«Saanen ist unsere bevorzugte Option»

  03.08.2021 Saanen

Noch bis am 8. August dauert das Segelfluglager in Saanen. Jungpilot Corsin Widmer geniesst nicht nur die Stunden in der Luft, sondern auch die Alternativ- oder Schlechtwetterangebote in der Region. Gerüchte, wonach die Segelflieger dem Saanenland den Rücken kehren, seien aus der Luft gegriffen, betonen die Verantwortlichen.

ANITA MOSER
Segelfliegen liegt ihm im Blut: Schon sein Grossvater und sein Vater waren Segelflug- und Schlepppiloten. Und bereits als kleiner Knirps hat Corsin Widmer aus dem Kanton Aargau im Sommer jeweils Zeltferien am Rand des Flugplatzes in Saanen verbracht. Im August beginnt er das dritte Lehrjahr als Kaufmann öffentlicher Verkehr mit Fachrichtung Zugverkehrsleitung. Und in der Freizeit hebt der 17-Jährige wie sein Grossvater und sein Vater gerne ab.

Schlepppilot und Segelflugpilot
Seit er 14-jährig ist, sitzt er am Steuerknüppel von Segelflugzeugen, mit 16 hat er das Brevet gemacht und seit wenigen Monaten besitzt er auch die Lizenz als Schlepppilot. «Um ein Motorflugzeug zu fliegen, muss man 17-jährig sein», erzählt er. Nach der Prüfung benötigt es 30 Flugstunden, bevor die Schleppprüfung absolviert werden kann.

Während der drei Lagerwochen bringt er seine Kolleginnen und Kollegen in die Luft – ehrenamtlich, versteht sich. «Es ist cool, dass man so oft starten und landen kann, denn das sind die spannendsten Phasen des Motorfliegens», erklärt er. Und man könne «etwas anders fliegen», als mit Passagieren an Bord. Schneller runter, steilere Kurven …

Beim Segelfliegen fasziniert ihn das Zusammenspiel von Natur und Technik. «Zudem bieten die Alpen eine schöne Kulisse, es ist fantastisch», schwärmt er. Und man könne gut vom Alltag abschalten. Im Cockpit ist er voll bei der Sache, nichts anderes hat Platz. «Es ist sehr entspannend, auch wenn man den ganzen Tag gefordert ist.»

Lustig ist das Lagerleben …
«Wenn die Segelflieger kommen, ist Sommer», titelte diese Zeitung vor Jahresfrist. Heuer lässt der Sommer zu wünschen übrig, die Flugzeuge bleiben oft am Boden. Aber langweilig sei es nicht, versichert der Jungpilot. Das Saanenlager erlebe bei den Jüngeren einen Aufschwung – auch dank der sozialen Medien. «Wir sind eine coole Gruppe von Lagerteilnehmenden aus verschiedenen Landesteilen», meint Jonas Pitschen, der seit zwei Jahren die Jungen in der Lagerleitung vertritt. «Wir kochen, essen und unternehmen etwas zusammen.»

Dass das Lager bei Jüngeren immer beliebter wird, freut die Lagerleitung und stimmt sie zuversichtlich, dass das Lager erhalten werden kann. «Das schlechte Wetter war für die Jungen ein Härtetest – sie haben ihn bestanden», schmunzelt der Vertreter der Lagerleitung Felix Deutsch und ergänzt: «Wir haben hier das Alternativprogramm vor der Haustüre und wir helfen mit, das Dorf und die Region zu beleben.» Man sei froh, dass nach dem Lockdown im vergangenen Jahr die Restaurants wieder offen haben, Anlässe stattfinden können und man auch wieder wellnessen könne. Besonders freue ihn die grosszügige Unterstützung der Landeigentümer und der Dorforganisation Saanen.

Von vier auf drei Wochen
Unter Einheimischen kursiert das Gerücht, wonach die Segelflieger bald an einem anderen Ort ihre Kreise ziehen und dem Saanenland den Rücken kehren. Es gebe vereinzelte Stimmen, die andere Orte ins Spiel bringen. «Aber für uns ist Saanen die bevorzugte Option», bekräftigt Corsin Widmer. Allerdings wurde das Lager von vier auf drei Wochen gekürzt – aus verschiedenen Gründen. «Die Segelfluggruppen in der Schweiz haben in den vergangenen 25 Jahren die Hälfte ihrer Mitglieder verloren, das wirkt sich auch auf das Lager aus», erklärt Felix Deutsch. «Auch wissen wir um die Problematik mit den vom Bundesrat festgelegten Limiten von Starts und Landungen.» Mit der Reduzierung von vier auf drei Wochen nehmen weniger Piloten am Lager teil, dadurch werden weniger Frequenzen generiert. Und das schlechte Wetter trage – leider – ebenfalls dazu bei. Zudem seien die Segelflugzeuge im Vergleich zu früher viel länger in der Luft, mit drei Schleppflugzeugen komme man gut über die Runden, so Deutsch. «Wir haben heute ganz anderes Material, Flüge von sieben bis über neun Stunden sind keine Seltenheit.» Früher habe man die Segelflieger zwei-, dreimal pro Tag schleppen müssen, die letzten um 17 Uhr. «Heute bleiben die Schleppflugzeuge in der Regel ab Mitte Nachmittag am Boden.» Folglich sei auch die Lärmbelastung in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen.

Leichter Aufschwung
«Seit rund drei Jahren geht es aber wieder aufwärts, es finden wieder mehr Familien, mehr junge Leute wie Corsin Gefallen am Lager», stellt Felix Deutsch fest. Das sei für ihn der Hauptgrund, alles zu tun, damit das Lager, welches seit vier Jahren durch den ansässigen Verein Alpines Segelfluglager Saanen organisiert wird, eine Zukunft habe. Mit dem Ziel, das Lager wieder auf vier Wochen zu verlängern, betont Deutsch, der auch Präsident des Schweizerischen Segelflugverbandes ist.

Positives Fazit
Die Lagerleitung (neben Jonas Pitschen und Felix Deutsch gehört auch Jean F. Weber zum Team der Lagerorganisiation) und die Teilnehmenden ziehen nach zwei Wochen eine positive Bilanz. Die Flugplatzverantwortlichen hätten sich kooperativ und hilfsbereit gezeigt. «Es hat alles gepasst, nur das Wetter hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht», betont Felix Deutsch. Am kommenden Wochenende ist das diesjährige Lager Geschichte. «Wir kommen wieder», versprechen die Verantwortlichen. Vielleicht mit mehr Wetterglück, damit auch der Satz «Wenn die Segelflieger kommen, ist Sommer» wieder passt … www.segelflug-saanen.ch


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