich komme ich aus Neuenburg. Dank meinem Grossvater und meinem Vater habe ich das Saanenland aber schon früh kennengelernt. Wir kamen immer in die Ferien hierher. Dank dem habe ich das Skifahren hier gelernt. Mit 17 Jahren habe ich mich entschieden, meine Leidenschaft für den Schneesport weiterzugeben. Darum habe ich angefangen, Skiunterricht in der Skischule Saanen-Schönried zu geben. Seit zehn Jahren bin ich dort immer im Winter tätig und fühle mich nun hier zu Hause.

Dann füllt dieser Job beim Swiss Open Gstaad den Sommer?
Genau. Ich bin beim Turnier von März bis Ende August beschäftigt. Das geht genau auf. So kann ich meinen Job in der Skischule Saanen-Schönried weitermachen. Daneben habe ich mit meiner Schwester Magali im letzten Jahr ein Start-up-Unternehmen gegründet, das im Saanenland verankert ist. Wir organisieren Firmenauflüge im Saanenland, die wir dank unseren lokalen Partnern umsetzen können.

Spielen Sie selber Tennis?
Ja, ich habe schon als Kind Tennis gespielt und tue es auch heute noch.

Wer ist Ihr Favorit in diesem Jahr?
Ganz klar Denis Shapovalov. (Auch er lag falsch mit seiner Prognose, aber das nächste Turnier kommt bestimmt.)

 


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