Verspätetes Heuen

  23.07.2021 Landwirtschaft

Endlich Sonne! Und endlich die Möglichkeit zum Heuen für die Landwirte. Der verregnete Frühsommer hat das Heuen stark verzögert. Hat das Auswirkungen auf die Qualität des Futters, die Quantität der Milch oder die Gesundheit der Kühe?

SONJA WOLF
Das kalte und regnerische Wetter in diesem Frühling und Frühsommer hat aufs Gemüt geschlagen, sicher. Aber nicht nur das. Die Landwirte hatten auch ein ganz anderes Problem: Mancherorts wird jetzt erst der erste Schnitt auf den Wiesen gemacht – drei bis vier Wochen später als normalerweise. Gräser sollte man eigentlich vor der Blüte schneiden, dann haben sie den höchsten Energiewert. Nun ist es reichlich spät: Wenn das jetzt produzierte Futter hauptsächlich aus gelben, ausgewaschenen Stängeln besteht, würde es sich laut Merkblatt 3 der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Futterbaus (AGFF) bereits im letzten der sieben Stadien befinden (siehe Tabelle 1). «Dies könnte im Moment überall bis ca. 1500 Meter der Fall sein», vermutet Martin Zbinden, Berater und Lehrer am Bildungs-, Beratungs- und Tagungszentrum Inforama und selbst Landwirt in Rüschegg.

Viele Kräuter machen den Unterschied
Hat das Auswirkungen auf die Milch? Laut AGFF-Merkblatt 3 liegt der Energiewert von Gräsern im Stadium 7 bereits sehr niedrig (4.0 MJ NEL). Dies entspräche nur noch dem Wert von Stroh und ergäbe ein Milchproduktionspotenzial (MPP) von gerade einmal 2kg Milch pro Tag und Kuh. Im Vergleich dazu: 17kg Milch wären bei einer optimalen Heubeschaffenheit (Stadium 3) möglich. (Tabelle 1)

Allerdings gibt es gerade im Berggebiet auch weniger intensiv bewirtschaftete Wiesen mit vielen Kräutern. «Hier ist trotz des Alters des Futters noch eine passable Qualität möglich», so Zbinden. «Die Energieversorgung ist für gesunde Tiere ausreichend, einzig beim Eiweiss gibt es ein Manko.» Ein Milchertrag von 13kg pro Tag scheint da möglich zu sein (siehe Tabelle 2).

Kühe auf Diät
Merken die Kühe, dass der Energiewert aus ihrem Futter geringer ist und fressen dann einfach mehr? – «Leider nein», antwortet Berater Zbinden vom Inforama auf die Nachfrage, «denn eine Pflanze, die lange keine Sonne sieht, bildet weniger Zucker. Sie geht gleichsam in Sparmodus und schmeckt den Kühen dann auch weniger!» Der starke Regen und teilweise auch Hagel führe zudem dazu, dass weitere Nährstoffe ausgewaschen werden und das Heu teilweise zu faulen beginnt.

Eine Kuh, die weniger frisst, baut nach dem Abkalben Körperfett ab. Das kann zu Stoffwechselstörungen oder zu Klauenproblemen führen und sogar auf die Fruchtbarkeit Auswirkungen haben, so Zbinden.

Einige Handlungsempfehlungen
Es ist, wie es ist: Der Sommer hat nun einmal kalt und regnerisch begonnen. Dennoch können einige Hinweise von Inforama-Berater Martin Zbinden eventuell weiterhelfen:
• Wer jetzt noch viel Heu machen musste, das hauptsächlich aus gelben Stängeln besteht, sollte dieses nach Möglichkeit trotzdem einwandfrei konservieren. Denn mit etwas Glück kann man älteres, aber staubfreies Heu an Pferdehalter verkaufen.
• Alternativ solches Heu für Galtkühe und ältere Aufzuchtrinder aufsparen. Bei einer intensiven Aufzucht muss aber unbedingt mit nährstoffreicherem Futter ergänzt werden.
• Ein Mischwagen macht dieses Futter nicht wertvoller, aber es könnte als Strukturkomponente allfällig eingesetztes Stroh ersetzen.
• Der kommende zweite und dritte Schnitt bringt eventuell den Ausgleich. Die laktierenden Tiere im Winter vorrangig aus diesen Vorräten füttern. Wenn nötig, eiweissreicheres Futter zukaufen.
• Es zeigt sich dieses Jahr wieder einmal, wie wichtig ein zeitiger Beginn beim Heuen ist, wenn es irgendwie möglich ist. Eine schlagkräftige Erntekette inklusive Heubelüftung hilft dabei.

www.agff.ch/online-shop/merkblaetter.html www.inforama.ch


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